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Volume Nr. 80, 5. Dezember 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984 
Sen Fink 
(A) länder zugenommen hat und dort ebenfalls schon Schwierig 
keiten in der Aufnahmekapazität bestehen. 
Zweitens; Wir wollen dafür sorgen, daß die Gerichtsverfah 
ren zügiger durchgeführt werden, als dies bisher der Fall sein 
konnte. Demzufolge wird ein zweiter Senat beim Oberverwal 
tungsgericht eingerichtet. 
Drittens: Wir wollen ferner dafür sorgen, daß wir wie bisher 
die freiwillige Rückkehraktion durchführen. Heute sind über 40 
weitere Asylbewerber freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. 
Wir fahren auch fort mit der Aufklärungsaktion vor Ort und 
haben Anzeigen sowohl in Sri Lanka wie Ghana veranlaßt, 
wobei gerade die Menschen, die aus Ghana zu uns kommen, 
am allerwenigsten Aussicht auf Anerkennung als Asylanten 
haben, und es ist eben doch ein großer Teil der Asylbewerber, 
die aus Ghana zu uns kommen. Lediglich 0,2% der Ghanesen 
werden überhaupt als Asylanten anerkannt, das heißt, hier 
läuft also die Anerkennungsquote praktisch gegen Null. 
Weiterhin wird der Senat eine Bundesratsinitiative ergrei 
fen zwecks Beschleunigung des Asylverfahrens. Es darf nicht 
so sein, daß die Asylverfahren zum Teil jahrelang dauern und 
die Menschen im Vertrauen darauf, daß diese Verfahren so 
lange dauern, hierher kommen und das Asylrecht auf diese 
Art und Weise ausnutzen. 
Letztens: Wir haben uns dafür eingesetzt, daß die Zahl der 
Heimplätze in Berlin deutlich erhöht wird. Wir haben die 
Platzzahl in den vergangenen Monaten und Jahren bereits 
von 550 auf 2700 erhöht. In den vergangenen Tagen sind 
weitere 600 Plätze hinzugekommen. Der Senat hat gestern 
beschlossen, daß weitere 900 Notunterkünfte und weitere 1000 
Dauerunterkünfte errichtet werden. In dem Zusammenhang 
möchte auch ich dem Deutschen Roten Kreuz meinen herzli 
chen Dank sagen; das Deutsche Rote Kreuz brauchte nicht 
erst lange gebeten zu werden, es hat nicht erst lange 
(B) irgendwelche Forderungen gestellt, das Deutsche Rote Kreuz 
ist rangegangen und hat konkret geholfen. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Dies ist aller Anerkennung wert. 
Lassen Sie mich noch etwas zum Schluß sagen, weil Sie 
einen Punkt angesprochen haben, Frau Abgeordnete Zieger, 
der natürlich bedenkenswert ist. Sie haben gefragt: Ist es denn 
nicht so, daß wir in Anbetracht der Tatsache, daß wir zu den 
reichsten Ländern auf der Welt gehören und zu den freiheit 
lichsten und demokratischsten dazu, eine Verpflichtung ha 
ben, eben noch mehr Menschen aufzunehmen, als bisher zu 
uns gekommen sind? - Das war Ihre Sentenz, und ich möchte 
Ihnen klar und eindeutig darauf sagen: Selbstverständlich 
kann jeder Verständnis dafür haben, daß jemand, der unter 
Not leidet, den Wunsch hat, nicht mehr in seinem Lande zu 
leben, sondern daß er lieber in ein reiches Land kommt. Das 
ist mir schon klar, aber in Anbetracht der Tatsache, daß einige 
Milliarden Menschen auf der Welt natürlich sehr viel weniger 
Wohlstand haben, als dies in der Bundesrepublik Deutschland 
der Fall ist, ist allein der Gedanke - zu Ende gedacht - völlig 
ausgeschlossen. Ein Ballungsgebiet, wie es Berlin ist, mit 
einer der größten Besiedlungsdichten auf der ganzen Welt, ist 
doch überhaupt nicht in der Lage, Millionen oder Milliarden 
von Menschen hier aufzunehmen. Ein solcher Weg muß doch 
einfach in die Irre gehen. 
