Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
80. Sitzung vom 5. Dezember 1984
Swinne
(A) weltschutzes unterbesetzt ist, sollen externe Firmen beauf
tragt werden, die die Sachkunde haben - wir haben ja einen
großen wissenschaftlichen Apparat in Berlin -, einen Teil der
Prüfaufträge durchzuführen. -
Das Abgeordnetenhaus geht dabei von der Erwartung
aus, daß die gegebenenfalls erforderlichen zusätzlichen
Mittel im Wege des Haushaltsvollzuges oder durch An
satzverstärkung bereitgestellt werden und das Pro
gramm als Zielsetzung bis zum Jahre 1987 abgeschlos
sen sein wird. Der Senat wird ersucht, dem Hauptaus
schuß des Abgeordnetenhauses rechtzeitig zu den Haus
haltsberatungen 1986
- also in rund einem dreiviertel Jahr -
über die getroffenen Maßnahmen zu berichten.
Hier zeigt sich, daß diese Koalition bei einem Problem
gehandelt hat, das seit über 15 Jahren bekannt ist.
Wir diskutieren heute das Problem, daß der Verwaltung aus
unterschiedlichen Gründen die massive Bodenverunreini
gung dieses Geländes der Firma Pintsch durch die am Beginn
der 70er Jahre erfolgte Sanierung des Bodens der BSR-
Müllumladestation in der Gradestraße bekannt war. Wenn
man heute die Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen
Boroffka aus dem Jahre 1978 von Senator Ristock - auch ein
Mitglied der SPD, nicht der CDU, der F.D.P. oder der CSU -
hört, wo Boroffka fragte:
Welche Auflagen wurden den betreffenden Firmen seit
1972 bis heute aufgegeben, die aus der weiter von ihnen
betriebenen Altölaufbereitung zu besorgenden Umwelt
schädigungen auf ein vertretbares Mindestmaß zu be
schränken?
und Herr Ristock diese Frage schlicht mit:
(B) Keine.
beantwortete, und weiter gefragt wurde:
Wurde durch entsprechende Kontrollen sichergestellt,
daß die Auflagen an die Firma Pintsch in vollem Umfang
eingehalten worden sind?
worauf Herr Ristock damals antwortete;
Im übrigen finden regelmäßige Begehungen des Grund
stücks durch Mitarbeiter statt.
dann kann man die Ausführungen von Herrn Dr. Meisner von
der SPD nur als selbstgerecht bezeichnen, als er so tat, als ob
dieser Senat diese Skandale zu verantworten hätte.
[Beifall bei der F.D.P., der CDU
und des Abg. Dr. Köppl (AL)]
Das ist für mich unvorstellbar, diese doppelte Moral von seiten
der SPD.
[Dr. Meisner (SPD): Das habe ich mit
keinem Wort gesagt!]
Ich frage mich: Wo ist hier der politische Anstand?
[Tietz (AL); Wer war denn damals der
Koalitionspartner, Herr Swinne?]
Das Thema „Bodenverunreinigung auf dem Gelände der
Firma Pintsch“ war nicht nur verwaltungsintern, sondern auch
der Öffentlichkeit seit mehr als 15 Jahren bekannt. Weder die
bezirkliche Bauaufsicht, die Gewerbeaufsicht noch die Was
serbehörde haben dagegen etwas massiv unternommen. In
diesen Tagen spielt sich die SPD-Fraktion so auf, als ob dieser
Skandal ein Skandal des heutigen Senats ist! Dieser Senat und
diese Koalition waren es. die erstmalig Haushaltsmittel be
reitstellten, um den verseuchten Boden in den nächsten (C)
Jahren vollständig zu sanieren.
[Dr. Meisner (SPD): Das ist ja Quatsch!]
Ich frage mich in diesem Zusammenhang, ob es überhaupt
sinnvoll ist, auch künftig Altöle der Wiederaufbereitung zuzu
führen. Ist nicht das Risiko bei den Zweitraffinerien zu groß,
daß - bewußt oder unbewußt - durch Panschen Schäden
entstehen oder durch unsachgemäße Verarbeitung auf dem
Betriebsgelände Bodenschäden entstehen?
[Dr. Meisner (SPD): Da gehen Sie aber an Neu
lings wirtschaftliche Existenz heran. Das können
Sie auch nur im Schutz der Immunität!]
Wäre es nicht sinnvoller, Altöle aus Motorenöl und technische
öle, die bei der Metallverarbeitung entstehen, kontrolliert zu
verbrennen? Die Philosophie der Altölaufbereitung stammt ja
ohnehin aus der Kriegszeit, als kein ausreichendes Angebot
von Paraffinölen aus Rohöl bestand. Heute ist dieses Angebot
vorhanden. Meine Anregung geht nun dahin, zu prüfen, ob es
nicht zumindest in Berlin sinnvoller wäre, diese Öle zu
verbrennen, kontrolliert zu verbrennen, um uns für alle Zeiten
diese Problem Panschen und Bodenverseuchung durch Altöle
vom Halse zu schaffen.
[Gelächter bei der SPD -
Dr. Meisner (SPD): Bravo! Das war ein Vorschlag!]
Für diese Überlegung sprechen auch volkswirtschaftliche
Gründe, da genügend saubere Öle direkt von den Erstraffine
rien angeboten werden.
In der Vergangenheit fehlte es an der Kraft der Verwaltung,
erkannte eklatante Mißstände im Bereich der Umweltschädi- (qj
gung, die nachweislich strafwürdig waren, durch die Einlei
tung von Strafverfahren auch zu ahnden. Das braucht nur
einige Male erfolgreich durchgehalten werden. Dann spricht
es sich herum,
[Momper (SPD): Sehr gut!]
und die Betriebe achten schon aus Eigennutz darauf, daß die
Vorschriften und Auflagen nicht lax, sondern konsequent
eingehalten werden.
Herr Dr. Köppl hat in seinem Beitrag für die Alternativen
wiederum gezeigt, daß sie verallgemeinernd einseitig aner
kannte Einzelmißstände zu einer Kritik am System zusam
menfassen. Die Alternativen schüren Ängste, verteufeln den
politischen Gegner, setzen - wie er selbst sagte - auf
Katastrophenmeldungen, insbesondere, wenn es sich um
unsichtbare Gefahren und Gifte handelt. Typisches Verhalten
ist, wie sie die Dioxinangst bei der Berliner Müllverbren
nungsanlage Ruhleben schüren wollten. Obgleich Herr Freu
denthal in der letzten Ausschußsitzung für Stadtentwicklung,
Umweltschutz und Verkehr bei der Frage der Hamburger
Dioxinbelastung im Vergleich zu Berlin treuherzig einräumte,
er habe schon vor der Ausschußsitzung gewußt, daß das eine
der Hamburger Meßergebnisse von den dortigen Behörden
falsch ermittelt worden war, argumentiert die Berliner AL mit
dieser Zahl in der Öffentlichkeit weiter.
[Freudenthal (AL); Ach, Sie sollten mal zuhören!]
Die AL handelt wohl auch hier nach der Parole; Falsche
Zahlen heiligen einen guten Zweck.
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Auch für mich ist die bisherige Nichtinstallierung der
Rauchgaswäsche für die Müllverbrennungsanlage in Ruhle-
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