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Volume Nr. 82, 7. Dezember 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
82. Sitzung vom 7. Dezember 1984 
Dr. Dittberner 
(A) Entwicklung hier in Berlin ergeben hätte, die es einfach 
leichter machte, hier eine Zäsur zu setzen und die Anfor 
derungen der Zeit stärker zu berücksichtigen. 
Es ist ja gar keine Frage, daß die Probleme in den 70er 
Jahren und zu Beginn der 80er Jahre vorhanden gewesen 
sind: in zunehmendem Maße weniger Wohnraummangel, 
in zunehmendem Maße mehr Leerstand, mehr Probleme 
mit den beabsichtigten Abrissen und den damit verbun 
denen Häuserbesetzungen. Es ist gar keine Frage, daß 
diese Probleme vorhanden gewesen sind, auch bei der 
Finanzierung der Wohnungsprogramme und insbesondere 
beim Auseinanderentwickeln im Wohnungsmarkt. Das ist 
die Situation, die wir zu Beginn der 80er Jahre und, was 
den Wohnungsmarkt angeht, heute immer noch haben. 
Ich kann es nicht verstehen, wie Herr Nagel insbeson 
dere, aber auch andere dafür kämpfen, daß die derzeitige 
Situation auf dem Wohnungsmarkt sozusagen erhalten 
bleiben soll. Die derzeitige Situation ist doch ganz offen 
sichtlich ungerecht. Wir haben ungefähr 500 000 Wohn 
einheiten im Altbaubereich, dabei haben wir aber etwa 
110 000 Wohneinheiten, von denen wir sagen müssen, 
hier ist eine „Fehlbelegung nach unten“ gegeben. Das 
kann doch auch nicht im Interesse der Sozialdemokrati 
schen Partei sein oder irgendwelcher anderer Leute, daß 
man das in die Zukunft hinein perpetuiert, bis in alle 
Ewigkeit. Das Rezept, das hier im Grunde nur helfen 
kann, ist, daß man die Wohnungsmärkte — sozialer Woh 
nungsbau, freifinanzierter —, die wir im wesentlichen 
haben, gegenseitig öffnet, damit dieser Fehlbelegung im 
Altbau nach unten und der Fehlbelegung im sozialen 
Wohnungsbau nach oben, die wir zweifellos auch haben, 
durch die privaten Entscheidungen der Mieter und der 
Vermieter tatsächlich eine gerechtere Verteilung des an 
und für sich ja vorhandenen Wohnraums folgt. 
Präsident Rebsch: Sie gestatten eine Zwischenfrage 
des Abgeordneten Nagel? — Bitte sehr, Herr Nagel! 
Nagel (SPD): Herr Dr. Dittberner! Meinen Sie denn, 
daß wegen dieser 100 000, die zu preiswert wohnen, die 
anderen 400 000 in dieser Art und Weise bestraft werden 
sollen, so daß tatsächlich das eintritt, was Sie eben 
sagen, nämlich eine allgemeine Anpassung der Preise 
nach oben? Meinen Sie, daß dieses gerecht ist? 
Dr. Dittberner (F.D.P.): Herr Nagel, wir haben über die 
ses Thema ja schon des öfteren gesprochen. In einer 
Situation, wo wir an und für sich mehr Wohnraum haben 
— das ist ja hier schon mehrfach gesagt worden — 
[Nagel (SPD); Mehr teure, nur teure!] 
als in allen anderen westdeutschen Städten und auch 
nach den Berechnungen, die wir vornehmen, genügend 
und ausreichend Wohnraum haben, wird beim freien Woh 
nungsmarkt natürlich die Lage eintreten, daß diejenigen, 
die als Vermieter ihre Substanz und die Qualität ihrer 
Wohnungen erhalten, dafür auch eine angemessene Miete 
bekommen können; und die Vermieter werden in dieser 
Marktsituation in einem stärkeren Maß als jetzt gezwun 
gen und veranlaßt sein, ihre Wohnungen attraktiv und 
den Interessen der Bürger entsprechend auszugestalten. 
Das ist genau das, was wir langfristig meinen und was 
tatsächlich eine Verbesserung herbeiführen muß. 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] 
Dabei dürfen Sie uns nicht unterstellen, Herr Nagel — und 
das unterschlagen Sie ja immer in Ihren Diskussionen —, 
daß wir sozusagen in einer Art von Manchester-Libera 
lismus hier einfach den Wohnungsmarkt, den Markt auf (C) 
dem Gebiet der Wohnungen, obwalten lassen wollten. 
