Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
10. Sitzung vom 26. September 1985
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Schütze
(A) Und wenn Sie hier doch mit ziemlich lauten Worten kritisieren,
daß der wissenschaftliche Assistent wieder dem Professor zu
geordnet wird, was alles ganz schlecht sein und die Initiative ver
hindern soll, so haben Sie doch keine Begründung dafür ge
bracht, wieso eine derartige Zuordnung unterbinden soll, daß
der wissenschaftliche Assistent nach wie vor eigenständig for
schen kann. Dazu haben Sie leider nichts gesagt.
Der letzte wichtige Punkt ist die Frage der Mitbestimmung und
der Hochschulleitung. Ich sage zunächst ganz ausdrücklich: Das
Prinzip der Gruppenuniversität bleibt erhalten als Gliederungs
prinzip, aber das Prinzip der Fachvertretung soll stärker hervor
gehoben werden, als dies bisher der Fall war. Alle Fachbereichs
vertreter sollen künftig dem Akademischen Senat angehören.
Wichtig ist - ich halte dies für einen sehr wichtigen Punkt -,
daß die Entscheidung darüber, wer die Hochschule nach außen
vertritt, von denjenigen getroffen wird, die das Ansehen der
Hochschule in der Öffentlichkeit prägen, und das sind nun ein
mal die Professoren, ob Ihnen das paßt oder nicht.
[Zuruf des Abg. Kremendahl (SPD)]
- Im wesentlichen sind es die Professoren, Herr Kollege
Kre mendahl, da können Sie sagen, was Sie wollen. Das ist nun
einmal so. - Und deshalb begrüßen wir auch hier diese Novelle.
Ich möchte nicht in Einzelheiten einsteigen, wie die Mehrheiten in
den einzelnen Gremien aussehen sollen. Das können wir natür
lich trefflich bei der Novellierung des Berliner Hochschulgeset
zes tun, so daß Sie mir jetzt bitte die Einzelheiten ersparen
mögen.
Alles in allem liegt eine begrüßenswerte Gesetzesnovelle vor,
die den Wettbewerb der Hochschulen untereinander fördert. Sie
sichert die Qualität der Ausbildung und fördert diese auch. Und
dies wollen wir auch mit unserem Antrag erreichen. - Danke
schön!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
(B)
Stellv. Präsident Longolius: Der nächste Redner ist der
Kollege Dr. Tolksdorf.
Dr. Tolksdorf (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich möchte Sie bitten, der Beschlußempfehlung des
Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, die Ihnen vor
liegt, zuzustimmen, und den Antrag, den der Kollege Kremendahl
heute eingebracht hat, abzulehnen. Ich möchte das mit Hinweis
auf einige Schwerpunkte begründen.
Der erste Schwerpunkt soll sein: Organisation der Forschung.
Wir beobachten seit sehr vielen Jahren, daß Forschungsvorha
ben in nennenswertem Umfang aus den Hochschulen herausge
gangen sind, daß sie herausverlagert wurden in Institute, in die
Industrie. Wir haben das bedauert, weil wir der Ansicht waren,
daß die Forschung wieder in verstärktem Maß von den Hoch
schulen wahrgenommen werden soll, und wir halten es daher für
angemessen, daß auch seitens des Gesetzgebers in Bonn ver
sucht wird, diesen Prozeß in Gang zu setzen. Wir meinen, daß
eine Erleichterung bei der Anwerbung von Drittmittel-Projekten,
die von der Wirtschaft mitfinanziert werden, angestrebt werden
soll. Wir sind weit davon entfernt, das als „Industriesteuerung“
abzuwerten. Wir Liberale haben durchaus keine Berührungs
ängste, was die engere Kooperation von Hochschulen und Wirt
schaft betrifft. Sie können das kritisieren, wir haben tatsächlich
keine grundsätzlichen Bedenken. Nur meinen wir - und das ist
für mich persönlich sehr wichtig daß einige bewährte Grund
sätze der Hochschulforschung nicht über Bord gehen dürfen,
und dazu gehören:
a) Es muß auch über die Ergebnisse von Drittmittel-Projekten
ohne Einschränkung publiziert werden dürfen,
b) die Forschung muß weiterhin in die Lehre integriert werden
können,
c) es darf keine Fremdbestimmung über die am Forschungs
projekt beteiligten Hochschulangehörigen geben,
d) es darf an den Hochschulen keine abgeschlossenen Berei- (C
che geben, wo quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit geheim
geforscht wird.
