Abgeordnetenhaus von Berlin - 10. Wahlperiode
17. Sitzung vom 6. Dezember 1985
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Dr. Niklas
(A) intern Informationen hatte überdas, was sich da beim geplanten
Erdgasspeicher tut, und er trotzdem Feste gefeiert hat und sich
sagte: Schieben wir das erst mal ein bißchen hinaus. - Ich stelle
mal die Frage; denn wenn wir als sozialdemokratische Fraktion
schon die eine oder andere Information hatten, dann würde ich
doch denken, daß der zuständige Senator und der Regierende
Bürgermeister entsprechende Informationen auch hatten. Wenn
es nicht so wäre, wäre es schlimm. Und deswegen müssen wir
- wenn wir prüfen, wie es denn da nun weitergehen soll mit dem
Erdgas, das wir bekommen, das wir aber tapfer in Stadtgas auf
spalten, was ja nun wirklich ein Unding ist - uns fragen, ist denn
eigentlich die Überlegung auch für den Anfang so ganz richtig,
die längerfristig sicher völlig sinnvoll ist, daß man nämlich zur
Sicherung des Bedarfs einen großen Speicher sich schafft und
sagt, wir brauchen wenigstens für einen Jahresverbrauch eine
Sicherheitsreserve: weil man gewappnet sein will, falls die
Sowjetunion einmal ihre Lieferverpflichtungen nicht erfüllt -
dieses Vorsichtsmotiv ist gerechtfertigt, damit wir, meine Damen
und Herren von der CDU, auch wissen, worüber wir uns unter
halten. Es ist die Frage, ob bei den sich jetzt ergebenden Kon
stellationen wir nicht doch gemeinsam darüber nachdenken soll
ten, ob wir nicht für eine Übergangszeit eine gewisse Unsicher
heit an dieser Stelle tolerieren können. Das müßte man mal
durchrechnen, ob man das machen kann und ob wir nicht doch,
während der Erdgasspeicher erst noch richtig hergestellt
werden muß, parallel dazu schon mit der direkten Verwendung
des Erdgases in den Haushalten beginnen.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch etwas zu dem Punkt
Eigenbetriebspolitik, Eigenbetriebe sagen - ich habe leider nur
noch zwei Minuten zur Verfügung: Was uns überrascht, ist, daß
Sie, die Sie immer so das wirtschaftliche Unternehmertum hoch-
halten - und ich finde, an vielen Stellen auch zu Recht -, bei den
Eigenbetrieben im Grunde nicht bereit sind, den Geschäftslei
tungen entsprechend dieser Grundeinstellung mehr Handlungs
spielraum für Ihre Initiativen einzuräumen. Ich nenne nur zwei
Stichworte: Gasag - Serviceangebote im Wärmemarkt, BSR -
(B) Recyclingbereich. Warum sollten wir denn nicht überlegen, ob
nicht die BSR auch unbegrenzt und uneingeschränkt nach
freiem Ermessen Müll getrennt einsammeln und recyclen darf?
Die Preise richteten sich dann ausschließlich nach den Kosten
und würden selbständig von der BSR-Geschäftsleitung gestal
tet. Das ist doch, so meine ich, eine Überlegung, der man näher
treten könnte. Ich finde, daß wir gemeinsam im Parlament - und
wir werden als SPD-Fraktion im Frühjahr entsprechende parla
mentarische Initiativen ergreifen - überlegen sollten, wie man
den Eigenbetrieben einen größeren Handlungsspielraum für
unternehmerische Initiativen geben kann. Es wäre sehr zu begrü
ßen, wenn uns das gemeinsam gelänge - denn selbstverständ
lich gibt es da gewichtige Probleme, die am besten mit einer
breiten parlamentarischen Mehrheit gelöst werden sollten; ich
denke da nur an die Landeshaushaltsordnung, sicher werden
wieder einmal viele Juristen kommen und sagen, dies und das,
das ginge ja alles aus rechtlichen Gründen nicht, das muß dann
sorgfältig geprüft werden. Aber auf Dauer sind wir schon der
Meinung, daß der, der der Stadt wohl will, auch den Eigenbetrie
ben stärker als bisher einen Handlungsspielraum für unterneh
merische Initiativen einräumen muß. - Schönen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
[Beifall bei der SPD]
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Abgeordnete Giesel.
Giesel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
steile fest: Die Neugliederung dieser Verwaltung für Verkehr und
Betriebe hat sich bewährt. Das heißt, die weitgehende Konzen
tration der Zuständigkeiten im Bereich der Verkehrspolitik zu
sammen mit der Zuständigkeit für die Betriebe des Landes Berlin
- wie wir sie ja auch in führeren Jahren schon einmal hatten - ist
günstig, und deshalb können wir unbesorgt in die Zukunft
schauen.
