Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
76. Sitzung vom 25. Oktober 1984
Sen Franke
Nunmehr hat die mit dem konstruktiven Wiederaufbau der
Kongreßhalle beauftragte Firma meine Verwaltung unterrich
tet, daß sich unerwartet deutliche Maßabweichungen des
alten Innendaches von denen in den Bauwerksplänen ausge
wiesenen Höhenlagen herausgestellt haben. Es ist nach dem
bisherigen Kenntnisstand nicht auszuschließen, daß dies auf
die damalige Baudurchführung zurückzuführen ist. Um die
Konsequenzen aus diesen Maßabweichungen auf das Sanie
rungskonzept klarzustellen, ist die Firma beauftragt worden,
technische Untersuchungen durchzuführen. Es muß mögli
cherweise davon ausgegangen werden, daß hieraus Mehrko
sten entstehen werden. Die in einer Zeitung gemeldete Höhe
kann ich hier nicht bestätigen. Der Senat wird unverzüglich
nach Vorliegen gesicherter Erkenntnisse die dafür zuständi
gen Parlamentsausschüsse bzw. das Plenum des Abgeordne
tenhauses unterrichten oder gegebenenfalls neue Entschei
dungen herbeiführen.
Zu 2; Ich habe, wie aus dem Protokoll des Ausschusses für
Bau- und Wohnungswesen vom 8. Februar 1984 ersichtlich,
erklärt, daß die Obergrenze für den gesamten Wiederaufbau
einschließlich der Neueinrichtung der zerstörten Innenteite
nicht mehr als 50 Mio DM betragen werde. Dabei sind ca. 35
Mio DM für Investitionen, also den Wiederaufbau, und 15 Mio
DM für die Bauunterhaltung, also die Instandsetzung der vom
Einsturz nicht betroffenen Bauteile, eingesetzt.
Es besteht keine Veranlassung, aus vom Senator für Bau-
und Wohnungswesen nicht zu verantwortenden möglichen
Folgen von Bauwerksschäden persönliche oder politische
Konsequenzen zu ziehen.
[Wagner (SPD): Na, welche denn nun?]
Stellv. Präsident Longolius: Erste Zusatzfrage - der Frage
steller.
Nagel (SPD): Herr Senator! Ist Ihnen in Erinnerung, daß ja
bereits im Dezember 1983 eine Reihe von Sachverständigen
darauf hingewiesen hat, daß der von der Firma Dyckerhoff &
Widmann vorgelegte Entwurf und Kostenplan nicht zu halten
sein würde?
Sind Sie bereit einzuräumen, daß die damalige Entschei
dung, und zwar Ihre persönliche Entscheidung, dieser Firma
trotzdem den Zuschlag zu geben, aus heutiger Sicht nicht als
sachgerecht bezeichnet werden kann?
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senatorl
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal, es ist nicht
meine persönliche Entscheidung gewesen; in meinem Hause
pflege ich die Entscheidungen zusammen mit meinen Mitar
beitern zu treffen.
[Wachsmuth (AL): Das ist ]a neu!]
Zweitens, ich halte diese Entscheidung nach wie vor für
sachgerecht.
Drittens, es hat eine Reihe von Sachverständigen gegeben,
die das Konzept der Firma Dyckerhoff & Widmann durchaus
für machbar und finanziell richtig gehalten haben.
Stellv. Präsident Longolius: Die nächste Zusatzfrage stellt
der Abgeordnete Freudenthal.
Freudenthal (AL): Herr Senator! Stellt sich nicht angesichts (C)
dieser erheblichen Abweichungen, die Sie gerade genannt
haben, Ihre Planung als offensichtlich verfrüht heraus? Müßte
die Entscheidung nicht grundsätzlich revidiert und auf einen
Wiederaufbau der Kongreßhalle gänzlich verzichtet werden?
[Beifall bei der AL]
Stellv. Präsident Longolius; Herr Senator!
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Erstens ist
die Planung nicht verfrüht. Zweitens gehe ich davon aus, daß
der Senat die Kongreßhalle selbstverständlich wiederauf
bauen wird.
Stellv. Präsident Longolius: Nächste Zusatzfrage - Kollege
Wachsmuth!
Wachsmuth (AL): Herr Franke, wenn ich Sie richtig verstan
den habe, werden in jedem Fall Mehrkosten entstehen, aber
Sie können die Höhe heute noch nicht quantifizieren. - Ist das
richtig?
Wenn das richtig ist, dann frage ich Sie: Wie verbindlich sind
eigentlich überhaupt Zusagen des Senats, zugesagte Verein
barungen einzuhalten?
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator!
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi-
dent! Herr Abgeordneter! Zunächst einmal habe ich erklärt,
daß wir noch Untersuchungen anstellen und daß ich über das
Ergebnis dieser Untersuchungen, wie im Hauptausschuß auch
von allen Fraktionen so akzeptiert, in der II. Lesung berichten
werde. Insofern sehe ich mich nicht in der Lage, heute darüber
Auskünfte zu geben.
Stellv. Präsident Longolius: Nächste Frage - Kollege Jung-
clausl
Jungclaus (SPD): Herr Senator! Ich habe es doch wohl noch
richtig in Erinnerung, daß die Kostenangebote damals alle
erheblich über dem politischen Preis lagen, den die F.D.P.
angesetzt hatte, der nicht überschritten werden durfte, damit
die F.D.P. dem Wiederaufbau der Kongreßhalle überhaupt
zustimmen konnte?
Wie wollen Sie den Eindruck verwischen, daß die Bauvertei
lung damals diese Kostenanschläge auf den politischen Preis
- wie es in Fachkreisen immer heißt - runtergeprüft hat, um
den Wiederaufbau überhaupt beschlußfähig zu machen im
Senat?
Stellv. Präsident Longolius; Herr Senatorl
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Herr Abgeordneter! Da es keinen politischen Preis gibt,
können Sie auch nicht mit Fachleuten darüber gesprochen
haben. Wenn jemand behauptet, ein Fachmann zu sein, und
gleichzeitig von politischen Preisen redet, hat er von diesen
Dingen natürlich keine Ahnung.
[Beifall bei der CDU]
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