Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
79. Sitzung vom 22. November 1984
Kunzeimann
(A) reich der Direktion City wird dann in der Zwischenzeit
von dem von Ihnen, Herr Baetge, mitgetragenen Herrn Innen
senator in Frage gestellt. Die Gewerkschaft der Polizei will
das auch nicht, und da Sie sich immer sehr an Polizeilobbys
orientieren, insbesondere den Berufsorganisationen der Po
lizeibeamten, wird selbst dieser zur Hebung des Tourismus
glänzende Einfall, den besten Kontaktbereichsbeamten im
City-Bereich wählen zu lassen, kaum eine Realisierungs
chance haben, was meine Fraktion sehr bedauert, weil wir
dieses Possenspiel auf dem Kurfürstendamm selber gerne
miterlebt hätten. Es gibt schon - damit verrate ich sicherlich
kein Geheimnis - Überlegungen in der Szene, als Kontakt
bereichsbeamte kostümiert am Kudamm entlangzugehen,
um vielleicht den Wettbewerb zu gewinnen, was der Situa
tion als Persiflage des Citybereichsbeamten, der gekenn
zeichnet ist, durchaus adäquat wäre.
Was aber wirklich der Gipfel dieser Anträge ist, die keiner
der Antragsteller ernst nimmt - die F.D.P. hat die Kenn
zeichnung der Polizeibeamten noch nie ernst genommen,
hat nur gemeint, sie wäre es ihren liberalen Wählern, die
eh zur Alternativen Liste übergegangen sind oder über
gehen, schuldig, ab und zu in der Öffentlichkeit verlautbaren
zu lassen: Kennzeichnung von Poiizeibeamten -, der Gipfel
des Ganzen ist nun, daß der Herr Innensenator darauf
besteht, daß mit den Personal Vertretungsorganen diese Frage
noch mal diskutiert wird, wo doch jeder weiß, daß die
Personalvertretungsorgane mit Händen und Füßen gegen
eine Kennzeichnung von Polizeibeamten sind, ob es nun ein
KOB ist oder ob, was unsere Forderung ist, auch in ge
schlossenen Einheiten eine Kennzeichnung gemacht wird.
Wie auch immer, sie sind radikal dagegen, weil selbst
dieser den Tourismus fördernde Wettbewerb ihnen schon zu
weit geht, der GdP und dem PDB, mit der Begründung, es
wäre der Einstieg in die Kennzeichnung der Polizeibeamten,
(B) wie es die Alternative Liste fordert - da überschätzen die Ge
werkschaften im Moment das Kräfteverhältnis, das kann die
Alternative Liste noch nicht durchsetzen. Aber was Sie
indirekt zugeben durch diese Verweigerung jeglicher Kenn
zeichnung, selbst dieser Kennzeichnung, die nur noch als
Posse in die Öffentlichkeit gelangt: Der Hintergrund ist,
daß die Polizeigewerkschatten und der Polizeiapparat ein
fach Angst davor haben, daß Bürger, die von Polizeibeamten
nicht korrekt behandelt worden sind - und da rede ich gar
nicht von Demonstrationen allein, sondern von Verkehrs
delikten und ähnlichen Dingen und Lärmstörungen, wo die
Polizei dann Türen eintritt, wenn sie in die Wohnungen geht
- ruhestörender Lärm zu nächtlicher Stunde, bei Rockmusik
usw, -, daß all die Polizeibeamten, die ausgestattet sind
mit dem obrigkeitsstaatlichen Denken, das ihnen dieser
Innensenator auch bei jeder Gelegenheit als rechtmäßig
einzutrichtern versucht, daß diese Polizeibeamten davor
Angst haben, wenn sie sich nicht rechtmäßig verhalten, auch
identifiziert werden zu können. Das ist der Hintergrund
dieser seit Jahren bestehenden strikten Verweigerung der
Kennzeichnung von Polizeibeamten. Und alles andere, was
hier nun dargestellt wird, mit der Zustimmungsbedürftig
keit durch die Personalvertretungsorgane - Sie wissen ganz
genau, Herr Innensenator, daß in vergleichbaren Fällen
- die Frau Senatorin hat sich entschuldigt für den heutigen
Tag - es ganz andere Möglichkeiten gibt; ich bin nun kein
so exzellenter Kenner der Personalvertretungsmitbestim
mungsparagraphen wie der Kollege Pätzold oder auch das
eine oder andere Mitglied der CDU-Fraktion, ich war nie in
einer Beamtentätigkeit und hatte auch nie eine Senatsver
antwortung und bin deshalb nicht so firm in diesen Dingen,
wie es am Platze sein müßte. Aber man kann es ja auch
einmal zugeben, wenn man auf einem Gebiet nicht soviel
weiß. Man kann in der Tat nicht alles wissen.