Unsere primäre Verpflichtung ist - und der kommen wir 
auch nach -, nicht nur die Asylbewerber bei uns aufzunehmen, 
die echte politische Asylanten sind, sondern darüber hinaus 
haben wir in der Stadt über 10000 Polen wohnen, die unter 
dem Begriff der Duldung hier sind, die also bei uns wohnen 
dürfen, weil wir wissen, wir liegen nur 80 Kilometer von Polen 
entfernt; wir haben eine primäre Verpflichtung gegenüber den 
Staaten wie Polen, gegenüber den Deutschen, die aus der 
DDR jetzt Gott sei Dank zu uns kommen konnten. All diesen 
Verpflichtungen kommt Berlin gerne und mit Nachdruck nach, (C) 
aber Berlin ist nicht in der Lage, sämtliche sozialen und 
wirtschaftlichen Probleme der Welt zu lösen. Ihr Lösungsan 
satz geht völlig in die Irre, macht den Menschen Hoffnungen, 
die niemand erfüllen kann; und zu einer ordentlichen und 
richtigen Politik gehört, das zu tun, was man tun kann, aber 
nicht etwas an die Wand zu malen, was kein Mensch verant 
worten kann. Das bedenken Sie doch bitte einmal, bevor Sie 
eine solche Forderung in die Welt setzen. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Als nächster hat das Wort 
der Abgeordnete Baetge. 
Baetge (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten 
Damen! Meine Herren! Zunächst einmal freue ich mich, daß 
wir hier eine sehr sachliche Debatte führen, die uns sicherlich 
auch weiterbringen wird. 
Und weil wir sachlich miteinander reden, Frau Zieger - Sie 
telefonieren gerade, das macht aber nichts -, habe ich eine 
Frage an Sie: Können Sie mir eigentlich erklären, warum 
Tamilen in die Bundesrepublik Deutschland kommen, wenn 
140 Kilometer von ihrer Insel entfernt rund 40 Millionen 
Tamilen in Indien leben? Warum gehen diese Leute nicht 
zunächst einmal zu ihren Landsleuten, die in Indien wirklich in 
großer Zahl vorhanden sind? 
[Zuruf des Abg. Kunzeimann (AL)] 
-'Herr Kunzelmann, wir reden hier über Sri Lanka. Und ich 
meine, wenn wir sachlich miteinander reden wollen, sollte 
man auch sachliche Antworten geben. Es ist doch wirklich 
völlig unlogisch, daß dieTamilen, die sicherlich verfolgtsind- (D) 
ich habe die Pressemeldungen über die gegenseitigen Mas 
saker in Sri Lanka auch gelesen -, zu uns kommen, wenn vor 
ihrer Haustür ihre eigenen Landsleute in einem Land leben, in 
dem ja wohl eine Demokratie herrscht. 
Hier ist der Innensenator kritisiert worden. Dazu möchte ich 
etwas sehr deutlich sagen. Auch ein Senator hat das Recht 
und die Pflicht, sich über dieses Problem Gedanken zu 
machen. Dabei hat sicherlich auch die Überlegung eine Rolle 
zu spielen, wie weit diese Stadt noch durch den endlosen 
Zustrom von Asylanten belastbar ist. Es spielt auch eine Rolle, 
wie weit wir unseren Bürgern zumuten können, immer mehr 
Asylbewerber in dieser Stadt aufzunehmen. Ich begrüße es, 
daß wir ein vernünftiges Verteilungsverfahren auf die Bundes 
länder bekommen haben. Die Infrastruktur Berlins muß, wenn 
man darüber debattiert, wie dieses Problem gelöst werden 
kann, auch eine Rolle spielen und kann nicht einfach aus der 
Debatte gestrichen werden. 
Ich sage es hier offen, daß ich dagegen bin, daß das 
Grundgesetz geändert wird. Ich bin dafür, daß nach einem 
rechtsstaatlichen Verfahren diejenigen hier Asyl erhalten, 
denen die Gerichte das zubilligen. Dies ist eine Selbstver 
ständlichkeit. Da bin ich mit dem Kollegen Lorenz-was zwar 
selten geschiehl-diesmal einer Meinung, daß wir wegen der 
Verteilung 
[Erstaunter Zuruf des Abg. H.-G. Lorenz (SPD)] 
-Sie haben nichts falsch gemacht, Herr Lorenz, ich finde es 
sehr vernünftig, was Sie gesagt haben. - Verständigung 
herbeifünren müssen, daß aber auch freiwillige Rückkehr 
möglichkeiten gefördert werden sollten. 
Ich finde es auch sehr positiv, daß der Senator für Justiz hier 
erklärt hat, daß er alles tun wird, um die Asylverfahren zu 
verkürzen und zu beschleunigen. Ich meine, daß ein solches 
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