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Volume Nr. 10, 26. September 1985

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1985, 10. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
10. Sitzung vom 26. September 1985 
458 
Schütze 
(A) Und wenn Sie hier doch mit ziemlich lauten Worten kritisieren, 
daß der wissenschaftliche Assistent wieder dem Professor zu 
geordnet wird, was alles ganz schlecht sein und die Initiative ver 
hindern soll, so haben Sie doch keine Begründung dafür ge 
bracht, wieso eine derartige Zuordnung unterbinden soll, daß 
der wissenschaftliche Assistent nach wie vor eigenständig for 
schen kann. Dazu haben Sie leider nichts gesagt. 
Der letzte wichtige Punkt ist die Frage der Mitbestimmung und 
der Hochschulleitung. Ich sage zunächst ganz ausdrücklich: Das 
Prinzip der Gruppenuniversität bleibt erhalten als Gliederungs 
prinzip, aber das Prinzip der Fachvertretung soll stärker hervor 
gehoben werden, als dies bisher der Fall war. Alle Fachbereichs 
vertreter sollen künftig dem Akademischen Senat angehören. 
Wichtig ist - ich halte dies für einen sehr wichtigen Punkt -, 
daß die Entscheidung darüber, wer die Hochschule nach außen 
vertritt, von denjenigen getroffen wird, die das Ansehen der 
Hochschule in der Öffentlichkeit prägen, und das sind nun ein 
mal die Professoren, ob Ihnen das paßt oder nicht. 
[Zuruf des Abg. Kremendahl (SPD)] 
- Im wesentlichen sind es die Professoren, Herr Kollege 
Kre mendahl, da können Sie sagen, was Sie wollen. Das ist nun 
einmal so. - Und deshalb begrüßen wir auch hier diese Novelle. 
Ich möchte nicht in Einzelheiten einsteigen, wie die Mehrheiten in 
den einzelnen Gremien aussehen sollen. Das können wir natür 
lich trefflich bei der Novellierung des Berliner Hochschulgeset 
zes tun, so daß Sie mir jetzt bitte die Einzelheiten ersparen 
mögen. 
Alles in allem liegt eine begrüßenswerte Gesetzesnovelle vor, 
die den Wettbewerb der Hochschulen untereinander fördert. Sie 
sichert die Qualität der Ausbildung und fördert diese auch. Und 
dies wollen wir auch mit unserem Antrag erreichen. - Danke 
schön! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
(B) 
Stellv. Präsident Longolius: Der nächste Redner ist der 
Kollege Dr. Tolksdorf. 
Dr. Tolksdorf (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich möchte Sie bitten, der Beschlußempfehlung des 
Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, die Ihnen vor 
liegt, zuzustimmen, und den Antrag, den der Kollege Kremendahl 
heute eingebracht hat, abzulehnen. Ich möchte das mit Hinweis 
auf einige Schwerpunkte begründen. 
Der erste Schwerpunkt soll sein: Organisation der Forschung. 
Wir beobachten seit sehr vielen Jahren, daß Forschungsvorha 
ben in nennenswertem Umfang aus den Hochschulen herausge 
gangen sind, daß sie herausverlagert wurden in Institute, in die 
Industrie. Wir haben das bedauert, weil wir der Ansicht waren, 
daß die Forschung wieder in verstärktem Maß von den Hoch 
schulen wahrgenommen werden soll, und wir halten es daher für 
angemessen, daß auch seitens des Gesetzgebers in Bonn ver 
sucht wird, diesen Prozeß in Gang zu setzen. Wir meinen, daß 
eine Erleichterung bei der Anwerbung von Drittmittel-Projekten, 
die von der Wirtschaft mitfinanziert werden, angestrebt werden 
soll. Wir sind weit davon entfernt, das als „Industriesteuerung“ 
abzuwerten. Wir Liberale haben durchaus keine Berührungs 
ängste, was die engere Kooperation von Hochschulen und Wirt 
schaft betrifft. Sie können das kritisieren, wir haben tatsächlich 
keine grundsätzlichen Bedenken. Nur meinen wir - und das ist 
für mich persönlich sehr wichtig daß einige bewährte Grund 
sätze der Hochschulforschung nicht über Bord gehen dürfen, 
und dazu gehören: 
a) Es muß auch über die Ergebnisse von Drittmittel-Projekten 
ohne Einschränkung publiziert werden dürfen, 
b) die Forschung muß weiterhin in die Lehre integriert werden 
können, 
c) es darf keine Fremdbestimmung über die am Forschungs 
projekt beteiligten Hochschulangehörigen geben, 
d) es darf an den Hochschulen keine abgeschlossenen Berei- (C 
che geben, wo quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit geheim 
geforscht wird. 
