Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984
Preuss
(A) Verfahren, einen einmal abgeiehnten Gesetzesantrag ein
halbes Jahr später im selben Wortlaut wieder einzubringen.
Wir haben schon seinerzeit und auch jetzt in der abschließen
den Beratung des Schulausschusses eindeutig gesagt, daß
wir diesen Gesetzesantrag ablehnen werden. Ich betone ganz
ausdrücklich, daß wir ihn nicht etwa deshalb ablehnen, weil
nicht auch die CDU-Fraktion Verständnis hätte für die Aufbes
serung der Bedarfssätze oder nicht auch Verständnis hätte für
die Anhebung der Freibeträge, insbesondere aber hohes
Verständnis in der Diskussion schon immer dafür gezeigt hat,
daß der zwölfte Monat in die Förderung einbezogen werden
soll. Dieses haben wir zu jeder Zeit deutlich gesagt. Wir haben
die Ablehnung in der Vergangenheit lediglich deshalb auf
rechterhalten und täten dieses auch heute, weil wir aus
ordnungspolitischen und haushaltspolitischen Gründen aus
unserer Sicht eine Abkopplung einer Berliner Regelung von
der Bundesregelung in dieser Frage für unvertretbar halten.
Deshalb haben wir schon Ihren ersten Gesetzesantrag nicht
mitvollzogen und können auch den heutigen nicht mitvollzie
hen.
Wir sind jedoch sehr froh, daß zumindest in die Frage des
zwölften Monats Bewegung geraten ist. Sie erinnern sich, daß
wir im Schuiausschuß darüber gesprochen haben, daß, wenn
in Bonn andere Entscheidungen fallen, die wir im übrigen bei
unseren Bundestagsfraktionen - CDU/CSU-Fraktion und
F.D.P.-Fraktion - angeschoben haben, wir auch in Berlin
selbstverständlich sofort nachzuziehen wünschen. Unsere
Fraktion hat heute nachmittag ein Fernschreiben aus Bonn
erreicht, wonach am gestrigen Tag die Bundestagsfraktionen
der CDU/CSU und der F.D.P. einen entsprechenden Entwurf
beschlossen haben, eine Novellierung des Bundesausbil
dungsförderungsgesetzes. Der wesentliche Bestandteil die
ses Beschlusses des gestrigen Nachmittags ist die Wiederein
beziehung des zwölften Monats in die Förderung.
(B)
Ich habe vorhin nach einer kurzen Rückkopplung in unserer
Fraktion und mit der Fraktion der F.D.P. deshalb gemeinsam
mit Herrn Fabig veranlaßt, daß Ihnen ein Änderungsantrag der
Fraktionen der CDU und der F.D.P, vorgelegt wird. Ich glaube,
er ist soeben verteilt worden. Das ist ein Änderungsantrag zu
den heute vorliegenden Beschlußempfehlungen, in dem wir
eben genau diese Einbeziehung des zwölften Monats in die
Förderung für Berlin ab 1. Januar 1985 fordern. Ich bitte Sie,
diesem Ihre Zustimmung zu erteilen. Wir sind damit in der mit
Sicherheit nicht immer leichten Diskussion der letzten Wo
chen und Monate der von uns gemachten Zusage im Ausschuß
nachkommen, daß wir hier in Berlin auch sofort handeln
würden, wenn sich in Bonn etwas bewege. Ich bin glücklich,
daß wir diesen ersten Schritt beim Landesausbildungsförde
rungsgesetz-Einbindung des zwölften Monats-damit für das
nächste Jahr unter Dach und Fach kriegen können. - Herzli
chen Dank!
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Nächster Redner ist der
Abgeordnete Dr. Kremendahl.
Dr. Kremendahl (SPD); Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen schwer
punktmäßig mit dem Landesausbildungsförderungsgesetz be
fassen. Lassen Sie mich daher zu den beiden anderen
vorliegenden Gesetzentwürfen nur einige wenige Sätze sa
gen.
Zum Privatschulgesetz: Ich begrüße es - wie mein Vorred
ner-, daß es im Schulausschuß gelungen ist, uns zumindest
zwischen drei Fraktionen des Hauses auf die sogenannte
kleine Lösung zu verständigen, uns auf eine Lösung zu
verständigen, die ganz konkret für drei Privatschulen - die
private Kant-Schule, die Scheie-Schule und die Luisen-Stif- (C)
tung - eine Sicherung ihrer Existenzbedingungen bedeutet.
