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Volume Nr. 76, 25. Oktober 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
76. Sitzung vom 25. Oktober 1984 
Kollat 
auf die Gründung einer Akademie der Wissenschaften? Ich 
frage weiter-und das steht nicht darin, ich will es aber einmal 
ergänzen: In welcher Form wird die Rolle der Frau in der 
Geschichte Berlins dargestellt? - Das ist eine lange und, ich 
glaube, äußerst wichtige und interessante Geschichte: die 
Rolle der Frau in dieser Stadt. 
[Beifall bei der AL, teilweise bei der SPD] 
Ich frage weiter: Wann erhält der Berliner Kulturrat eine 
Antwort auf sein Drehbuch? Ich gebe zu: Es sind 247 Seiten; 
aber wenn Abgeordnete diese 247 Seiten schon durchgearbei 
tet haben, dann darf man das wohl mit Fug und Recht auch von 
der Verwaltung und damit vom Senat erwarten. 
[Rasch (F.D.P.); Der hat mehr Zeit!] 
-Darüber gibt es keinen Streit, Flerr Rasch. Das sollten Sie aus 
eigener lustvoller oder leidvoller Erfahrung wissen. 
[Rasch (F.D.P.); Ich stimme Ihnen völlig zu. Sie 
haben recht.] 
- Das ist sehr nett von Ihnen. Ich bedanke mich für diese 
Übereinstimmung. 
Meine Damen und Herren! Aber ich muß noch weiter fragen. 
Es heißt hier in dem Antrag, den das Haus 1983, und zwar 
bereits im Mai, beschlossen hat, daß in Darstellungen und 
Publikationen, wissenschaftlichen Veranstaltungen und Doku 
mentationen die Kenntnis der wechselvollen Geschichte un 
serer Stadt vertieft werden soll. Ich frage nur mit einem 
Beispiel: Hat die Historische Kommission im Hinblick auf ihr 
umfangreiches Publikationsprogramm, das sie am 7.12.1983 
erstmalig eingereicht hat, bereits eine Antwort? Wie steht es 
damit?-Wir haben keine Kenntnis und wären dankbar, wenn 
wir hier Aufklärung erhielten. 
Als letzte meiner Fragen für heute, nicht etwa die allerletzte, 
es gibt noch viele: Es heißt in Punkt 11 unseres gemeinsamen 
Antrages: „Zur Vorbereitung soll ein Ausschuß berufen wer 
den, der vom Regierenden Bürgermeister geleitet wird.“ Der 
ist berufen, das weiß ich; aber damit stelle ich die Frage, die 
wird nachher noch diskutiert werden: Wann wird der Beirat, 
von dem hier die Rede ist- und wenn ich mich nicht irre, kam 
der erste Antrag zu einem solchen Beirat von der CDU- 
Fraktion im Jahre 1982; ich glaube, wir könnten jetzt ein 
zweijähriges Jubiläum feiern -, wann wird dieser Beirat zu 
Stuhle kommen? - Sie sehen also, meine Damen und Herren: 
Fragen überFragen. Aber manchmal muß man, damit es keine 
Mißverständnisse gibt, wiederholen. 
Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermei 
ster! Ich sage das jetzt als gebürtiger Berliner, ich sage es an 
den Regierenden Bürgermeister, der ebenfalls ein gebürtiger 
Berliner ist: Uns ist es mit diesem Jubiläum ernst! Uns geht es 
nicht um Wahlkampf, sondern uns geht es um das Jubiläum 
unserer Vaterstadt, uns geht es um das Jubiläum unserer 
Heimat. Deswegen erlauben Sie mir, daß ich an den Schluß 
meiner Ausführungen ein Wort von Tucholsky setze. Es ist in 
diesem Hause schon einmal zitiert worden, Sie wissen aber, 
Wiederholung ist zuweilen das Salz bei Lernprozessen. Tu 
cholsky sagt in einem seiner Aufsätze: „Im Patriotismus 
lassen wir uns von jedem übertreffen. Wir fühlen international, 
ln der Heimatliebe von niemand - nicht einmal von jenen, auf 
deren Namen das Land grundbuchlich eingetragen ist. Unser 
ist es. Deutschland ist ein gespaltenes Land; ein Teil von Ihm 
sind wir. Und in allen Gegensätzen steht unerschütterlich - 
ohne Fahnen, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und 
ohne gezücktes Schwert-die stille Liebe zu unserer Heimat.“ 
[Beifall bei der SPD, teilweise bei ler CDU und 
der F.D.P.] 
