Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
6. Sitzung vom 27. Juni 1985
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Dr. Meisner
,) Wir wissen, daß Mißtrauensvoten immer auf so eine
Art Herdentrieb stoßen. Es wird nach dem Herdentrieb
abgestimmt, man sagt: Das ist unser Mann, dem sprechen
wir das Vertrauen aus! —
[Simon (CDU): So machen Sie das also!]
— Herr Simon! Das haben wir doch bei Ihnen bei dem
selben Senator schon einmal erlebt!
Wir bitten Sie also herzlich, prüfen Sie die sachlichen
Aussagen, die wir in unserem Antrag gemacht haben.
Wenn Sie nach der Prüfung zu der Auffassung kommen,
daß sie nicht unberechtigt sind, dann müssen Sie dem
zustimmen! — Ich danke Ihnen.
Präsident Rebsch: Das Wort hat für bis zu drei Minuten
der Abgeordnete Kammholz.
Kammholz (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehr
ten Damen und Herren! Die letzten beiden Beiträge
waren eigentlich nicht mehr akzeptabel unter dem Ge
sichtspunkt einer fairen Opposition.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Lassen Sie mich noch einmal klarstellen: Wir hatten bis
zum Jahre 1983 rechtlich abgesichert folgende Situation:
Das Unternehmen „Sonnenschein“ hat mit Altanlagen ge
arbeitet, und es hat mit einer Pasterei gearbeitet, die
nicht genehmigungspflichtig war. Es gab also keinerlei
rechtlichen Anhaltspunkt für einen Umweltsenator, mit
Sanierungsprogrammen und Auflagen in dieses Unter
nehmen reinzugehen. Das ist die Erblast, das ist auch
eine Altlast, die irgendwann beseitigt werden mußte. Die
ser Zeitpunkt kam mit dem Genehmigungsantrag für die
Bleimühle im Jahr 1983. Erstmals war mit diesem Antrag
die Möglichkeit gegeben, in das Unternehmen mit Auf
lagen reinzugehen; und diese erste Möglichkeit hat der
Umweltsenator damals genutzt.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Ich bitte, das einmal festzuhalten als den Ansatz, den
Senator Vetter in seinem Ressort geleistet hat. Meine
Damen und Herren von der Opposition: Das Altlasten
programm in seiner Aufarbeitung bedeutet natürlich mit
dem ersten Schritt der Umweltverwaltung immer eine
Chance für sie, zu erkennen, daß dort ja etwas Böses ist.
Es ist ja auch für eine Opposition legitim, auf Böses hin
zuweisen; aber aus jedem positiven Schritt der Umwelt
verwaltung zur Aufarbeitung der Altlasten hier ein Skan
dalprogramm zu machen, das werden wir nicht zulassen.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Es kann vor der Berliner Öffentlichkeit schlechterdings
nicht zugelassen werden, aus dem Altlastenprogramm des
Senats — einem positiven Ansatz — ein Skandalpro
gramm werden zu lassen. Die Vorgänge der Vergangen
heit sind insofern keine Skandale — das ist ja hier schon
mehrfach gesagt worden —, als das Umweltbewußtsein
damals nicht da war. In dieser Stadt gibt es eine hundert
jährige Industrietradition, deren Folgen wir aufarbeiten
wollen; das ist der Leistungsansatz dieses Senats.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Und dann noch, Herr Meisner, zu dem, was Sie hier
gesagt haben. Ich richte das gleichzeitig auch an die
Adresse des Unternehmens „Sonnenschein“: Ich finde es
schlichtweg unerhört, wenn Sie heute hier zitieren aus
der Anhörung, der Senator hätte das Unternehmen an- (C)
gebettelt, ein Genehmigungsverfahren einzuleiten.
[Dr. Meisner (SPD): „Angefleht“ habe ich gesagt!]
— Angefleht! — Dabei wissen Sie ganz genau, daß es
darum geht, daß im Vorgriff auf ein mögliches Urteil ein
vorbeugendes Genehmigungsverfahren eingeleitet wer
den kann.
[Glocke des Präsidenten]
Das kann nur das Unternehmen, das kann nicht der
Senator!
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU — Staffelt
(SPD); Aber auch beim Bodenaustausch hat er
„gebeten“!]
Es ist ein Appell, ein vernünftiger Appell des Senators
an das Unternehmen gewesen, im Interesse der Siche
rung der Arbeitsplätze dies zu tun!
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Präsident Rebsch: Nächster Redner ist der Abgeord
nete Simon.
Simon (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Wenn man die heutige Debatte verfolgt hat und sich
als ein Abgeordneter, der dem Haus schon längere Zeit
angehört und auch Oppositionszeiten durchgemacht hat.
daran erinnert, wie denn eine Opposition, als sie noch
CDU hieß, sich bei einem solchen Sachverhalt in etwa
verhalten hätte, dann kommt man, glaube ich, zu einem
Ergebnis, das weit von dem Verlauf der heutigen Debatte, (®)
von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, entfernt ist.
Herr Kollege Staffelt! Ich habe großes Verständnis da
für, daß Sie versuchen, aus Dingen, von denen Sie mei
nen, daß sie in der öffentlichen Debatte eine gewisse
Rolle spielen, Honig zu saugen. Wenn Sie dabei aller
dings eine Methode anwenden, die so durchsichtig ist,
daß, was auch immer passiert, Sie immer nur mit dem
umgekehrten Argument dagegen Vorgehen, dann, glaube
ich, wird ganz deutlich — und das merkt dann auch die
Öffentlichkeit —, daß Sie hier inhaltlich überhaupt nichts
dazu beizutragen haben.
[Abg. Staffelt (SPD) meldet sich zu einer
Zwischenfrage.]
— Nee, nee, Herr Kollege Staffelt! Wir haben über die
gesamte Zeit ohne Zwischenfragen agiert. Dabei will ich
jetzt auch bleiben.
Im Februar haben Sie einen Mißtrauensantrag gegen
den Senator Vetter gestellt und haben gesagt: Das be
ruht darauf, daß er „Sonnenschein“ nicht schließen will.
Exakt in dem Moment, in dem er der gerichtlichen Ver
fügung unverzüglich gefolgt ist, haben Sie gesagt: Un
erhört! Was macht er denn nun hier? — Hier und heute
haben Sie einen Antrag eingereicht, in dem Sie schrei
ben: Nichts von den Versäumnissen der Vergangenheit
gelernt und und und! — Fünf Minuten .vor der Plenarsit
zung wird dann eine Ausschußsitzung von Ihnen bean
tragt, und in dieser Ausschußsitzung wird abgefragt, wird
gemacht und getan. Es stellt sich heraus: An Brisantem
ist nichts weiter dabei!
[Dr. Meisner (SPD): Sie hätten konzentriert
zuhören sollen und nicht immer andere Sa
chen machen! Sie sind kein fleißiger Abge
ordneter!)