Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984
Wachsmuth
Wir sind uns natürlich darüber im klaren, daß Sie das ganz
anders sehen. Es soll ja möglichst nicht so viel herauskom
men. - Vielen Dank!
[Buwitt (CDU): Es soll kein Blödsinn herauskom
men! - Beifall bei der AL]
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist der Kollege
Nagel.
Nagel (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Ich möchte mit einer Entschuldigung beginnen. In
der vergangenen Woche hat ein Kreuzberger Bezirksverord-
neter und Kandidat für das Abgeordnetenhaus, ein Mitglied
meiner Partei, den Senator für Bau- und Wohnungswesen
einen „korrupten Fregattenkapitän“ genannt. Ich glaube, daß
man trotz des Wahlkampfes, in dem eine scharfe Klinge
geführt wird - die ich auch gern führe -, sich zu solchen
Worten nicht hinreißen lassen darf, jedenfalls nicht solange,
wie nicht der Beweis für eine solche Behauptung erbracht
werden kann. Auf der anderen Seite möchte ich den Senator
für Bau- und Wohnungswesen bitten, doch nicht jeden kriti
schen Angriff auf seine Amtsführung oder die Amtsführung in
vergangenen Funktionen als Angriff auf die persönliche
Integrität zu begreifen, denn es ist schließlich kein Angriff auf
die persönliche Integrität von Herrn Franke, wenn heute
danach gefragt wird, ob die Amtsführung oder besser die
Geschäftsführung des damaligen DEGEWO-Vorstandes Klaus
Franke von einer Art war, die die DEGEWO und das Land
Berlin möglicherweise um etliche Millionen DM geschädigt
hat. Und es geht auch nicht um Ehrabschneidung, wenn man
danach fragt, ob dieser Vorstand der DEGEWO fähig war,
seine Funktion ordnungsgemäß auszufüllen, und, falls nein,
ob dann ein solcher Mann mit noch bedeutenderen Aufgaben
an der Spitze eines bedeutenden Senatsressorts beauftragt
werden kann.
Es geht aber noch um mehr. Nach allem, was wir bisher
wissen - und das, was wir wissen, ist schon skandalös ge
nug -, werfen die Fakten die Frage auf, ob Herr Franke als
Vorstand der DEGEWO entweder grenzenlos naiv oder ein
fach zu dumm war, um ein Geschäft dieser Größenordnung
ohne Schaden für die DEGEWO durchzuführen, oder ob - da
wir Herrn Franke weder für dumm noch für naiv halten -
andere persönliche oder sachfremde Erwägungen Herrn
Franke beeinflußt haben und ihn veranlassen mußten, dem
Verkäufer der Grundstücke ein Angebot zu machen, das
wirklich jenseits alles Diskutablen lag. Wenn aber Herr Franke
- aus welchen Gründen auch immer - zu einem bestimmten
überhöhten Angebot veranlaßt werden konnte, dann besteht
die Gefahr, daß dieser Mann auch in seinem Amt als Senator
für Bau- und Wohnungswesen unter Druck zu setzen wäre.
Und das wäre ja wohl in der Tat eine unglaubliche Vorstellung.
Halten wir uns an die Fakten. Fest steht erstens, daß im
Zuge der Verhandlungen um den Kauf der Randbebauung
Schlangenbader Straße der Verkäuferin vom kaufmännischen
Vorstand der DEGEWO, Herrn Franke, ein eindeutig überhöh
tes Angebot gemacht worden ist, und zwar ursprünglich in
Höhe von rund 82 Mio DM. Fest steht zweitens, daß zur
Ermittlung dieses Kaufpreises ein Gutachter herangezogen
wurde, die Firma Rover & Jochmann, eine Firma, die eindeutig
geschäftlich mit dem Verkäufer verflochten war. Und wie wir
heute sehr aktuell über die Berliner Abendschau erfahren
konnten, steht dieses Gutachten, das einen Kaufpreis von 82
Mio DM für gerechtfertigt hielt, im krassen Gegensatz zu dem,
was die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen als
Verkehrswert für dieses Grundstück festgestellt hat, nämlich
rund 47 Mio DM.
Drittens: Fest steht, daß für das Geschäft in dieser Größen
ordnung öffentliche Mittel als Kapitalzufuhr benötigt wurden
und daß zwischen der DEGEWO und dem Finanzsenator ein
Dritter, ein Vermittler, eingeschaltet wurde, selbst für Kenner (C)
der Branche ein außerordentlich merkwürdiger Vorgang.
