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Volume Nr. 5, 13. Juni 1985

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1985, 10. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode 
5. Sitzung vom 13. Juni 1985 
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Sen Pieroth 
(A) getan. Erst durch Arbeit wird der, der arbeiten will, in 
seiner ganzen Persönlichkeit wiederhergestellt. Das ist 
keine neue Erkenntnis; das ist der tiefste Grund, warum 
Menschen ein Recht darauf haben, daß die Politiker sich 
mit der ganzen Kraft, mit ihrer ganzen politischen Kraft 
der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit widmen. Darum hat 
der Senat die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch 
eine aktive Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt seiner 
Arbeit gestellt. Das war schon unter Richard von Weiz 
säcker so, das ist aber noch mehr unter dem Regieren 
den Bürgermeister Eberhard Diepgen täglicher Alltag, in 
dieser großartigen Zusammenarbeit, in dieser Hilfe, die 
man als Wirtschaftssenator und, früher Kollege Wronski, 
als Arbeitssenator erfahren kann, daß es für keinen Se 
nator eine größere Aufgabe gibt als mitzuhelfen, daß 
möglichst viele Berliner Arbeit bekommen. Hätten Sie 
diesen Teamgeist in Ihren Senaten gehabt, dann würden 
Sie heute noch regieren, und vieles wäre Berlin erspart 
geblieben. 
[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der AL] 
— Jawohl, erspart geblieben! — Und jetzt klatscht Herr 
Riebschläger, der genau weiß, weshalb er abtreten 
mußte. Das meine ich mit „was Berlin erspart geblieben 
ist“. Da haben Sie zum falschen Zeitpunkt geklatscht. 
[Beifall bei der CDU - 
Pätzold (SPD): Sie können es besser! Sie können 
es doch wirklich besser!] 
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ohne jeden 
Zweifel eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik und Ge 
sellschaft, von Unternehmen und Gewerkschaften. Wir 
fordern alle hier zu solidarischer Mitarbeit auf! Und die 
ser Appell richtet sich ganz ausdrücklich auch an die 
(B) Opposition. Genau heute vor vier Jahren bin ich Senator 
geworden; ich habe in diesen vier Jahren keinen einzigen 
eigenständigen Beitrag der SPD zur Beseitigung oder 
auch nur zur Linderung der Arbeitslosigkeit in Berlin 
gehört. Das ist die Tatsache! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Sie haben vorgeschlagen, die Gewerbesteuer zu erhö 
hen, ohne hinzuzufügen, wieviel Arbeitsplätze Sie da 
durch vernichten. Sie haben vor Weihnachten, weil es auf 
den Wahlkampf zuging, ein bombastisches Programm an 
gekündigt, Sie wollen in fünf Jahren 800 Millionen aus 
geben, um Stadtreparatur durchzuführen und für einige 
andere Aufgaben in fernen Entwicklungsländern — was 
ich ja für richtig halte. Das sind 160 Millionen pro Jahr! 
Für einen normalen Menschen ist das viel Geld, 800 Ar 
beitsplätze können Sie damit maximal schaffen bei über 
80 000 Arbeitslosen! Aber auch diese 800 zusätzlichen 
Arbeitsplätze würde ich gerne mitnehmen, nur, Sie ge 
fährden mit solchen Vorschlägen, die Sie nicht finan 
zieren können, gleichzeitig andere Arbeitsplätze, die 
heute existieren. 
Da war die Rede des Kollegen Hoffmann doch eine 
ganz andere. Er hat ja schon zum Ausdruck gebracht, daß 
Sie keine Vorschläge gemacht haben, aber das, was der 
junge Kollege brachte, wie er hier in diesem Berlin steht, 
das zeigt Hoffnung, das ist Zukunft! Herr Riebschläger, 
lassen Sie sich offen sagen, was Sie hier brachten, war 
Vergangenheit und nichts anderes. 
(Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Und Sie sollten wirklich aufhören mit Ihrer Unterneh 
merbeschimpfung, die Sie in Ihrer Jungfernrede — wenn 
Sie überhaupt noch einmal jungfernhaft sein konnten — 
gebracht haben. Sie sagten dieses schreckliche Wort vom 
„Unternehmerstreik“ — streikt denn der Handwerker, der 
mit seinen Lohnnebenkosten nicht voll zurechtkommen (C) 
kann? — Streikt denn die seit vielen Jahren von Ihnen 
in hohem Maße mitgesteuerte Berliner Bauwirtschaft, 
wenn andere preisgünstiger arbeiten können? — Streiken 
denn die vielen kleinen Selbständigen, die den Schritt 
in die Selbständigkeit gewagt haben? — Wenn das so 
leicht wäre, den Unternehmern einfach Streik vorzuwer 
fen, wenn die Konjunktur nicht besser läuft, dann muß 
ich Sie mal fragen: Was haben Sie denn getan? — Was 
hat denn jeder einzelne von Ihnen getan, um hier in 
Berlin zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen? Im Gegen 
teil! Wenn ein Kollege, der Unternehmer ist, beim Zu 
sammentreffen von parlamentarischem und unternehme 
rischem Arbeiten zusätzliche Schwierigkeiten haben 
könnte, dann tun Sie doch alles, um solche Leute vor 
zuführen. Wir stehen zu Ihrem Kollegen Ristock in sei 
nem unternehmerischen Handeln auch heute und schul 
den ihm unseren Respekt nach wie vor, weil er sich 
angestrengt hat, Zusätzliches in Berlin zu wagen und 
nicht die Unternehmer, die etwas tun, zusätzlich an den 
Pranger zu stellen. 
[Frau Birkelbach (AL): An welcher Stelle sind 
Sie denn jetzt in Ihrer Antwort?] 
— Na, das werden Sie gleich noch besser merken! — 
Destruktives Kritisieren an der Politik des Senats gibt 
keinem einzigen Menschen Lohn und Brot. Entweder ha 
ben Sie Vorschläge, dann müssen Sie die auch konkret 
nennen, die Arbeitsplatzzahlen dazu, auch die Arbeits 
platzverluste, die solche Vorschläge bringen können, oder 
Sie haben keine, Sie erheben nur Forderungen, um Ihr 
parteipolitisches Geschäft zu machen. Dafür ist uns die 
Situation der Arbeitslosen viel zu ernst. Wir fordern Sie 
auf, machbare Alternativen zu bringen oder die Politik 
des Senats zu unterstützen und mitzutragen. Es geht um 
die Menschen in Berlin und nicht um politische Macht, 
und es müßte Ihnen doch leichtfallen, unsere Politik zu 
unterstützen, sie war doch die letzten Jahre erfolgreich. 
[Beifall bei der CDU] 
Gerade Sie, meine Damen und Herren, haben sich doch 
eine viel schlimmere Entwicklung aufgrund Ihrer vielen 
Regierungsjahre vorgestellt. Im Frühjahr 1983 hat das 
DIW eine Prognose für das Jahr 1983 veröffentlicht, wo 
nach allein 1983 die durchschnittliche Arbeitslosigkeit 
100 000 werden würde in Berlin. Nein, wir haben das 
Schlimmste verhindert, wir haben es nicht 100 000 werden 
lassen, sondern die Arbeitslosigkeit auf 80 000 herunter 
gedrückt. Wenn Sie regiert hätten — das zeigt ja die 
Tatsache, daß Sie der DIW-Prognose zugestimmt ha 
ben —, dann wären über 100 000 Berliner heute arbeits 
los. Das wäre doch die Entwicklung geworden. 
Im übrigen müssen wir uns bei allem auch klar darüber 
werden, was wir in einem Bundesland können und was 
wir nicht können. Der nordrhein-westfälische Ministerprä 
sident Rau hat dieser Tage erklärt, es gebe so gut wie 
keine Möglichkeit, Arbeitsmarktpolitik auf Landesebene 
zu machen. Wir sind da anderer Ansicht. Wir haben uns 
diesen Herausforderungen gestellt. Bis Ende Mai 1985 
ging die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl um rund 5 700 
zurück, während sie im Bundesgebiet noch steigt; Sie 
wissen ja, daß früher die Entwicklung immer umgekehrt 
verlief. Bei der Arbeitslosenquote lag Berlin im Frühjahr 
1983 an achter Stelle, inzwischen sind nur die süddeut 
schen Bundesländer bei einer günstigeren Arbeitslosen 
quote. Berlin hatte im Mai 1985 im Vergleich mit den 
Halbmillionenstädten nördlich von Frankfurt die niedrig 
ste Arbeitsiosenquote; in Berlin waren es 9,9 %, in Ham 
burg 12,3%, in Bremen 14,5%, Hannover 12,6%, Düssel-
	        
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