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Volume Nr. 80, 5. Dezember 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984 
Sehr 
(A) nutzen würde, um einen Oktroi auszusprechen. Ich habe 
immer gezögert zu glauben, daß so billig vorgegangen würde. 
Jetzt hat sich vor zwei Tagen gezeigt: Es wurde so billig 
vorgegangen. Der Senator hat tatsächlich einen Brief ge 
schrieben an die Fachhochschule für Wirtschaft: Innerhalb von 
14Tagen soll sie zu seinem Vorschlag Stellung nehmen, wenn 
dann nichts kommt, wird er die Einsetzung des Kandidaten Nr. 
1 der Professorenmehrheitsliste vornehmen. Warum nun die 
Kritik daran? - Es bestehen hier Behauptungen - ich sage 
ausdrücklich: Behauptungen -, daß die Gutachten, die der 
Senator über diesen Betreffenden eingeholt hat, nicht ausrei 
chen. um die Bestellung auf diese Professur durch ihn zu 
rechtfertigen - ja mehr noch: daß sich der Senator entgegen 
seiner Pflicht überhaupt nicht darum bemüht hat, über die 
Kandidatin, die vom Akademischen Senat vorgeschlagen 
wurde, Gutachten einzuholen. 
Nun zu diesem offenbar geplanten Oktroi: In einem solchen 
Fall muß das Parlament handeln, wenn es überhaupt in seiner 
Kontrollfunktion glaubwürdig bleiben will. Ich wähle nur 
ungern starke Worte, muß aber sagen, wenn das Parlament 
auf diese Aufgabe verzichtet, dann haben wir eine Diktatur. 
[Gelächter bei der CDU] 
Ich wähle dieses Wort bewußt, denn zu diesem Oktroi hat der 
Senator rechtlich die Möglichkeit, die ihm keiner bestreitet. 
Wenn sich aber ein solcher Oktroi der Kontrollmöglichkeit 
entzieht, verzichtet ein Parlament auf die Kontrollaufgaben, 
die ihm die Wähler übertragen haben. Genau das ist hier mein 
Argument. 
[Elsner (CDU): Na also! Was willst du denn? 
Für jeden einen Ausschuß?] 
(B) - Nein, wenn ein solcher Verdacht besteht und auf andere 
Weise eine Lösung nicht möglich gewesen ist. 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Bitte, nicht mehr so 
lange, die Leute sind hier alle fertig. Es hört 
Ihnen doch keiner mehr zu!] 
- Ja, ich mache auch schnell. Ich erspare mir alle anderen 
Anschuldigungspunkte. Ich bin gleich fertig. Sie können mir 
nicht den Vorwurf machen, ich rede weitschweifig. Darüber 
haben wir uns doch gerade kürzlich unterhalten. 
Stellv. Präsident Longolius: Meine Damen und Herren! Ich 
bitte um mehr Aufmerksamkeit. Im Augenblick verzögern die 
Zwischenrufe nur die weitere Debatte. 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): 
Das sehen Sie falsch, Herr Präsident!] 
Behr (AL): Meine Forderungen sind: Erstens sollte sich das 
Parlament ernst nehmen in seiner Kontrollfunktion. Also sollte 
auch die CDU einem solchen Untersuchungsausschuß, wie 
wir ihn fordern, zustimmen. Zweitens ist es demokratische 
Tradition, daß dann, wenn gegen einen Senator oder Regie 
rungsvertreter massive Beschuldigungen erhoben werden - 
und das ist eine -, dieser als erster großen Wert darauf legen 
sollte, die Möglichkeit zu bekommen, zu diesen Beschuldigun 
gen Stellung zu nehmen. Das kann er nur in einem Untersu 
chungsausschuß, denn nur dieser hat die Möglichkeit, Gutach 
ten, um die es hier unter anderem ging, zu überprüfen. Herr 
Kewenig sollte das also ausdrücklich unterstützen. 
