Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
6. Sitzung vom 27. Juni 1985
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Dr. Meisner
(A) worden, und wo sind denn nun die Erfolge, derentwegen
Sie uns diese zweite Plenardebatte beschert haben?
[Beifall bei der SPD und der AL]
Der Senat hat eben nicht, wie es uns immer wieder
versichert wird, alles getan, um diese Dreckschleuder zu
verhindern, in deren Rauchfahne Berlin bei Westwind in
Zukunft liegen wird. Er hat Buschhaus geschäftsmäßig be
handelt. Er hat sich den Sachzwängen gebeugt und vor
allem den Koalitionszwängen im Bundestag und im Bun
desrat. Er hat sich politisch von dem Thema praktisch
schon vor einem Jahr verabschiedet, als im Bundestag
CDU und und F.D.P. und CSU die energiepolitische Ver
nunft und die umweltpolitische Notwendigkeit verleugnet
haben und dem Prestigeobjekt des Herrn Albrecht zuge
stimmt haben.
[Beifall bei der SPD]
Und nun wollen Sie, meine Damen und Herren von der
CDU und von der F.D.P., mit dieser Entschließung, die
Buschhaus ohne Entschwefelung erst einmal hinnimmt,
daß auch das Berliner Abgeordnetenhaus vor der ener
giepolitischen Unvernunft und vor der umweltpolitischen
Verantwortungslosigkeit kapituliert.
[Fabig (F.D.P.): Sie wissen, daß Sie unseriös sind!]
Ich möchte manche Redner in diesem Haus einmal daran (C;
erinnern, welches wechselvolle Verhältnis sie zu Gerichts
urteilen haben; je nachdem, wie es gerade in den Kram
paßt, ist das jeweilige Verwaltungsgericht beeinflußt, nicht
objektiv, und bei anderer Gelegenheit sehen Sie die
Dinge dann wieder ganz anders. Und es wird immer wie
der gesagt, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestä
tigt eindeutig den Standpunkt der niedersächsischen Lan
desregierung, das stellt uns eigentlich nicht zufrieden,
aber wir müssen das akzpeptieren.
[Zuruf des Abg. Dr. Meisner (SPD)]
— Und wenn Sie sagen, Herr Dr. Meisner — ich höre ge
rade wieder Ihren Zwischenruf —, dadurch wird die BKB
ja doch nicht gezwungen, dann will ich Sie doch einmal
auf folgendes hinweisen: Mich ärgert auch — das habe
ich verschiedentlich gesagt —, daß ein öffentliches Unter
nehmen sich so verhält, das ist umweltpolitisch nicht zu
friedenstellend. Aber nach dem Aktienrecht hat eben auch
die Bundesregierung keine Mehrheit, insbesondere schon
gar keine vorherrschende Mehrheit. Und was die Mitbe
stimmung angeht — das ist ein ganz interessanter Fall —,
so haben wir dort die Montan-Mitbestimmung — dafür
sind Sie auch, wir auch.
[Staffelt (SPD): Die Mitbestimmung ist an allem
schuld!]
Wir werden das nicht mitmachen. Bei Kapitulationen pflegt
man weiße Fahnen zu hissen; diese Fahne wird sehr
schnell dreckig werden!
(B)
[Frau Bischoff-Pflanz (AL): Schwarz! — Beifall bei
der SPD und der AL]
Bei der Montan-Mitbestimmung ist der große Vorteil, daß
die Arbeitnehmer bei 15 Sitzen einschließlich einem
neutralen Mann sieben Sitze haben, und die Arbeiter
sind aufgrund ihres großen Mitbestimmungsrechtes für
die Inbetriebnahme. Das wären die beiden Möglichkeiten,
die heute eine Inbetriebnahme ohne Entschwefelungs
anlage gestatten. ^
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner — der
Kollege Liepelt.
[Dr. Meisner (SPD): Da haben Sie den Schuldigen
endlich gefunden!]
Liepelt (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Als wir im letzten Jahr mit>einer ge
meinsamen Beschlußfassung in diesem Hause für die ge
meinsamen Berliner Interessen eingetreten sind, war dies
ein Akt der Glaubwürdigkeit gegenüber der Öffentlich
keit. Ich sage dies auch insbesondere für die beiden
großen Patreien, denen das nicht leichtgefallen ist, ge
genüber unseren jeweiligen Parteifreunden im übrigen
Bundesgebiet. Mit dieser Beschlußvorlage aus dem Stadt
entwicklungsausschuß, die auch der Ausschuß für Bun
desangelegenheiten übernommen hat, sagen wir, dies
bleibt ein Akt der Glaubwürdigkeit, denn alles andere
wäre ein Akt der Gaukelei, wir würden den Leuten einen
Handlungsspielraum vorgaukeln, der heute nicht mehr ge
geben ist. Und wenn Umweltpolitik glaubwürdig bleiben
will, darf sie den Leuten auch nichts vorgaukeln. Das wäre
der erste Schritt, die Leute für den Umweltschutz zu fru
strieren. Deshalb ist diese heutige Beschlußfassung eine
glaubwürdige Beschlußfassung, denn sie bietet einen
disponiblen Handlungsspielraum, und diesen soll der Se
nat ausnutzen. Das ist die Forderung dieses Beschlusses.
[Abg. Dr. Kremendahl (SPD) meldet sich zu einer
Zwischenfrage.]
Stellv. Präsident Longolius: Gestatten Sie eine Zwi
schenfrage, Herr Liepelt?
Liepelt (CDU): Nein, danke! — Wir haben eben nun
einmal nicht nur die Beschlußlage des Bundestages, son
dern auch die Beschlußlage des Oberverwaltungsgerichts.
Sie wollen das nicht zur Kenntnis nehmen.
[Staffelt (SPD): Darauf haben wir gewartet!
Das ist die 5. Auflage Ihres Dauermärchens!}
Ich finde, man sollte bei einer solchen Debatte auch
einmal klären, was ist denn nun die Lösung, die uns
heute ins Haus steht, mit der Buschhaus in Betrieb ge
hen soll? — 1. Wir haben die Zusage — und wir fordern
die niedersächsische Landesregierung auf, dies zügig zu
entwickeln und zu betreiben —, daß dort eine Filteranlage
eingebaut wird. Im übrigen wird das eine Filteranlage
sein, deren Technik vor rund 15 Monaten noch nicht für
möglich gehalten wurde. Hier haben wir einen — wenn
auch aus einem betrüblichen Anlaß — innovativen Fort
schritt zu verzeichnen.
Zweitens: Der Beschluß des Bundestages erfüllt zu
mindest aus unserer Sicht minimale Forderungen. Im er
sten Jahr wird der jetzige Ausstoß von 145 000 t um
20 000 t reduziert. Im Jahr 1987 wird dieses Konzept zu
einer Reduzierung auf 35 000 t führen. Wenn wir dem Be
schluß der AL folgen würden, hätten wir bis 1987 keinen
Rückgang der Emissionen, sondern eine gleichbleibende
Emission von 145 000 t. Trotz unserer gleichbleibenden
Unzufriedenheit ist im Vergleich zu Ihrem Antrag dieses
Konzept immer noch das weitaus fortschrittlichere.
Alle Parteien haben es 1980 im Bundestag mit einer
Änderung des sogenannten Verstromungsgesetzes er
möglicht, daß die schwefelhaltige Braunkohle mit öffent
licher Hilfe verfeuert werden kann. Das war damals eine
Initiative der Bundesregierung, die von der SPD gestellt