Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
6. Sitzung vom 27. Juni 1985
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RBm Diepgen
(A) Form beteiligt werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt
hat der Kollege Vetter eine völlig korrekte Formulierung
gebraucht, die allerdings nicht dazu führt, daß eine Volks
befragung durchgeführt wird.
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsident Longolius: Ich erteile jetzt dem Kol
legen Klinski das Wort zu einer Mündlichen Anfrage über
Bieistaubniederschläge in der Umgebung der
Firma „Sonnenschein“
Klinski (AL): Ich frage den Senat:
1. Wie hoch lagen die monatlichen Einzelmeßergebnisse
von Januar bis Mai 1985 für Bleistaubniederschlag an
den 13 Meßpunkten in der Umgebung der Firma Sonnen
schein, und wie hoch lagen die Durchschnittswerte der
sechs Meßpunkte nach dem „Rosinenprinzip“ des Senats,
das vom Verwaltungsgericht kritisiert worden ist, weil nur
für die Firma günstige Werte in die Berechnung eingehen?
2. Was hat den Senat veranlaßt, die Beantwortung mei
ner Kleinen Anfrage vom 18. April betreffend die Biei
staubniederschläge bei „Sonnenschein“ über den Prozeß-
termin hinauszuzögern, obwohl die Antwort bereits im
Mai fertiggestellt war?
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator Vetter zur
Beantwortung!
Vetter, Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz:
(B) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abge
ordneter Klinski, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Zu 1: Die nach Monaten aufgeschlüsselten Einzelmeß
werte der 13 Meßstellen würden — mündlich vorgetragen
— nur verwirren, vom Umfang her aber auch die Frage
stunde überschreiten, weil ich Ihnen über 52 Zahlen vor
lesen müßte. Ich werde Ihnen deshalb — wenn Sie es wol
len — eine genaue Tabelle zuschicken — sofern Sie sie
nicht schon haben, was ich beinahe vermute. Die Meß
werte, auf die es Ihnen ankommt, will ich Ihnen aber gern
jetzt schon sagen.
Wir haben bei vier Sondermeßpunkten — also bei
denen, die von uns zusätzlich, außerhalb des von der
TA-Luft vorgeschriebonen Meßnetzes dicht am Grund
stück installiert wurden — im Januar ganz erhebliche
Überschreitungen des zulässigen Flächenwertes von
0,25 mg Blei pro Quadratmeter zu vergleichen gehabt —
erhebliche Überschreitungen! Im April lagen diese Werte
jedoch nur bei drei dieser Sondermeßpunkte über dem
zulässigen Flächenwert, und zwar mit erheblich geringe
ren Überschreitungen als noch im Januar. Ich möchte sie
Ihnen im einzelnen nennen:
— Meßpunkt 4: im Januar 46,06 mg pro Quadratmeter, im
April 1,45 mg;
— MeßpunktS: im Januar 9,21 mg, im April 1,66 mg;
— Meßpunkt?: im Januar 3,87 mg, im April 0,05 mg, also
sogar als Punlctwert ganz deutlich unter dem zulässi
gen Flächenwert von 0,25 Milligramm;
— Meßpunkt 8 — einer der höchsten —: im Januar 17,47 mg,
im April 2,96 mg.
Ich will diese Werte nicht beschönigen; aber erstens
haben sie sich deutlich verbessert, und zweitens weise ich
noch einmal darauf hin, daß diese Sondermeßpunkte dicht
am Grundstück stehen und die dortigen Punktwerte nicht
mit dem nach der TA-Luft zu ermittelnden Flächenwert (C)
der sechs Rastermeßpunkte — also Mittelwert 0,25 mg —
verwechselt werden dürfen. Nur bei einem Meßpunkt im
Rasternetz, das die TA-Luft vorschreibt, liegen die Daten
im April überhaupt noch über dem Flächenwert von
0,25 mg: Dort zeigt der Punktwert nämlich 0,26 mg. Alle
übrigen Punktwerte liegen im April unter dem zulässigen
Flächenwert von 0,25 mg. Unser Flächenmittelwert beträgt
0,19 mg Blei pro Quadratmeter, und zwar für den Zeit
raum von Januar bis April einschließlich. Im April allein
liegt der Flächenmittelwert des TA-Luft-Meßnetzes mit
seinen sechs Meßstellen bei nur 0,12 mg, also noch nicht
einmal bei der Hälfte der nach der TA-Luft zulässigen
Menge. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß der
Grenzwert für das Flächenmittel in der TA-Luft als Jah
resmittelwert definiert ist. Ich bin aber zuversichtlich, daß
der zulässige Jahresmittelwert deutlich unterschritten
wird.
Der Senat nimmt die Auswertung der Staubnieder
schlagsmessungen also nicht nach einem „Rosinenprin
zip“ vor, sondern hält sich korrekt und exakt an die Meß-
und Auswertevorschriften der Allgemeinen Verwaltungs
vorschrift, die von allen Genehmigungs- und Ober-
wachungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland
angewandt wird.
Der Senat hat zur Kenntnis genommen, daß die 13. Kam
mer des Verwaltungsgerichts Berlin zur Auswertung von
Immissionsmessungen nach der TA-Luft eine abweichende
Auffassung vertritt. Da das Verwaltungsstreitverfahren
noch nicht abgeschlossen ist, erscheint es jedoch nicht
geboten, im Rahmen der parlamentarischen Diskussion
diese strittige Rechtsfrage zu erörtern.
Herr Abgeordneter Klinski, zu 2: Mich würde wirklich
einmal interessieren, woher Sie eigentlich die falsche
Information haben, die Antwort zu Ihrer Anfrage sei be- 1
reits im Mai unter Dach und Fach gewesen. Der Senat
hat die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 2 vom
18. April 1985 keinesfalls hinausgezögert. Der Gerichts
termin hat überhaupt nichts damit zu tun. Der Antwort
entwurf befand sich noch in der externen Mitzeichnung,
als die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin am
14. Juni 1985 erging; er befindet sich noch im Mitzeich
nungsverfahren. Ich hoffe, daß ich Ihnen in Kürze die
Antwort mitteilen kann.
Stellv. Präsident Longolius: Die erste Zusatzfrage stellt
Herr Abgeordneter Klinski.
Klinski (AL): Herr Senator Vetter, ist Ihnen eigentlich
bekannt, daß in der Gerichtsverhandlung die Meßwerte
von Januar und April insofern eine große Rolle spielten,
als das Gericht anerkannt hat, daß diese Werte — genau
die Einzelmeßwerte, von denen Sie redeten — zu hoch
lagen? Ist Ihnen ferner bekannt, daß die Technische An
leitung Luft fordert, den Einzeifall zu prüfen und reprä
sentative Werte zu ermitteln, was Sie nicht getan haben?
Weil Sie mich danach gefragt haben, gebe ich Ihnen
auch Antwort: Ich habe die Information, daß die Antwort
auf meine Anfrage im Mai fertiggestellt worden ist, von
Ihrer Verwaltung selbst.
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator Vetter!
Vetter, Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz;
Herr Abgeordneter Klinski, selbstverständlich sind mir
alle Einzelheiten aus der Gerichtsverhandlung bekannt,
aber die Rechtsinterpretation, die Sie eben vorgenom
men haben, stimmt nicht mit dem mir vorliegenden Urteil