Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984
(A)
Präsident Rebsch
3. In §71 Abs. 1 werden nach Satz6 folgende Sätze 7
und 8 eingefügt:
„Wird im ersten Wahlgang die Mehrheit der abge
gebenen gültigen Stimmen als Nein-Stimmen ge
gen die gesamte Vorschlagsliste abgegeben, hat
diese ihre Erledigung gefunden. Das Nähere re
gelt die Wahlordnung.“
Die Sätze 7 bis 9 werden die Sätze 9 bis 11.
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelbera
tung der vier Artikel miteinander zu verbinden. - Kein
Widerspruch. Ich rufe auf die Artikel I bis IV, die Überschrift
und die Einleitung im Wortlaut des Antrags, Drucksache
9/2092, unter Berücksichtigung der Beschlußempfehlungen,
Drucksache 9/2314. Gibt es Wortmeldungen? - Herr Dr.
Kremendahl für die SPD-Fraktion, bitte sehr!
Dr. Kremendahl (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! ln diesem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU geht es
darum, den Rektor der Technischen Fachhochschule in die
Besoldungsgruppe B3 zu bringen - um diesen isolierten
Punkt. Nun ist die Technische Fachhochschule sicherlich eine
der leistungsfähigsten und eine der herausragenden Hoch
schulen, die wir haben; und ich stehe auch nicht an, zu sagen,
daß dies nicht zuletzt ein Verdienst von Rektor Tippe ist, der
hier über viele Jahre hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich
räume auch ein, daß die Größe der Technischen Fachhoch
schulesich in einer Weise entwickelt hat-ich kann nur sagen:
sich hoffentlich so weiter entwickeln wird, denn da gibt es
unterschiedliche Prognosen daß nach dem Schlüssel, wie
er auch vergleichsweise in anderen Bereichen der Bundesre
publik angewandt wird, eine solche Erhöhung gerechtfertigt
(B) erscheint. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch
Bedenken. Bedenken zunächst einmal dahingehend, daß die
Frage der Größe und auch der Leistungsfähigkeit der TFH
schon lange bekannt ist, daß eine solche Gesetzesinitiative
erst ganz zum Schluß der Legislaturperiode, und dann isoliert
für eine Hochschule, kommt. Meine Fraktion beantragt immer
wieder angesichts der beschäftigungspolitischen Situation
und der von uns ja keineswegs geleugneten Notwendigkeit
des sparsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln, die Stellen
kegel zu verändern. Da braucht man schon sehr gute Begrün
dungen, um aus einer C-3-Stelle eine B-3-Stelle zu machen.
Auf der anderen Seite ist man unserer Aufforderung im
Wissenschaftsausschuß, als wir diesen Gesetzentwurf zwei
mal sehr gründlich beraten haben, nicht nachgekommen,
nämlich ein Konzept zu entwickeln und auch von seiten des
Senats einmal darzutun, wie sich das im Verhältnis zu den
anderen Fachhochschulen darstellt. Denn der §62 Absatz 1
des Hochschulrahmengesetzes hat in seiner jetzt geltenden
Fassung - und an die haben wir uns zu halten - einen sehr
klaren Wortlaut; da steht drin;
Die Hochschule hat einen gewählten hauptberuflichen
Leiter mit mindestens vierjähriger Amtszeit.
Das heißt: Wenn man hier einen hauptberuflichen Leiter und
nicht nur einen Professor mit Rektorzulage schafft für eine
Fachhochschule, dann muß man die Frage beantworten, ob
man denn die geltende Regelung an den anderen Fachhoch
schulen beibehaiten will oder ob dies eine Einladung sein soll
- die dann wieder unter finanziellem Aspekt nicht ohne
Probleme ist - an alle Fachhochschulrektoren, sich nun zu
melden und zu sagen: Wir wollen etwas Vergleichbares. Hier
hätte eine Vorlage ins Spiel gemußt, in der klar zwar die
Möglichkeit der Differenzierung auch der Gehaltsstufe nach
Größe der Hochschule, aber eben doch die deutliche Stoßrich
tung auf einen hauptamtlichen Leiter für alle Hochschulen hin
zum Ausdruck hätte kommen müssen. Andererseits befürwor
tet die CDU ja wohl im Bund - wenn ich das richtig sehe - eine
Änderung des Hochschulrahmengesetzes, nach der die sozu
sagen nebenberufliche Tätigkeit als Rektor wieder eingeführt
werden soll. Also, meine Damen und Herren von der CDU;
Bevor man solche Lösungen ergreift, sollte man sich über die
eigenen Intentionen abgestimmt haben und ins Reine gekom
men sein, ansonsten ist das Stückwerk,
Wir werden uns aus der genannten Abwägung - auf der
einen Seite die Verdienste des Rektors der TFH und die Größe
der Hochschule, auf der anderen Seite das unkoordinierte
Vorgehen auf Senats- und Mehrheitsseite - der Stimme
enthalten bei diesem Punkt.