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist der Abge 
ordnete Wohlrabe. 
Wohlrabe (CDU); Herr Präsident! Meine sehr geehrten 
Damen und Herren! Ich darf dem Kollegen Kollat danken 
dafür, daß er in weiten Teilen seines Beitrages versucht, die 
Gemeinsamkeit, die uns im Ausschuß für Bundesangelegen 
heiten bisher in vielen Fragen verband, hier deutlich zu 
machen. Ich möchte nicht den Eindruck entstehen lassen, daß 
gerade dieses Thema ein typisches Thema für parteipolitische 
Kontroversen sein könnte. Nur, wenn die Sozialdemokraten 
das partiell auch dachten oder schrieben, dann bitte ich für die 
Durchsetzung der Redlichkeit dieses Anliegens auch beizu 
tragen, indem in den Schriftstücken des Hauses polemische 
Worte wie „Kompetenzwirrwarr“ oder „Programmwirrwarr“ 
oder „Kompetenzgerangel“ in Zukunft entfallen und eine 
sachlichere Ausdrucksweise Platz greift. Ich glaube, das 
würde der Sache sehr zweckdienlich sein. 
Das zweite: Ich möchte dem Regierenden Bürgermeister 
sehr herzlich danken für seine umfassende, ausführliche 
Darstellung der bisher getroffenen Vorbereitungen. Es ist 
unstrittig, daß es dazu verschiedene Auffassungen geben wird 
an der einen oder anderen Stelle. Das ist auch gut so. Er selbst 
hat zu der Begleitdiskussion aufgerufen. Wir, die Fraktionen 
des Hauses, werden in guter Absicht dies aufnehmen und 
dazu unsere Beiträge zu leisten haben. 
Bei der Diskussion über das Konzept und die Vorbereitun 
gen der 750-Jahr-Feier Berlins sollten wir - und das scheint 
sich ja zu einem wesentlichen Grundsatz herauszukristallisie 
ren - einen wichtigen Grundsatz nicht aus dem Auge verlie 
ren: Was 1987 in unserer Stadt sichtbar gemacht und gefeiert 
werden soll, ist nicht nur eine Sache des Senats von Berlin 
oder der Ausstellungs- und Programmacher, dieses Dreivier- 
tel-Jahrtausend-Jubiläum ist auf jeden Fall eine Sache aller 
Berliner, unabhängig davon, wo sie politisch stehen. Und ich 
meine damit nicht nur die West-Berliner, sondern auch unsere 
Mitbürger jenseits der Mauer; ich meine damit ebenso eine 
gute Million Berliner, die heute, eben weil sie anderswo 
arbeiten, nicht mehr zwischen Spree und Havel leben, die wir 
nicht vergessen sollten und die in dieses Jubiläum einzube 
ziehen sind. 
[Beifall bei der CDU] 
Ein großer Teil von ihnen sind ganz wichtige Botschafter für 
uns draußen und fühlen sich auch heute noch mit Berlin und 
dem Schicksal der Stadt eng verbunden - das zeigt allein die 
große Wirksamkeit zum Beispiel des Bundes der Berliner im 
In- und Ausland. Alle jene müssen mit einbezogen werden in 
unsere Gedanken, unsere Vorbereitungen - was werden die 
draußen denken, wenn wir hier kleinkarierte Diskussionen 
betreiben für eine so wichtige Sache? 
[Beifall bei der CDU, teilweise bei der F.D.P.] 
Ich möchte in dem Zusammenhang aber auch die vielen 
tausend ehemaligen Berliner nennen, die 1933 und in den 
Jahren danach aus rassischen und politischen Gründen zur 
Emigration gezwungen wurden oder die als Opfer der schlim 
men Verfolgungszeit überlebten. Über 16000 von ihnen sind 
inzwischen wieder gern als Gäste in ihre alte Heimatstadt 
zurückgekommen, obwohl sie heute in Israel, in den Vereinig 
ten Staaten, in Kanada, in Argentinien, in Australien, in 
Großbritannien leben. Und es ist gut, daß der Regierende 
Bürgermeister gerade wieder vor wenigen Tagen eine Grup 
pe dieser emigrierten Berliner empfangen hat. Sie ebenfalls 
einzubeziehen in unsere Vorbereitungen, sie mit für das 
Anliegen der 750-Jahr-Feier Berlins zu gewinnen, ist für mich 
und für meine Fraktion eine ganz wichtige Aufgabe. 
Wenn wir also über die Vorbereitungen reden, dann sollten 
wir den Begriff des Berlinertums wirklich kosmopolitisch 
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