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Volume Nr. 82, 7. Dezember 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
82. Sitzung vom 7. Dezember 1984 
Nagel 
(A) jedenfalls nicht das, was die CDU jetzt auf ihren Flug 
blättern zum Thema „Wohnen“ verkündet. Was man mit 
dem Namen Franke gerade auch im Wahlkampf verbin 
det, ist ja zunächst einmal das intensive — ich hätte bei 
nahe ein etwas abwegiges Wort gebraucht —, das innige 
Verhältnis zur Wohnungsspekulation in dieser Stadt oder, 
konkreter gesagt, das innige Verhältnis zu einigen weni 
gen Wohnungsspekulanten. 
[Beifall bei der SPD] 
Man verbindet mit Herrn Franke 
[Hapel (CDU); Neue Heimat! Neue Heimat!] 
— Also, was Sie brauchen, ist eine neue Heimat, die 
jedenfalls außerhalb des Parlaments liegt! 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man verbin 
det mit dem Namen Franke den Umwandlungsrekord, den 
Mietsteigerungsrekord im Altbau; man verbindet mit dem 
Namen Franke Betrug an den Mietern in Kreuzberg, in 
Wedding, in Tiergarten, wo es darum geht, zuverlässig 
die Programme zu erfüllen, die man versprochen hat; und 
man verbindet mit dem Namen Franke, daß dieser Sena 
tor sich zwar feiern läßt für eine Internationale Bauaus 
stellung, daß dieser Senator aber zugleich keine Chance 
ausläßt, um der IBA in Kreuzberg Steine und noch einmal 
Steine in den Weg zu legen. Man verbindet mit dem 
Namen Franke — und da spreche ich Sie an, weil Sie, 
Herr Dr. Mahlo, zu den wenigen gehören, die von diesem 
Thema in der CDU etwas verstehen — eine Bauordnung, 
die eine trockene Materie ist, die aber für die Qualität 
des Bauens einen Rückfall in das 19. Jahrhundert dar 
stellt. Man verbindet mit dem Namen Franke — und das 
(B) ist sehr aktuell — ein Chaos sondergleichen bei der Fehl 
belegungsabgabe, von der Kongreßhalle, dem Kultur 
forum und der Schlangenbader Straße ganz zu schweigen. 
[Dr. Mahlo (CDU): Haben S i e doch gebaut!] 
Da ist hier ein Skandälchen, da ist dort ein gebrochenes 
Versprechen, da ist an der dritten Stelle eine Irreführung 
der Öffentlichkeit. Es irritiert Sie doch zutiefst, meine 
Damen und Herren von der CDU-Fraktion, daß Ihre Maß 
nahmen in der Wohnungspolitik nicht das bewirken, was 
Sie sich davon versprochen haben. Man glaubt Ihnen 
nicht, weil Sie übertreiben, und Sie sollten vielleicht ein 
mal überlegen, ob Sie Ihren PR-Berater nicht entlassen 
sollten, wenn Sie hier Zahlen in die Gegend pusten: 
160 000 Wohnungen erneuert, 2% Altbaumietenerhöhung, 
man glaubt Ihnen nicht, wenn man gleichzeitig auf der 
anderen Seite die Fakten sieht; man ist mißtrauisch Ihnen 
gegenüber, und dieses Mißtrauen wird auch durch die 
Übertreibung geschürt, die Sie täglich im Politikbereich 
an den Tag legen. 
vor eine zentrale Frage in dieser Stadt sein würde. Wenn (C) 
Sie sich heute hinstellen und sagen: Die ist gelöst, dann 
wird das Mißtrauen in der Bevölkerung nur noch anhalten. 