Ich komme zu einem zweiten Punkt: die fachliche Kompetenz 
bei den Entscheidungen an der Hochschule. Ich meine, Herr Kol 
lege Kremendahl, daß dieses Prinzip der fachlichen Kompetenz 
auch jetzt schon die Entscheidungsprozesse an den Gruppen 
hochschulen beherrscht. Bei grundsätzlich gleicher Mitverant 
wortung und Mitbestimmung werden auch heute schon Gewich 
tungen vorgenommen - und dieses Prinzip bleibt erhalten Ge 
wichtungen, die sich an der fachlichen Kompetenz, der Erfah 
rung und der Betroffenheit an den Entscheidungen orientieren. 
Wir wollen an diesem Grundsatz auch nicht rütteln; es wäre 
nach Meinung der F.D.P. nahezu grotesk, zurückzugehen zu den 
wirklich überholten Ordinarienuniversitäfen vergangener Jahr 
zehnte. Es wäre somit völlig unangemessen, die Entscheidungen 
einer - ich nenne es einmal so - Oligarchie von Professoren zu 
übertragen, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit die Ge 
schicke der Hochschule bestimmt. Das kann nicht der Gang der 
Entwicklung sein, den wollen wir nicht, und er ist auch in der 
HRG-Novelle nicht vorgesehen. Ich möchte für die F.D.P. beto 
nen, daß wir der Auffassung sind, daß sich unsere Hochschulen 
als Hochschulen in einer demokratischen Gesellschaft darstel 
len müssen; dazu gehört, daß die innere Verfassung unserer 
Hochschulen diesem Ausbildungsauftrag entsprechen muß, 
nämlich die Masse der Leistungsträger für eine freiheitlich-demo 
kratische Gesellschaft heranzubilden. Spätfeudale Binnenstruk 
turen - die Sie, Herr Kremendahl, mit dem Begriff „Ordinarien 
universität“ beschworen haben - wären diesem Ziel feindlich, 
die lehnen wir daher mit ab. Somit wollen wir als F.D.P. an dem 
Grundsatz der Mitbestimmung festhalten. Die einzig wirklich ent 
scheidende Modifikation, die das HRG vorsieht, ist im Grunde 
genommen die Ausweitung der sonst vorhandenen Professoren 
mehrheit auf die Wahl der Hochschulleitungen. Auch hier ist 
diese Ausweitung nicht gänzlich abwegig, weil der Personen 
kreis der Professoren von dem Grad der Betroffenheit als Lei 
stungsträger der Hochschule her, wie auch von der Dauer der 
Zugehörigkeit zur Hochschule her in einer ganz besonderen Ver 
antwortung steht. 
[Frau Kiele (AL): Das ist doch nicht zu fassen!] 
Ich meine, daß es sinnvoll ist, was wir als F.D.P, jetzt erreicht 
haben: daß die Professoren in dem Wahlgremium zwar eine ab 
solute Mehrheit erhalten, aber keine doppelte Mehrheit, wie sie 
anfangs noch vorgesehen war. Das heißt: Die Professoren müs 
sen weiterhin dafür sorgen - jedenfalls in ihrer Mehrheit -, daß 
sie sich bei den Kandidaten für die Präsidenten und Rektoren 
der Hochschulen der Mitwirkung auch anderer Gruppen ver 
sichern, weil sonst ein Vorschlag, den sie mehrheitlich anbieten, 
nicht durchkommt. Das heißt: Es bleibt nach der jetzt vorliegen 
den Novelle möglich, daß eine Minderheit von Professoren mit 
anderen Gruppierungen einen Präsidenten wählt. Das war in der 
ersten Runde ausgeschlossen, als es noch diese doppelten 
Mehrheiten gab. Wir begrüßen es als F.D.P. ausdrücklich, daß 
somit die Professoren für ihren Kandidaten auch bei den anderen 
Gruppierungen werben müssen. 
Dritter Punkt: Öffnung der Hochschulen. Hier ist ein besonde 
res Anliegen auch meiner Fraktion angesprochen: Können wir 
angesichts der Berufsfeldentwicklung, die wir in dieser Gesell 
schaft beobachten, erreichen, daß wir geeignete Berufspraktiker 
an die Hochschulen heranführen, auch wenn sie kein Abitur 
haben? - Hier soll es natürlich nicht darum gehen, generell 
Hochschuleingangsprüfungen vorzusehen und damit das Abitur 
abzuwerten - das kann nicht der Sinn sein. Es geht hier nur um 
meist ältere Mitbürger, die berufliche Ausbildung und Erfahrung 
haben und die mit dieser Erfahrung zu den Hochschulen bei Eig 
nung zugelassen werden können - ein Faktum, das immer ab 
wertend als „soziale Öffnung“ bezeichnet wurde, zu dem wir uns 
aber ausdrücklich bekennen und das wir unterstützen. Wir be 
grüßen nachhaltig, daß die HRG-Novelle das für neue Studien 
gänge vorsieht. 
Vierter Punkt, auf den ich eingehen möchte; die Frage der Dis 
kriminierung von Frauen im Hochschulbereich. Wir finden es
	        
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