Wir wissen genau wie Sie — was Sie zu Anfang gesagt 
haben —, daß die Wohnung ein Grundgut für das Leben 
in unserer Gesellschaft ist. Dem entspricht ja auch, daß 
soziale Ausgleiche und soziale Absicherungen vorgenom 
men worden sind, wie sie zum Beispiel jetzt auch hier 
vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden sind mit den 
Konzepten: Fehlbelegungsabgabe nach oben und Aus 
gleichszahlungen nach unten. Das ist genau der Weg, den 
man gehen muß. Den Menschen, die diese Situation im 
Wohnbereich materiell als Mieter von sich aus nicht tra 
gen können, muß natürlich ein Ausgleich gegeben werden 
als — wenn Sie so wollen — „Hilfe zur Selbsthilfe“. 
Ich wollte mit meiner Eingangsbemerkung nur darauf 
hinweisen, daß es nicht sinnvoll ist, über die Wohnungs 
politik und über die Baupolitik der Vergangenheit zu dis 
kutieren; denn die fanden nämlich seinerzeit alle — wie 
ich das sehe — richtig. Das war damals auch notwendig, 
und deshalb sollte man nicht immer auf die 50er Jahre 
schimpfen, sondern man sollte viel eher über die Punkte 
streiten, die heute anstehen. 
[Beifall des Abg. Nagel (SPD)] 
Ich sehe es so, daß Ihre Konzepte darin bestehen, daß 
Sie sagen: staatliche Programme, Obergrenzen, Richt 
linien, staatliche Aufsicht über alles, was mit Wohnen und 
Bauen zu tun hat. — Wir sagen demgegenüber: private 
Initiative auf Mieter- und Vermieterseite mit einer sozia 
len Komponente. — Wir von der F.D.P.-Fraktion sind der 
Auffassung, daß die letztere Richtung diejenige ist, die 
auch in viel stärkerem Maß den Interessen der einzelnen 
Mieter in der Stadt entspricht. 
(D) 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] 
Ober das Thema der Mietsituation ist ja hier schon des 
öfteren gesprochen worden. Ich möchte dazu noch auf 
einen weiteren Punkt hinweisen — auch in Erwiderung auf 
das, was Herr Nagel gesagt hat —: Diese ganzen Moder- 
nisierungs- und Instandsetzungsrichtlinien sind nach 
unserer Auffassung eigentlich auch nur so etwas wie 
Obergangslösungen, die helfen sollen zu reparieren, was 
wir im Augenblick aufgrund der schwierigen und in Teil 
märkte aufgeteilten Wohnungssituation in der Stadt 
haben. Viel besser wäre es natürlich, wenn wir zu einer 
Regelung kommen würden — das ist aber im wesentlichen 
Aufgabe des Bundesgesetzgebers —, die mit dem Stich 
wort des „Wohngeldes“ zu umschreiben ist. 
[Nagel (SPD): Ja, das könnte Ihnen so passen!] 
Hier würde dann tatsächlich für jeden einzelnen die Mög 
lichkeit gegeben sein, seine Wohnung auch mit Hilfe die 
ser Maßnahme so instandzusetzen, wie es seinen persön 
lichen Bedürfnissen und — wenn Sie so wollen — auch 
seinem Geschmack entspricht. 
Ein weiterer Punkt:'Herr Kollege Wachsmuth hat darauf 
hingewiesen, daß das Abgeordnetenhaus noch darüber 
entscheiden sollte, ob der Beschluß des Bundestages, den 
Bereich des Altbau-Wohnens von der Mietpreisbindung 
ab 1990 zu entbinden, aufgehoben werden soll. Ich finde 
das schon interessant; es ist ja nicht das erste Mal, daß 
am Ende einer Legislaturperiode hier im Abgeordneten 
haus derartige Diskussionen aufkommen. Ich bin nur der 
Auffassung: Während es in der Vergangenheit notwendig 
war, in Bonn in dieser Richtung initiativ zu werden, ist es 
im Augenblick eben nicht notwendig, weil wir mit der vor 
handenen Substanz, mit dem vorhandenen Wohnraum in 
unserer Stadt jetzt tatsächlich eigene, andere Wege 
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