Mir ist nur von Leuten, die sachkompetenter sind als ich
selbst, gesagt worden, daß es durchaus in einem derartig
strittigen Fall, wo es die Auffassung des Senats ist, diese
Posse der Kennzeichnung von Kontaktbereichsbeamten im (C)
City-Bereich durchzuführen, auch durchgeführt werden kann,
wenn die Personalvertretungsorgane der Polizei strikt da
gegen sind. Es ist nicht so, daß die Zustimmung der Per
sonalvertretungsorgane zur Kennzeichnung von Polizei-
beamlen vorliegen muß, sondern wenn es keine Einigung
gibt mit diesen Organen, dann können Sie auch auf dem
Wege der Weisung das durchsetzen.
[Hoffmann (SPD): Na, na! Sie sind doch sonst
immer für Basisdemokratie!]
- Ja, äußern Sie sich dazu. Ich will nicht ausschließen,
daß ich nicht ganz richtig liege. - Ich meine nur, Herr
Kollege Hoffmann, wenn der Wille seitens der politischen
Instanzen aufgrund eines Beschlusses dieses Abgeordneten
hauses da wäre, die Kennzeichnung von Polizeibeamten
durchzuführen, dann wäre der Innensenator verpflichtet,
trotz entschiedenen Widerslandes der Personalvertretungs
organe dies durchzusetzen. Es dreht sich darum, ob dieses
Abgeordnetenhaus es will oder nicht, und nicht ausschließ
lich darum, ob die GdP und die Polizeigewerkschaft im
Deutschen Beamtenbund damit einverstanden sind oder
nicht. Also sich immer darauf zu berufen, daß die Betrof
fenen es nicht wollen - natürlich wollen die es nicht, das
ist doch eine Selbstverständlichkeit, daß die das nicht wol
len. Das will ich überhaupt nicht kritisieren. Das ist ihre
Aufgabe als ständische Organisation oder gewerkschaft
liche Organisation. Man hat ja hier den Eindruck, es geht
mehr um ständische Interessen und nicht um gewerkschaft
liche Interessen bei den beiden Polizeigewerkschaften. Die
machen ja auch eine sehr kontinuierliche Politik und reihen
sich ein in das Aufbauen von Feindbildern usw. usf. Sie
verstecken sich hinter diesen Interessenvertretungen, ohne
klipp und klar zu sagen: Es ist endlich an der Zeit, daß alle (ß)
Polizeibeamten in dieser Stadt ihr Namensschild tragen.
Selbst die Alliierten - deren Kritik Sie uns in diesem Haus
immer Vorhalten selbst die US-Soldaten, die Gis haben
ihren Namen an der Uniform. Warum soll das nicht auch
für Polizeibeamte in Berlin gelten? - Wie ich schon in der
letzten Sitzung ausgeführt habe, gab es kurz nach dem Ver
such der bürgerlichen Revolution im Jahr 1848 in dieser
Stadt eine Kennzeichnung von Polizeibeamten. Es muß ein
fach möglich sein, daß Verfahren gegen Polizeibeamte ein
geleitet und durchgeführt werden können - was heutzutage
häufig unmöglich ist, weil derjenige, der Prügel bezogen
hat, oder derjenige, der sich von einem Polizeibeamten
ungerecht behandelt fühlt, nicht mehr die Möglichkeit hat,
den Beamten zu identifizieren. Denn wir wissen alle, daß
nach Demonstrationen eine Gegenüberstellung mit einer
geschlossenen Einheit, mit hundert Beamten erfolgt, und
weil diese bei ihrem Einsatz noch alle ihre Mond-Uniformen
und ihre Helme getragen haben, kann man schließlich kei
nen identifizieren, wenn man von ihm vorher nur den Augen
schlitz und sonst nichts weiter gesehen hat. Deshalb ist es
nötig, und nicht nur bei den geschlossenen Einheiten und
bei Demonstrationseinsätzen, sie zu kennzeichnen - und die
Bürger wollen das auch alle, wenn sie sich ungerecht be
handelt fühlen.
Deshalb erhalten wir unseren Antrag mit der Ergänzung
des SPD-Antrags bezüglich der Ausdehnung der Kennzeich
nung auf alle Beamten des öffentlichen Dienstes - das
finden wir korrekt, um jegliche Diskriminierung der Polizei
beamten auszuklammern - aufrecht. Die Polizeibeamten
können dann auch nicht sagen, daß sie diskriminiert werden
sollen. Deshalb ist diese Ausdehnung der Kennzeichnung
auf alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes durchaus
richtig; meine Fraktion unterstützt diesen Antrag daher auch.
Aber das, was die Regierungskoalition hier als Antrag ein
gebracht hat, spottet jeder Beschreibung und ist — wie ich
anfangs schon sagte - eine sehr viel schlechtere Posse
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