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Volume Nr. 80, 5. Dezember 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984 
Frau Saß-Viehweger 
Ausschusses nach meinem Eindruck sich alle um eine Aufklä 
rung der Sache und eine gute Zusammenarbeit bemüht haben 
- anders als manche Töne, die man bei Einsetzung dieses 
Ausschusses hier hören konnte und ich möchte diese 
Gelegenheit auch benutzen, dem Vorsitzenden des Ausschus 
ses für seine Arbeit zu danken und den Mitarbeitern des 
Ausschußbüros, die in großem Umfang tätig werden mußten 
und sehr ernsthaft gefordert worden sind. 
[Beifall bei der CDU, der SPD und der F.D.P.] 
Am Ende einer solchen Untersuchung besinnt man sich auf 
die Fragen, die am Anfang gestellt wurden. Seinerzeit stand 
im Vordergrund des öffentlichen Interesses die Behauptung 
oder die Frage: Hat es hier ein Verschulden einzelner 
Personen oder auch der politisch Verantwortlichen an diesen 
Todesfällen gegeben? - Ihnen liegt der Bericht vor; in diesem 
Bericht sind auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft 
enthalten. Sie ergeben, daß es weder eine direkte Einwirkung 
anderer Personen - also etwa eine Brandstiftung Außenste 
hender- gegeben hat noch daß der Vorwurf einer vorsätzli 
chen oder fahrlässigen Tötung hier erhoben werden kann. 
So bleibt einzig die Frage zu stellen, ob die seelische 
Situation der im Abschiebegewahrsam Befindlichen, viel 
leicht mittelbar oder unmittelbar verursacht, dann zu diesem 
Vorfall geführt haben kann. Hier hat uns der Sachverständige 
Rasch gesagt, dessen Gutachten Sie ebenfalls als Anlage zu 
diesem Bericht finden, daß die bauliche Situation und die 
Situation im Abschiebegewahrsam zwar belastend war, daß 
nach seiner Ansicht jedoch die psychischen Störungen der 
Insassen nicht unmittelbar darauf zurückzuführen seien, son 
dern entweder vorher schon vorhanden waren oder auf die 
Ungewißheit der Lebenssituation insbesondere der Häftlinge 
aus dem Libanon zurückzuführen wären. Auch die Häftlinge 
selbst haben die über die Jahre hinweg immer wieder 
vorgekommenen Suizidversuche, Ausbruchversuche, Brand 
stiftungen und ähnliche Vorkommnisse völlig unterschiedlich 
in ihrer Motivation gesehen. Während bei einigen der ernst 
hafte Wille vorhanden gewesen ist, aus dem Leben zu 
scheiden, ging es anderen nur darum, auf ihre Situation 
aufmerksam zu machen, und auch gerade darum, daß ihre 
Versuche erfolglos bleiben sollten. Man kann also nicht davon 
ausgehen, daß das anfangs der Arbeit postulierte Verschul 
den festgestellt worden wäre. 
Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß die 
lange Dauer der Abschiebehaft in einigen Fällen zu solchen 
Vorkommnissen oder auch - ganz allgemein -zu Mißständen 
führen kann. Hierbei muß man feststellen, wenn man auch die 
statistischen Untersuchungen überprüft, daß die Länge der 
Dauer zum einen in einem gewissen Zeitraum sich dadurch 
ergeben hat, daß nicht in den Libanon abgeschoben werden 
konnte, daß es Probleme bei der Beschaffung von Personalpa 
pieren gab, und das nicht nur aufgrund von Fehlverhalten der 
Behörde, wie hier ausgeführt wurde, sondern unter anderem 
auch deswegen, weil die Betroffenen hieran nicht mitwirkten, 
sondern im Gegenteil dies sogar zu verhindern trachteten. 
Wenn man die Akten der Ausländer liest, dann sieht man, in 
wie vielen Fällen diese ihre Ausweise und Pässe als verloren 
gemeldet haben, und da meint man doch, daß dies nicht 
unbedingt ein Zufall sein kann. 