Vor allem durch das Wegfallen der 125er-Regelung. Dies war
ein Schritt, der notwendig war. Dies war konkrete Hilfe für
Schulen, die eine wichtige ergänzende Funktion im Erzie
hungssystem dieser Stadt ausfüllen.
Zu der großen Lösung, die von einigen für die nächste
Legislaturperiode angekündigt worden ist, können wir nur
sagen, daß es da aus unserer Sicht nicht unkontrovers
zugehen wird. Da wird sicherlich im Grundsatz debattiert
werden müssen; denn für uns Sozialdemokraten bleibt die
schulische Ausbildung vorrangig eine Aufgabe des Staates,
eine Aufgabe der öffentlichen Hand. Privatschulen haben eine
wichtige Funktion, aber sie haben eine ergänzende Funktion
zum öffentlichen Schulsystem. An diesem Grundsatz werden
wir festhalten, und daran werden wir auch künftige Vorschläge
für eine Änderung oder Weiterentwicklung des Privatschulge
setzes messen.
Zum Antrag der Fraktion der Alternativen Liste: Wir werden
diesen Antrag ablehnen. Der Antrag will - ich sage das für
diejenigen, die sich nicht so ganz im Detail damit beschäftigt
haben - im wesentlichen zweierlei: Er will die Abschaffung der
Sonderschulen, und er will die Abschaffung der Grundschul
noten. Beiden Forderungen können wir nicht zustimmen. Ich
möchte mich kurz mit der Frage der Sonderschulen beschäfti
gen.
Wir Sozialdemokraten begrüßen es außerordentlich, daß
beispielsweise an zwei Einrichtungen, nämlich an der Flä
ming-Schule und an der Uckermark-Schule, ausgezeichnete
und förderungswürdige Versuche einer integrierten Erzie
hung von Behinderten und Nichtbehinderten laufen. Diesen
Schulversuchen muß jede Förderung angedeihen. Ich glaube
aber, daß die pauschale Forderung, die Sonderschulen abzu
schaffen, diesen Schulversuchen eher schadet als ihnen hilft. ([))
Wir Sozialdemokraten haben durchaus die Vorstellung, daß
auf Sicht in jedem der zwölf Berliner Bezirke eine Schule sein
sollte, die eine integrierte Erziehung von Behinderten und
nicht Behinderten anbietet. Wir sind aber auch der Meinung,
daß es Behinderungen gibt, die eine sehr differenzierte, eine
sehr spezifische Heranführung an die Chancengleichheit im
Biidungswesen in der Ausbildung verlangen und daß jeden
falls auf lange Sicht Sonderschulen, die sich derartigen
spezifischen Lernschwierigkeiten zuwenden, ohne Alternati
ve sind. Wir brauchen hier ein differenziertes System; im Ziel
sollten wir uns wohl einig sein: Es geht darum, jedem Kind die
bestmögliche Chance zu eröffnen. Das gilt gerade für Behin
derte; ihnen ist der Zugang, der Schritt in die Chancengleich
heit im Bildungswesen zu eröffnen. Da ist Behutsamkeit am
Platze, keine pauschale Lösung!
Nun zum LAföG: Unser Entwurf hat - Herr Kollege Preuss
hat darauf bereits freundlicherweise hingewiesen, daß dies
hier die zweite Auflage ist - unverändert drei Zielsetzungen;
Wir wollen den zwölften Monat herstellen. Hier freue ich mich
über die Initiative, die nun spät - sehr spät! - von den beiden
den Senat tragenden Fraktionen hier heute per Tischvorlage
uns hereingegeben worden ist. Zweitens möchte unser Ent
wurf die Bedarfssätze anheben, und zwar, Herr Kollege
Preuss, gerade um unsere Berliner Landesregeiung, die wir ja
machen mußten, weil der Bund bis auf wenige Reste aus der
Schüterförderung ausgestiegen ist, abzukoppeln von dem,
was jetzt im BAföG gilt und worauf sich die gegenwärtige
Gesetzesfassung bezieht, nämlich auf die unzulängliche und
auch auslaufende Bundeshärteregelung. Ich frage Sie: Wie
koppeln Sie das LAföG an das BAföG wieder an, wenn die
Bundeshärteregelung ausläuft? - Dann brauchen wir doch
einen neuen Bezug. Daher wird hier eine autonome Berliner
Lösung gefordert. Wir haben hier zu entscheiden, wie wir die
Bedarfssätze bemessen wollen; wir dürfen uns da nicht hinter
dem Bundesgesetzgeber verkriechen.
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