Viertens steht fest, daß dem Hauptausschuß des Abgeord
netenhauses im Dezember 1981 zur Entscheidungsvorberei
tung wichtige Fakten vorenthalten wurden, unter anderem die
Absicht, die Wohnungen später in Eigentumswohnungen
umzuwandeln. Lassen Sie mich an dieser Stelle bewertend
folgendes sagen: Es ist nicht Aufgabe einer städtischen
Wohnungsgeseilschaft, eine Abschreibungsgesellschaft, de
ren Bestände in absehbarer Zeit in die Illiquidität geführt
hätten, über die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnun
gen zu einer Auswegsituation zu verhelfen und somit die
Verluste, die hier entstehen, sozusagen zu sozialisieren.
[Beifall bei der SPD - Buwitt (CDU): Herr Nagel,
das sagen Sie mal der Neuen Heimat!]
Fünftens: Fest steht, daß der Vorstand der DEGEWO aber
auch bereit war, einer Vermittlungsfirma, nämlich der Firma
Blatz Immobilien, Teilnebenkosten in Höhe von immerhin
zwei Millionen zu erstatten. Als Teilnebenkosten werden
gewöhnlich Maklergebühren oder auch Gebühren für Gutach
ten bezeichnet.
Sechstens steht fest, daß in das Geschäft ein Vermittler oder
Makler eingeschaltet wurde, der an dieser Sache nicht
schlecht verdient hat - im übrigen ein Indiz dafür, daß in
diesem Projekt erhebliche finanzielle Spielräume waren.
Schließlich steht auch fest, daß zahlreiche sachkundige Mitar
beiter der DEGEWO den Vorstand vor den Modalitäten dieses
Geschäfts gewarnt haben.
Abschließend; Fest steht, daß erst ein cleverer und wacher
Aufsichtsrat Herrn Franke zu stoppen vermochte.
Da wir den heutigen Bausenator nicht für einen Mann
halten, der dieses skandalöse Geschäftsgebaren aus Dumm- '
heit an den Tag gelegt hat, da wir diesen Bausenator nicht für
einen Mann halten, der dieses Geschäft aus Naivität getätigt
hat, ist es nichts Ehrenrühriges, danach zu fragen, ob es
andere, hier noch nicht bekannte Gründe gibt, die einem
Dritten möglicherweise einen geschäftlichen Vorteil ver
schafft haben, der in keinem Verhältnis zum eigentlichen
Gegenstand steht. Und es ist legitim, danach zu fragen, ob es
Gründe gibt, daß es - bei wem auch immer - zu einer nicht
gerechtfertigten persönlichen Bereicherung gekommen ist.
Schließlich ist es auch nicht ehrenrührig, danach zu fragen, ob
die Annahme zutreffen könnte, daß im Zusammenhang mit
diesem Geschäft auf Beteiligte Druck ausgeübt werden
konnte.
Der Bausenator hat auf diese Vorhaltungen bisher in der
Öffentlichkeit, in mehreren Pressekonferenzen und Erklärun
gen unvollständig, zum Teil aber auch eindeutig wahrheits
widrig geantwortet. Wahrheitswidrig ist erstens, daß nicht er
bemüht war, den Kaufpreis niedrig zu halten, sondern daß er
eindeutig bereit war, einen überhöhten Kaufpreis zu zahlen
und erst vom Aufsichtsrat zurückgepfiffen werden mußte.
[Dr. Kunze (AL): Ein solcher Mann gehört entlas
sen zu werden!]
Zweitens ist es offensichtlich, daß das Vc hältnis zu Herrn
Prill entgegen den Äußerungen des Bausenators durchaus
nicht nur beiläufiger Natur, sondern offensichtlich sehr enger
Natur war. Sukzessive kommt hier eine Konzession nach der
anderen auf den Tisch des Hauses.
Bemerkenswert ist - darauf hat Herr Wachsmuth schon
hingewiesen -, daß auch der Regierende Bürgermeister,
damals als Sprecher seiner Fraktion im Hauptausschuß,
dieses Geschäft eindeutig-im übrigen sehr temperamentvoll,
wie meine Kollegen aus dem Hauptausschuß sagen, und das
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