Weiterhin muß man natürlich sehen, daß die Länge der 
Dauer auch durch die Schwierigkeiten in der behördlichen 
Bearbeitung hervorgerufen sein kann, daß aufgrund von 
Arbeitsüberlastung, aufgrund von Verfahrenswegen es zu 
langen Zeitabläufen gekommen ist. Ich möchte dabei sagen, 
daß ich dies ganz ausdrücklich nicht als Kritik an den 
Mitarbeitern der Ausländerbehörde verstanden wissen möch 
te, die unter schwierigen Bedingungen eine sehr große 
Arbeitsbelastung zu ertragen haben, und ich möchte diese 
Gelegenheit benutzen, um all den Mitarbeitern, die dort 
tagtäglich ihre Arbeit und Ihre Pflicht tun, für das, was sie dort (C) 
tun, von hier aus zu danken. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Es ist gelegentlich behauptet worden, daß die ums Leben 
gekommenen Insassen gar nicht hätten sterben müssen, weil 
sie an sich, wenn man ihre Akten anders bearbeitet hätte, 
vielleicht gar nicht inhaftiert gewesen wären. Hierzu hat der 
Ausschuß festgestellt, daß man in einigen Fällen durchaus ein 
Fragezeichen anbringen könnte, ob dieser Fall nicht hätte 
anders verlaufen können; man kann dies aber nach unserer 
Auffassung nicht generell so feststellen. Und immerhin müs 
sen wir sagen, daß wir nicht das Gericht sind, das die 
Behördenentscheidungen zu überprüfen hat. Was die formel 
len Voraussetzungen anging, so hat es sich hierbei jedenfalls 
nicht um ein rechtswidriges Festhalten gehandelt. Wenn man 
diese Fälle rechtlich anders würdigt, was man natürlich kann, 
würde man sich selbst an die Stelle des Gerichts setzen, was 
uns hier nach meiner Auffassung zu tun verwehrt ist. 
Herr Kollege Lorenz hat hier ausgeführt, daß es immer 
wieder Hinweise auf Mißstände gegeben hat und nach seiner 
Meinung nichts geschehen sei. Es hätte sicherlich mehr und 
rechtzeitiger geschehen können, aber daß nichts geschehen 
ist, kann man nun wirklich nicht sagen, und dies muß ich auch 
ausdrücklich für die Senatoren feststellen, die in dem Zeit 
raum von 1978 bis 1981 tätig gewesen sind, die also nicht 
meiner Partei, sondern der des Kollegen Lorenz angehört 
haben. Der Innensenator Ulrich hat seinerzeit allerdings 
erklärt, daß er den durch den Umbau erreichten Zustand am 
Augustaplatz, soweit dies möglich war, für befriedigend hielt. 
Hinsichtlich der Verhältnisse in der Kruppstraße - auch mit 
diesem Vorgang haben wir uns zu beschäftigen gehabt - ist 
seinerzeit nach einer Aussage des Herrn Brosius, den wir als 
Zeugen gehört haben, trotz katastrophaler Zustände nichts ' 
geschehen; hier sei es der Initiative eines einzelnen Beamten 
überlassen geblieben, für Verbesserungen zu sorgen. Der 
Polizeipräsident Hübner hat uns erklärt, daß er über die Jahre 
hinweg schon seit 1976 versucht habe, mit der Justiz in 
Gesprächen zu erreichen, daß Abschiebungsvoraussetzun 
gen schon während der Strafhaft geschaffen werden. Dieses 
Thema ist erst in jüngster Zeit, wie wir hoffen, zu einem Ansatz 
für eine befriedigende Lösung gebracht worden. Der Innense 
nator Dahrendorf hat nach eigenem Bekunden überhaupt 
nicht bemerkt, daß es diese Thematik gegeben hat, obwohl 
nach Aussagen der Herren Ulrich und Hübner er bei seinem 
Amtsantritt darüber informiert worden sei. Er seinerseits soll, 
so hat uns Herr Ulrich gesagt, dann wiederum den Senator 
Lummer informiert haben. Ober dieses Thema kann er aber 
vermutlich nicht mit ihm gesprochen haben. 
Um auf die jüngste Zeit zu kommen, so haben wir festge 
stellt, daß im Jahre 1983 sich Warnungen und Hinweise aus 
dem Kreise der Polizeiangehörigen, der Wachpolizisten erge 
ben haben, die insbesondere auf die unzureichende personel 
le Situation am Augustaplatz oder auch an anderer Stelle 
hingewiesen haben. Hier ist festzustellen, daß nach dem 
vorhin schon erwähnten Schreiben des Innenausschußvorsit 
zenden innerhalb weniger Tage eine Besichtigung stattfand 
und dann auch dem Innenausschuß entsprechende Vorschlä 
ge unterbreitet wurden, daß eine Änderung der personellen 
Situation am Augustaplatz und daß eine Umstrukturierung der 
Ausländerbehörde in Angriff genommen wurden, daß ange 
ordnet wurde, daß Sachbearbeiter der Ausländerbehörde bei 
den Richterterminen anwesend zu sein hätten, und daß ein 
Ausbau der Kruppstraße zu gedeihlichen räumlichen Verhält 
nissen führen sollte. 
Alles dies war in Angriff genommen, aber zum Zeitpunkt des 
31.12. 83 noch nicht abgeschlossen oder noch nicht vollstän 
dig in die Tat umgesetzt. 
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