Ich möchte aber vor allen Dingen auf unseren Änderungs
antrag zu sprechen kommen. Wir nutzen hier- das gebe ich zu
- gern die Gelegenheit, daß wir einen Änderungsantrag zum
Berliner Hochschulgesetz auf dem Tisch haben, um diesen
Antrag zu stellen, der auf ein akutes Problem, nämlich das
Problem der Präsidentenwahl in Berlin, und vor allen Dingen
der Wahlen an der Technischen Universität, Bezug nimmt.
Hier hat es vor einigen Tagen ein sehr interessantes Verwal
tungsgerichtsurteil gegeben; Da ist dem Senator für Wissen
schaft und Forschung zwar zugestanden worden, daß er im
Wege der Ersatzvornahme die Hochschule veranlassen kann,
einen Termin für den ersten Wahlgang zur Präsidentenwahl
festzulegen; es ist ihm aber gleichzeitig untersagt worden
vom Verwaltungsgericht, die Termine gleich für den zweiten
und dritten Wahlgang mitfestzulegen. Eine der Begründungen
- ich möchte aus dem Urteil zitieren - lautet:
Weiter würde die Festsetzung der Termine für den
zweiten und dritten Wahlgang auch dann entbehrlich
sein, wenn die Mehrheit der abgegebenen gültigen
Stimmen im ersten Wahlgang aus Nein-Stimmen bestün
de und auf diese Weise ein weiterer Wahlgang ausge
schlossen wäre.
- Und dann wird Bezug genommen auf die Wahlordnung der
Technischen Universität, die dieses vorsieht. Ich glaube, das
Verwaltungsgericht zeigt uns hier einmal mehr einen Ausweg
aus einer Misere; denn das Wahlverfahren, das das Berliner
Hochschulgesetz nach der Novellierung von 1982 vorsieht,
sagt ja: Der Akademische Senat beschließt einer Dreier-Liste
für die Präsidentenwahl, das Konzil wählt aus dieser Dreier-
Liste. Und es muß einen von den Dreien wählen; denn im
dritten Wahigang genügt zur Not eine einzige Stimme, um zum
Präsidenten gewählt zu werden. Nun hat sich bei unterschied
lichen Mehrheitsverhältnissen in Senat und Konzil das Pro
blem der Einheitslisten herausgestellt-wir haben dies schon
zum zweitenmal.
Ich glaube, daß mit dem von uns eingebrachten Änderungs
antrag eine selbstverständliche Klarstellung ins Berliner
Hochschulgesetz hineinkommt, nämlich die Klarstellung, daß
ein Mindestmaß an Berücksichtigung demokaratischer Ver
fahrensgebote es erfordert, daß eine Mehrheit des Konzils in
die Lage versetzt wird, auch alle drei Kandidaten abzulehnen.
Sie alle, meine Damen und Herren, kenne die aktuellen
Hintergründe bei derTechnischen Universität. Dies ist nun ein
Wahlsystem, das die institutionalisierte Durchsetzung der
Minderheit gegen die Mehrheit garantieren und das - zwei
tens - eine Einheitsliste sicherstellen soll, damit nur ja nicht
ein pluralistisches Auswahlverfahren zustande kommt; denn
dann könnte ja jemand gewählt werden, der der Mehrheit des
Akademischen Senats nicht paßt. Beides - die Einheitsliste
und die Bevorzugung des Minderheitsprinzips vor dem Mehr
heitsprinzip - sind eigentlich Elemente, die unserer demokra
tischen Ordnung nicht eigen sind. Ich möchte an dieser Stelle
nicht wieder das Lieblingsreizwort von Herrn Kewenig ge
brauchen, das ich mehrfach benutzt habe, sondern ich möchte
nur sagen: Scheinwahlen ohne Richtungsalternative kennen
wir aus anderen politischen Systemen. Deshalb machen wir
hier den Versuch - und fordern Sie auf, diesem Versuch
beizutreten-, dem wählenden Konzil zumindest ein Vetorecht
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