Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
10. Sitzung vom 26. September 1985
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Stellv. Präsidentin Wiechatzek
9. daß durch eine Vereinbarung mit dem DRK und ggf.
anderen Organisationen oder Unternehmen erreicht
wird, daß Spenderblut in gleicher Weise anonym auf
LAV/HTLV-3-Antikörper untersucht wird, wie das
beispielsweise derzeit schon im Landesinstitut für
Tropenmedizin geschieht;
10. daß in den bezirklichen Beratungsstellen für
Geschlechtskrankheiten
a) keine Untersuchungen auf LAV/HTLV-3-Antikör-
per durchgeführt werden und
b) sofern solche Untersuchungen bereits durchge
führt worden sind, Karteikarten, Krankenblätter,
Mitteilungen von Untersuchungsinstitutionen und
andere Unterlagen, aus denen sich die Durchfüh
rung ergibt oder durch die auf die Durchführung
solcher Untersuchungen geschlossen werden
kann, durch solche Unterlagen ersetzt werden,
die keinerlei derartige Informationen mehr enthal
ten, und die ursprünglichen Unterlagen unver
züglich vernichtet werden;
11. daß bezirkliche Beratungsstellen, in denen
LAV/HTLV-3-Antikörper-Untersuchungen durchge
führt werden sollen, organisatorisch und räumlich
deutlich von den Beratungsstellen für Geschlechts
krankheiten getrennt sind;
12. daß in den Berliner Justizvollzugsanstalten Blut
tests auf LAV/HTLV-3-Antikörper wie in Freiheit nur
auf freiwilliger Basis erfolgen und keine Reihenunter
suchungen stattfinden;
13. daß diese Bluttests in Justizvollzugsanstalten von
externen Institutionen (z. B. Landesinstitut für Tro
penmedizin) völlig anonym durchgeführt werden;
14. daß die ärztliche Schweigepflicht auch bei diesem
Problem uneingeschränkt eingehalten wird;
15. daß zur Vermeidung des Infektionsrisikos Gefan
gene die Möglichkeit haben, in den Arztgeschäfts
stellen kostenlos Einwegspritzen und Präservative zu
erhalten;
16. daß bei Gefangenen, die an AIDS erkrankt sind, die
Haft unterbrochen wird bzw. die Gefangenen auf
dem Gnadenweg entlassen werden.
17. daß die am 22. August 1985 angekündigten zusätz
lichen Stellen beim Landesinstitut für Tropenmedizin
(Aids Task Force) umgehend vollständig besetzt
werden, damit die teilweise schon fast 3 Monate be
tragende Wartezeit für Untersuchungen abgebaut
wird.
Über die vom Senat eingeleiteten Maßnahmen zu den
vorgenannten Punkten ist dem Abgeordnetenhaus von
Berlin bis zum 31. Dezember 1985 zu berichten.
Wird das Wort in der Beratung gewünscht? - Das ist nicht der
Fall. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung einschließlich
des AL-Änderungsantrags an den Ausschuß für Gesundheit und
Soziales. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den
bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön, so beschlossen!
Die AL-Fraktion beantragt zusätzlich die Überweisung an den
Rechtsausschuß; Federführung Ausschuß für Gesundheit und
Soziales. Sie stimmen dem zu? - Dann können wir so verfahren.
[Vetter (CDU); Ich nicht!]
Laufende Nummer 14 ist bereits durch die Konsensliste
erledigt.
Lfd. Nr. 15 a, Drucksache 10/213:
Antrag der Fraktion der SPD über Nichts bschie-
bung von Ausländern
und
ifd. Nr. 15 b, Drucksache 10/232: (C)
Antrag der Fraktion der AL Uber Abschiebungen
von staatenlosen Palästinensern und Kurden in
den Libanon
Hiermit verbinde ich - die Anerkennung der Dringlichkeit voraus
gesetzt -
lfd. Nr. 15 c, Drucksache 10/249:
Antrag der Fraktion der SPD über Abschiebung
schwangerer ausländischer Frauen
hierzu: Ergänzungsantrag der Fraktion der AL
Folgender Absatz wird hinzugefügt:
— daß nach Ablauf des Besuchersichtvermerks den
schwangeren Ehefrauen die Aufenthaltserlaubnis er
teilt wird und nach Geburt des Kindes den Kindern
der Aufenthalt erlaubt wird.
und
lfd. Nr. 15d, Drucksache 10/255:
Antrag der Fraktion der AL Uber Änderung der
Abschiebepraxis in Berlin
Wird das Wort in der Beratung gewünscht? - Herr Barthel!
[Zurufe und Beifall von der CDU]
Barthel (SPD): Ich danke Ihnen von der CDU für diesen An
fangsbeifall dafür, daß ich mir ertaube, um halb neun noch etwas
zum Thema „Ausländer“ zu sagen.
Bei dem Antrag Drucksache 213 - Nichtabschiebung von
Ausländern - sind eigentlich nur sehr wenige Worte notwendig;
der Antrag verlangt nur etwas, das selbstverständlich sein sollte,
jedenfalls wenn man die Einrichtung des Petitionsausschusses
ernst nimmt. Daß Ausländer, von denen eine Petition anhängig
ist, nicht abgeschoben werden, ist eigentlich eine Selbstver
ständlichkeit.
[ Beifall bei der AL]
Ich will auch nicht verschweigen, daß dies zum großen Teil auch
so gehandhabt wird. Aber eben nur zum großen Teil! Offensicht
lich weiß die Ausländerbehörde davon noch nichts. Der Sinn
dieses Antrags ist es eben, eine gewisse Sicherheit auch für An
wälte zu begründen, denn häufig hört man: Hoffentlich wird in
der Zeit, in der ich die Petition laufen habe, niemand abgescho
ben! - Es wird hiermit also schlicht und einfach eine Selbstver
ständlichkeit beantragt. Ich gehe davon aus, daß im Fachaus
schuß in diesem Sinne entschieden wird.
Ich ertaube mir, auch noch ganz kurz etwas zu dem AL-Antrag
über Abschiebungen von staatenlosen Palästinensern und Kur
den in den Libanon zu sagen. Wir haben hier schon oft die De
batte gehabt: Abschiebungen in den Libanon, ja oder nein? -
Sie kennen die Position der SPD, die davon ausgeht, daß es dar
auf ankommt, wie die Situation in dem Land ist, in das abgescho
ben werden soll oder nicht, daß es also nicht auf die Daten des
einzelnen hier Befindlichen ankommen soll. Nun haben wir böse
Erfahrungen gemacht Wenn Sie von den Regierungsparteien
ehrlich sind, dann haben auch Sie böse Erfahrungen gemacht
mit diesem System der Einzelfallprüfungen. Das ist ein Netz,
durch das alles durchgeht. Die Zahl derjenigen, die wir als Abge
ordnete per Einzelfallprüfung zu prüfen haben, wird immer
größer. Wir haben heute morgen schon im Ausschuß darüber
gesprochen. In letzter Zeit bekommen wir immer Zehnerpackun
gen zugeschickt und sollen dann überprüfen, ob wir damit ein
verstanden sind, abzuschieben oder nicht abzuschieben.
Diesen Antrag von der AL verstehe ich so, daß man versucht
zu retten, was zu retten ist, nämlich die im Libanon am stärksten
gefährdeten Gruppen. Das ist von dem Kuchen, von dem man
eigentlich überhaupt nichts abschneiden sollte, nur ein Teil.