Man nimmt Ihnen dies nicht ab. Und in der Tat, meine 
Damen und Herren, es ist so: Die Wohnungs- und Mie 
tenfrage wird in dieser Stadt ein Problem bleiben, nicht 
aus Versorgungsgründen, sondern sie wird in dieser 
Stadt ein Problem bleiben, weil sich die Strukturen der 
Bevölkerung, der Einkommen in einem ständigen Wan 
del befinden und wir sehr flexibel auf diese Anforderun 
gen reagieren müssen. Wenn man dann verkündet, das 
Problem sei gelöst, dann kommt das draußen nicht an, es 
kommt draußen nicht herüber, und es wird nicht verstan 
den, weil die Realität eben doch anders aussieht. Wir, 
meine Damen und Herren, haben einen grundsätzlich 
anderen Ansatz von Wohnungsbaupolitik, der sich nicht 
nur in Nuancen und in Teilen von dem Ihren unter 
scheidet, sondern sozusagen von einem ganz anderen 
Grundverständnis von Wohnen ausgeht. 
Wohnen ist zunächst mal eine ganz private Angelegen 
heit jedes einzelnen wie in keinem anderen Feld, und 
wenn man diejenigen nimmt, die nicht mehr im Berufs 
leben stehen, dann ist das vielleicht das einzige Feld. 
Wohnen ist jedenfalls ein Bereich, in dem sich Lebens 
stil, Selbsterfüllung, Gestaltung des Lebens so vollzieht, 
wie die Menschen sich das wünschen. Dazu braucht man 
nicht die Praxis anzuführen, um dies zu belegen, die Pra 
xis der Selbsthilfemaßnahmen, das wachsende Interesse 
an Selbsthilfe, das wachsende Interesse an Mietermoder 
nisierung. Wenn Sie in die Berliner Wohnungen hinein 
gehen, auch in den Gebieten, in denen Häuser von ihren 
Eigentümern vernachlässigt wurden, dann werden Sie 
immer wieder feststellen, daß jeder Mieter in der Lage 
und bereit ist, aus seiner Wohnung ein Schmuckkästchen 
zu machen. Und ich möchte nicht wissen, wieviele Hun- ^ 
derttausende von Mietern in dieser Stadt in ihrer Woh 
nung mehr tun, als ihnen der Mietvertrag auferlegt und 
als ihnen die gesetzlichen Verpflichtungen aus ihrem Ver 
trag abfordern; oftmals im Gegensatz zu denen, die auf 
der anderen Seite, auf der Eigentümerseite stehen. 
[Rasch (F.D.P.); Na und?! — Beifall bei der SPD] 
Und weil Wohnen ein Grundbedürfnis ist, hat die öf 
fentliche Hand die Grundlagen für diese Selbstverwirk- 
iichung zur Verfügung zu stellen. Sie hat darüber hinaus 
allerdings in Zeiten besonderer Not Vorsorge zu treffen, 
daß die Leute ein Dach über dem Kopf haben. Und da 
sage ich im Hinblick auf die Kollegen Dr. Lehmann- 
Brauns und Dr. Mahlo; Wir haben keine Probleme damit, 
heute kritisch zu sagen, was in bestimmten Bereichen in 
der Vergangenheit städtebaulich fragwürdig gewesen ist, 
aber wir haben unsere Pflicht erfüllt und bis 1969 den 
Vorkriegsstand von 979 000 Wohnungen wieder herge 
stellt, und das war für die Berliner in der Nachkriegszeit 
erst einmal das allererste und wichtigste. 
[nuy. i\ioiuvr\ (ui l 
meldet sich zu einer Zwischenfrage.] [Beifall bei der SPD] 
Ihre Wohnungsbaupolitik ist ein Abfallprodukt unserer 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Abgeordneter Wirtschaftsordnung und ein Abfallprodukt Ihrer Wirt- 
Nagel, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Schaftspolitik und nicht etwa im Grundsatz ein sozialpoli 
tisches Anliegen. 
Nagel (SPD): Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, 
auch nicht von Herrn Ristock. [Beifall bei der SPD] 
[Gelächter] | n ihrer Wohnungsbaupolitik hat die öffentliche Hand 
die Funktion einer Reparaturstelle, die immer dann ein- 
Als Herr Diepgen mit Frau Laurien um die Kandidatur springen muß, wenn die privaten Mechanismen nicht funk 
gestritten hat, da hat er sehr instinktiv und sehr sicher tionieren und wenn diejenigen, die über Grund und 
gespürt, daß die Wohnungs- und Mietenfrage nach wie Boden verfügen, über die Stränge schlagen. Ihre Mieten- 
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