Weiter: Es ist jetzt der Vorschlag gekommen, einen solchen 
Antrag in die Ausschüsse für Wissenschaft, für Inneres und für 
Frauenfragen hineinzubringen, Frauenfragen aus dem Grund, 
weil hier die Behauptung besteht, daß der Senator entgegen 
seinem eigenen Anspruch, sich bei gleichwertiger Qualifika 
tion für die Einsetzung einer Frau zu bemühen, nicht bereit ist, (C) 
dem Vorschlag zu folgen. Ob das so richtig ist, muß der 
Untersuchungsausschuß zeigen. Unser Verdacht ist nun, daß 
die Beschäftigung von drei Ausschüssen, von denen noch 
nicht einmal feststeht, daß sie noch tagen werden, zu einer 
nicht zu rechtfertigenden Verzögerung führt. 
Da Sie bissig waren, komme ich ebenfalls zu einer bissigen 
Abschlußbemerkung und schlage vor, diese Sache auch noch 
in den Sportausschuß zu bringen, weil das Verhalten des 
Senators 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): 
Unsportlich war!] 
den Blutdruck so hoch gebracht hat, daß ich denjenigen, die 
sich aufgeregt haben, nur sagen kann: Treibt Sport! Also, auch 
in den Sportausschuß. 
[Beifall bei der AL] 
Stellv. Präsident Longolius; Nächster Redner Ist der Kollege 
Dr. Kremendahl. 
Dr. Kremendahl (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! 
[Dr. Lehmann-Brauns (CDU); 
Mensch, der hat zwei Pfund Papier mit!] 
Ich versuche das angesichts der vorgerückten Stunde einmal 
im Telegrammstil. 
[Beifall] 
Für den Antrag auf Untersuchungsausschuß liegen mehrere (®) 
Ausschußüberweisungen vor, dort sollten wir in der Sache 
weiter diskutieren. Ich halte es allerdings im Sinne des 
Selbstverständnisses des Parlaments für unannehmbar, dem 
Senator durchgehen zu lassen, daß er zu einem zentralen 
Gegenstand des möglichen Untersuchungsausschusses-und 
damit einer parlamentarischen Entscheidung - durch seinen 
Brief vom 3. Dezember an die Fachhochschule, in dem er eine 
bestimmte Berufungsentscheidung ankündigte, vollendete 
Tatsachen geschaffen hat, ehe das Parlament mit seinen 
Überlegungen zu Ende gekommen ist. Dies halte ich - wie ich 
gestern in einer Presseerklärung sagte-für ein im doppelten 
Sinne wilhelminisches Vorgehen, das wir als Parlament nicht 
hinnehmen können. 
Ich möchte deshalb dem Senator fünf konkrete Forderungen 
stellen, die sich auf unseren Dringlichkeitsantrag beziehen, 
die ihn auffordern, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. 
Erstens: Nehmen Sie, Herr Senator, Ihren Brief vom 3. 
Dezember an die Fachhochschule zurück. Zweitens; Erklären 
Sie sich vor dem Parlament bereit, vor Abschluß des parla 
mentarischen Entscheidungsprozesses, der hier in Gang 
gekommen ist, keine Berufung auszusprechen und keine 
vollendeten Tatsachen zu schaffen. Drittens: Erklären Sie sich 
bereit, für alle für die Stelle „Wirtschaftssoziologie“ in Rede 
stehenden und auf Listenvorschlägen plazierten Bewerber 
vergleichende Gutachten einzuholen. Viertens; Erklären Sie 
sich bereit, diese Gutachten der FHW zur Kenntnis zu bringen. 
Fünftens: Unternehmen Sie von sich aus einen Versuch, um in 
der Hochschule eine einvernehmliche Lösung herbeizufüh 
ren, die einen Oktroi überflüssig machen würde. 
Dies sind fünf konkrete Forderungen. Eigentlich müßten Sie 
alle im Sinne der Selbstachtung des Parlaments unserem 
Antrag, der den Senator dazu auffordert, zustimmen. Nun höre 
ich, daß von den Koalitionsfraktionen ein Ersetzungsantrag 
kommt, der im Grunde dem Senator freie Fahrt gewährt. Wenn 
dies so ist, beantrage ich hier vorsorglich die Überweisung 
5034
	        
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