Lassen Sie mich zur Verkehrspolitik einige Bemerkungen
machen. Verkehrspolitik hat in Berlin zwei Dimensionen, den Ver
kehr von und nach Berlin und den innerstädtischen Verkehr.
Beim Verkehr von und nach Berlin ist teils Positives zu bemer- (C)
ken, teils müssen wir Erwartungen äußern. Beispielsweise haben
wir durch den vor einigen Monaten vereinbarten Neubau eines
Teilstücks der Autobahn nach Süden einen weiteren Fortschritt
erzielen können. Das dürfte dann aber für die nächste Zukunft
die letzte große Investition auf diesem Sektor sein. Übngens
waren die Bedingungen dieses Vertragsabschlusses weitaus
besser als das, was frühere Senate oder frühere Bundesregie
rungen erreicht haben.
Wir werden aber auch neue Aufgaben anpacken müssen. Für
den Schiffsverkehr muß die Situation in Berlin durch den Neubau
einer Schleusenkammer in Spandau verbessert werden. Mittel
oder langfristig wird man auch darüber zu reden haben, ob und
wann die Hochbrücke über die Elbe bei Magdeburg gebaut wird.
Der Flugverkehr entwickelt sich ebenfalls positiv: Neue Linien
sind aufgenommen worden. Und ich möchte an dieser Stelle,
meine Damen und Herren, eine ausdrückliche Ermunterung an
die Fluggesellschaften richten, neue, attraktive Angebote zu
machen. Ich sage dabei aber: nötigenfalls ohne Subventionie
rung. Auch das muß möglich sein, und wenn die Pan American
unter solchen Bedingungen den Mondscheintarif einführt,
würden wir das sehr begrüßen.
[Beifall bei der CDU]
Besonderer Nachdruck aber muß beim Fernverkehr in der Zu
kunft - und das ist Zielsetzung des Senats und meiner Fraktion -
auf den Bereich des Schienenverkehrs gelegt werden. Wir müs
sen erhebliche Verbesserungen erreichen! Berlin muß, und zwar
im Sinne des Aus- und Neubauprogramms der Deutschen Bun
desbahn für die 90er Jahre, an den Schnellbahnverkehr der übri
gen Bundesrepublik angebunden werden. Das bedeutet dann
besseren Komfort, höhere Angebotshäufigkeit, höhere Reise
geschwindigkeit. Diese Verbesserungen sind notwendig, um
Berlin nicht auf die Dauer eisenbahnmäßige Provinz bleiben zu
lassen. Dabei hat sicher die Strecke Berlin-Hannover - ich lasse
die Trassenfrage bewußt offen - Vorrang.
[Klinski (AL): Warum denn?]
Es besteht allerdings auch Bedarf für Verbesserungen auf den
anderen Strecken. Wir sind froh, daß der Senat die Beratungen
mit der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbahn auf
genommen hat. Wir hoffen hier auf baldige konkrete Vorschläge.
Ein Wort zum innerstädtischen Verkehr. Zum Stichwort Straße
will ich nur sagen: Wir werden das Netz der überörtlichen Ver
kehrsstraßen noch ergänzen müssen. Das halten wir für notwen
dig. Wir werden aber den Hauptteil der Investitionen mit Sicher
heit der qualitativen Verbesserung des Straßennetzes zuwenden
müssen - einschließlich Maßnahmen einer sinnvollen Verkehrs
beruhigung.
[Klinski (AL): Also keine!]
Die Frage der Busspuren, Kollege Dr. Niklas, ist sehr umstrit
ten. Jüngere Forschungsergebnisse stellen den Sinn und den
Wert der Busspuren sehr in Frage, So apodiktisch, wie Sie das
gesagt haben, können wir Ihre Forderung nicht akzeptieren.
Aber: Wesentlich, vielleicht sogar wichtiger neben dem allge
meinen Straßenverkehr
[Dr. Meisner (SPD): Sprechen Sie jetzt für den ADAC?]
- ich spreche doch für die Fraktionl -, ist der öffentliche Perso
nennahverkehr. Da muß ich nun allerdings, Herr Kollege
Dr. Niklas, feststellen, daß ich Sie nicht ganz verstanden habe.
Berlin hat heute schon unter den Großstädten der Bundesrepu
blik Deutschland das dichteste Angebot im öffentlichen Perso
nennahverkehr, die mit Abstand höchste Zahl der Sitzplatzkilo
meter.
[Stach (SPD): Da hat Ihr Senator vor kurzem aber
etwas ganz anderes gesagt!]
Nun ist das Problem, daß diesem großen Angebot eine immer
mehr sinkende Nachfrage gegenübersteht. Was Sie da als fiska
lisches Konzept gepriesen haben, das will uns gar nicht so ein
leuchtend erscheinen. Wir werden uns darüber zu unterhalten
haben. Wir müssen feststellen - das haben Sie auch getan -,