Ich komme zu einem zweiten Punkt: die fachliche Kompetenz
bei den Entscheidungen an der Hochschule. Ich meine, Herr Kol
lege Kremendahl, daß dieses Prinzip der fachlichen Kompetenz
auch jetzt schon die Entscheidungsprozesse an den Gruppen
hochschulen beherrscht. Bei grundsätzlich gleicher Mitverant
wortung und Mitbestimmung werden auch heute schon Gewich
tungen vorgenommen - und dieses Prinzip bleibt erhalten Ge
wichtungen, die sich an der fachlichen Kompetenz, der Erfah
rung und der Betroffenheit an den Entscheidungen orientieren.
Wir wollen an diesem Grundsatz auch nicht rütteln; es wäre
nach Meinung der F.D.P. nahezu grotesk, zurückzugehen zu den
wirklich überholten Ordinarienuniversitäfen vergangener Jahr
zehnte. Es wäre somit völlig unangemessen, die Entscheidungen
einer - ich nenne es einmal so - Oligarchie von Professoren zu
übertragen, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit die Ge
schicke der Hochschule bestimmt. Das kann nicht der Gang der
Entwicklung sein, den wollen wir nicht, und er ist auch in der
HRG-Novelle nicht vorgesehen. Ich möchte für die F.D.P. beto
nen, daß wir der Auffassung sind, daß sich unsere Hochschulen
als Hochschulen in einer demokratischen Gesellschaft darstel
len müssen; dazu gehört, daß die innere Verfassung unserer
Hochschulen diesem Ausbildungsauftrag entsprechen muß,
nämlich die Masse der Leistungsträger für eine freiheitlich-demo
kratische Gesellschaft heranzubilden. Spätfeudale Binnenstruk
turen - die Sie, Herr Kremendahl, mit dem Begriff „Ordinarien
universität“ beschworen haben - wären diesem Ziel feindlich,
die lehnen wir daher mit ab. Somit wollen wir als F.D.P. an dem
Grundsatz der Mitbestimmung festhalten. Die einzig wirklich ent
scheidende Modifikation, die das HRG vorsieht, ist im Grunde
genommen die Ausweitung der sonst vorhandenen Professoren
mehrheit auf die Wahl der Hochschulleitungen. Auch hier ist
diese Ausweitung nicht gänzlich abwegig, weil der Personen
kreis der Professoren von dem Grad der Betroffenheit als Lei
stungsträger der Hochschule her, wie auch von der Dauer der
Zugehörigkeit zur Hochschule her in einer ganz besonderen Ver
antwortung steht.
[Frau Kiele (AL): Das ist doch nicht zu fassen!]
Ich meine, daß es sinnvoll ist, was wir als F.D.P, jetzt erreicht
haben: daß die Professoren in dem Wahlgremium zwar eine ab
solute Mehrheit erhalten, aber keine doppelte Mehrheit, wie sie
anfangs noch vorgesehen war. Das heißt: Die Professoren müs
sen weiterhin dafür sorgen - jedenfalls in ihrer Mehrheit -, daß
sie sich bei den Kandidaten für die Präsidenten und Rektoren
der Hochschulen der Mitwirkung auch anderer Gruppen ver
sichern, weil sonst ein Vorschlag, den sie mehrheitlich anbieten,
nicht durchkommt. Das heißt: Es bleibt nach der jetzt vorliegen
den Novelle möglich, daß eine Minderheit von Professoren mit
anderen Gruppierungen einen Präsidenten wählt. Das war in der
ersten Runde ausgeschlossen, als es noch diese doppelten
Mehrheiten gab. Wir begrüßen es als F.D.P. ausdrücklich, daß
somit die Professoren für ihren Kandidaten auch bei den anderen
Gruppierungen werben müssen.
Dritter Punkt: Öffnung der Hochschulen. Hier ist ein besonde
res Anliegen auch meiner Fraktion angesprochen: Können wir
angesichts der Berufsfeldentwicklung, die wir in dieser Gesell
schaft beobachten, erreichen, daß wir geeignete Berufspraktiker
an die Hochschulen heranführen, auch wenn sie kein Abitur
haben? - Hier soll es natürlich nicht darum gehen, generell
Hochschuleingangsprüfungen vorzusehen und damit das Abitur
abzuwerten - das kann nicht der Sinn sein. Es geht hier nur um
meist ältere Mitbürger, die berufliche Ausbildung und Erfahrung
haben und die mit dieser Erfahrung zu den Hochschulen bei Eig
nung zugelassen werden können - ein Faktum, das immer ab
wertend als „soziale Öffnung“ bezeichnet wurde, zu dem wir uns
aber ausdrücklich bekennen und das wir unterstützen. Wir be
grüßen nachhaltig, daß die HRG-Novelle das für neue Studien
gänge vorsieht.
Vierter Punkt, auf den ich eingehen möchte; die Frage der Dis
kriminierung von Frauen im Hochschulbereich. Wir finden es