Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
3. Sitzung vom 9. Mai 1985
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Frau Schmid-Petry
(A) Lassen Sie uns das Bezirksverwaltungsgesetz ändern,
[Heiterkeit bei der SPD]
denn das, was uns heute geboten wird in den Bezirken,
kann man doch nur als Politposse bezeichnen.
[Beifall bei der F.D.P. und der AL]
Es ist eine Super-Zwangskoalition zwischen CDU, SPD
und AL. Das kann doch gar nicht funktionieren!
[Beifall bei der F.D.P. und der AL]
Da sind Sie gut beraten, wenn Sie einen alten liberalen
Vorschlag aufgreifen, das Gesetz zu ändern. Und wenn
wir ändern, dann machen wir es richtig! Dann wollen
wir auch mal darüber diskutieren, ob es nicht gut ist und
für die Bürger die Bedeutung der Bezirke einfach trans
parenter wird, wenn wir die Wahl zeitlich von der Wahl
zum Abgeordnetenhaus abheben!
[Beifall bei der F.D.P., der SPD und der AL]
Präsident Rebsch: Frau Kollegin Schmid-Petry, gestat
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pätzold?
Frau Schmid-Petry (F.D.P.): Geht das von meiner Zeit
ab?
Präsident Rebsch: Das geht von Ihrer Zeit ab.
Frau Schmid-Petry (F.D.P.): Herr Pätzold, machen Sie
(B) es kurz; ich habe nicht mehr so viel Zeit.
Pätzold (SPD); Verehrte Kollegin, ist Ihnen bewußt,
daß die Vorschläge, die Sie gerade ansprechen, von der
SPD in der Enquete-Kommission zur Verwaltungsreform
unterbreitet worden sind, dann aber entgegen ursprüng
lich mitwirkenden F.D.P.-Kollegen nachher von den offi
ziellen Vertretern, Herrn Baetge und Herrn Rasch, leider
abgelehnt worden sind?
Frau Schmid-Petry (F.D.P.): Sehen Sie, Herr Pätzold,
das ist Ihr Fehler, daß Sie zu spät reagiert haben auf die
guten Vorschläge, die wir in gemeinsamer Koalition ge
macht haben.
[Beifall bei der F.D.P.]
Ich werde Ihnen nachher da noch einige Beispiele nen
nen. — Ich sage jedenfalls, Berlin kann nicht funktio
nieren, wenn die Bezirke nicht funktionieren, und des
wegen sind wir zum Handeln aufgefordert.
[Beifall bei der F.D.P.]
In dem Regierungsprogramm finden Sie vielfältig die
liberale Handschrift wieder. Ich mache das unter ande
rem deutlich an der Frauenpolitik. Die AL hat als ein
zige — dankenswerterweise — begrüßt, daß wir in die
Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben die Prü
fung der Möglichkeit eines Antidiskriminierungsgesetzes
auf Landesebene, falls die Bundesregierung dort mit der
Regelung nicht rüberkommt.
[Beifall bei der F.D.P.]
Die Gestaltung und die Modalitäten des Gesetzes müs
sen noch ausdiskutiert werden, und ich lade alle Frak
tionen ein, hier mitzuhelfen. Nur eines kann ich Ihnen (C)
versprechen: Wir werden darauf hinwirken, daß dieses
Gesetz auch Biß kriegt. Wir sind nicht damit zufrieden
zusteifen, daß wir einen moralisch erhobenen, gesetzlich
verankerten Zeigefinger vorzeigen, sondern wir müssen
auch mit diesem Gesetz zubeißen können.
[Beifall bei der F.D.P.]
Eine zweite Idee, die wir Liberalen anregen: Die Be
nachteiligung der Frauen in der Gesellschaft hat viel
fältige Ursachen, die weit in die Religion und die Ge
schichte hineinreichen. Wir sind der Meinung, daß die
Ursachen untersucht werden sollten, die Auswirkungen
müssen untersucht werden, und wir müssen auch gemein
sam die Möglichkeiten der Überwindung erforschen. Wir
regen also an, die Frauenforschung mit zusätzlichen Mit
teln auszustatten.
[Beifall bei aer F.D.P.]
Wir waren in Berlin damals sehr stolz, daß wir als erstes
Land ein Frauenhaus installiert haben. Sie wissen alle,
mittlerweile haben wir zwei, ^
[Frau Korthaase (SPD): Drei!]
und ich fand es damals außerordentlich bemerkenswert,
daß alle drei Fraktionen mitgeholfen haben, das zweite
Frauenhaus einzurichten. Ich appelliere heute von dieser
Stelle aus an alle Fraktionen; Helfen Sie mit, daß die
notwendige Renovierung der Frauenhäuser bald in An
griff genommen wird!
[Beifall bei der F.D.P.] ^
Wir regen an, ein Nachbetreuungsprogramm für Frauen,
die aus den Frauenhäusern eine eigenständige Existenz
anstreben, zu installieren, und das ist das, was wir wol
len, daß die Frauen nicht jahrelang in den Frauenhäu
sern sind, sondern daß sie dann wieder allein zurecht
kommen.
Wir sind dankbar, daß heute angesprochen worden ist
die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Dazu gehört na
türlich auch die Verlängerung der Ladenschlußzeiten —
auch ein sehr langes liberales Thema.
[Beifall bei der F.D.P.]
Wissen Sie, ich frage mich nach wie vor, ob es gut ist,
wenn ein Gewerkschaftsvertreter — nämlich Herr Wag
ner —, der eigentlich ein bißchen empfindlich sein sollte,
was eine gewisse Inkompatibilität betrifft, hier eine der
artig reine Gewerkschaftsrede hält.
[Beifall bei der F.D.P.]
Ich weiß nicht, ob er sich damit einen Gefallen tut.
Die Flexibilisierung der Ladenschlußzeiten hilft den be
rufstätigen Frauen allein schon wegen ihrer zeitlichen Be
lastung; und wenn beklagt wird, daß die City dabei zu
gut wegkommt, dann — schlage ich vor — sollten wir
einen generellen Modellversuch in ganz Berlin starten,
dann kämen die Bezirke auch nicht zu kurz.
[Beifall bei der F.D.P.]
Der Senat hat begonnen, Wiedereingliederungskurse
für Frauen einzuführen; das begrüßen wir sehr. Lassen
Sie mich nur einen Aspekt ansprechen, der Liberalen am