Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
82.Sitzung vom /.Dezember 1984
A) Stellv. Präsidentin Wiechatzek eröffnet die Sitzung um
12.01 Uhr.
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Meine Damen und Her
ren! Ich eröffne die 82. Sitzung des Abgeordnetenhauses
von Berlin und bekunde unseren unbeugsamen Willen,
daß die Mauer fallen und daß Deutschland mit seiner
Hauptstadt Berlin in Frieden und Freiheit wiedervereinigt
werden muß.
Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, begrüße ich
als Gäste bei uns das Präsidium des Niedersächsischen
Landtags recht herzlich.
[Beifall — Buh-Rufe bei der AL — Kunzeimann (AL):
Lassen Sie die Rotation der Grünen zu! — Unruhe]
Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Sie werden,
wenn Sie ein wenig bei uns bleiben, sich an die Zwischen
rufe des Abgeordneten Kunzeimann noch gewöhnen. Er
meint es im Prinzip nicht so, wie er es formuliert.
[Heiterkeit]
Wir kommen zur Fortsetzung der Einzelberatung des
Etats.
Ich rufe auf
Einzelplan 09 — Arbeit und Betriebe —
und
(B) Anlage 3
— Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe —
hierzu:
1. Betraglfche Änderungen des Hauptausschusses
nach Drucksache 9/2303
2. Sachbeschlüsse des Hauptausschusses
nach Drucksache 9/2302, Nrn. 17, 30 und 31
Gibt es Wortmeldungen? — Abgeordneter Staffelt!
Staffelt (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren!
[Unruhe]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Die Unruhe ist, weil Sie
Herr Präsident gesagt haben!
Staffelt (SPD): Oh! Frau Präsidentin! Ich bitte vielmals
um Entschuldigung. — Frau Präsidentin! Meine sehr ver
ehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Frak
tion sieht sich nicht in der Lage, das hervorragende Bild,
das Herr Senator Wronski bezüglich der Eigenbetriebe
des Landes Berlins zeichnet, zu teilen. Die Wahrheit be
züglich der Eigenbetriebe liegt, leider Gottes, in anderen
Schwerpunkten, nämlich erstens in einer den Eigenbetrie
ben aufgezwungenen Privatisierungsdebatte, zum zweiten
in einer für die Zukunft sicherlich äußerst schwierigen
Kosten- und Tarifrechnung des Senats und zum dritten in
der Weigerung des Senats, den Eigenbetrieben des Lan
des Berlin eine vernünftige Erweiterung ihrer Aufgaben
zuzugestehen.
Lassen Sie mich mit dem ersten Punkt, nämlich der Pri
vatisierung, beginnen. In der Haushaltsdebatte des letzten
Jahres habe ich von dieser Stelle Herrn Landowsky dar
auf aufmerksam gemacht, daß seine Fraktion es offen- (C)
sichtlich nicht so ernst meinen kann mit der Aussage, die
Sie, Herr Landowsky, zusammen mit dem jetzigen Regie
renden Bürgermeister von Berlin, Herrn Diepgen, gegen
über den Mitarbeitern der Eigenbetriebe gemacht haben,
und ich darf das hier einmal zitieren. In diesem Brief hieß
es, daß die CDU eine Privatisierung der Eigenbetriebe
nicht anstrebt und die paritätische Mitbestimmung nicht
zur Diskussion stellt. Das ganze Gegenteil, Herr Lan
dowsky und Herr Diepgen, ist in der Zwischenzeit ge
schehen.
Punkt 1: Wir haben vor wenigen Wochen die Ausglie
derung des Vieh- und Schiachthofes aus dem Eigenbe
triebsgesetz durch CDU und F.D.P. beschlossen. Wir
haben eine Koalition, die angekündigt hat, die Rechts
form der KPM zu verändern, und wir haben zum dritten
eine Koalition, die dabei ist, die BEHALA ebenfalls in die
Privatisierungsdebatte aufzunehmen. Wir haben Bestre
bungen, zum Beispiel bei dem Eigenbetrieb Berliner
Stadtreinigungs-Betriebe, die darauf hinauslaufen, daß be
stimmte Funktionen diesem Betrieb entzogen beziehungs
weise gar nicht erst gegeben werden und damit eine
schleichende interne Privatisierung vorgenommen wird.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU
und von der F.D.P.; Das, was Sie hier praktizieren, ist ein
Wortbruch gegenüber den Arbeitnehmern der Eigen
betriebe,
[Beifall bei der SPD]
Wenn ich allein an die Debatte um die BEHALA denke,
wo Sie der Eingliederung der Städtischen Brennstoffver
sorgung zustimmen, um dann im Anschluß an die Debatte
im Hauptausschuß klammheimlich über die F.D.P. einen
Auflagenbeschluß herbeizuführen mit dem Ziel, zu prüfen, (D)
ob denn überhaupt die Stellung der SBV im Lande Berlin
laut Brennstoffanordnung erhalten bleiben kann, hat das
die Konsequenz, daß Sie einen gut funktionierenden
Eigenbetrieb, nämlich die BEHALA, wirtschaftlich kaputt
machen. Wer eine solche unverantwortliche Politik be
treibt — Herr Landowsky, Sie als Vertreter der Mehrheits
fraktion müßten das dann dem kleinen Koalitionspartner ein
für allemal deutlich machen —, wer so etwas tut, der macht
nach meinem Dafürhalten den großen Fehler, zu glauben,
daß Arbeitnehmer in dieser Stadt nicht merken könnten,
wohin der Hase läuft. Vielleicht ist die Privatisierung des
Vieh- und Schlachthofes auch der Versuch des Herrn Kol
legen Rasch — lassen Sie mich das so klar sagen —, falls
er nicht mehr in das Parlament kommt, sich wieder einen
Arbeitsplatz bei der Firma Krumke oder bei einem pri
vatisierten Vieh- und Schlachthof zu besorgen. Das nennt
man schlicht „einkaufen“.
[Beifall bei der AL — Landowsky (CDU):
Da klatschen noch nicht mal Ihre Leute!]
— Wissen Sie, Herr Landowsky,
[Unruhe — Zuruf des Abg. Landowsky (CDU)]
— Können Sie mir das von der Redezeit abziehen? Ich
pflege eigentlich nicht mit Herrn Landowsky in dieser
Frage zu diskutieren.
[Zuruf von der CDU: Nicht so überheblich,
Herr Staffelt!]
Sie haben sich auf alle Fälle der Tatsache zu stellen, daß
es keinerlei Übereinstimmung von Reden und Handeln
gibt. Man kann den Arbeitnehmern der Eigenbetriebe und
des öffentlichen Dienstes in dieser Stadt nur zurufen: Wer
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