Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
76. Sitzung vom 25. Oktober 1984
(A) Präsident Rebsch: Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete
Wachsmuth zu einer Mündlichen Anfrage über
skandalöse Vorgänge im Haus Kari-
Marx-Straße 45/47
Wachsmuth (AL); Ich frage den Senat;
1. Warum hat der Senat im Fall des Hauses Karl-Marx-
Straße 45/47 nicht auf die Einhaltung seiner Modernisierungs
und Instandsetzungsrichtlinien 1982 bestanden, die in Punkt
12 (1) die Anhörung eines beratenden Ausschusses bei
Überschreiten der Instandsetzungskosten von DM 550/m 2 und
die Durchführung einer Mieterversammlung vor der Entschei
dung vorsehen, und wie bewertet der Senat die Vorgänge um
dieses Haus?
2. Welche Bedingungen knüpft die Wohnungsbau-Kreditan
stalt im vorliegenden Fall an die Auszahlung der Förderungs
mittel, um welche Höhe handelt es sich und wie wird die
Verwendung der Gelder kontrolliert?
Präsident Rebsch; Herr Senator Franke bitte!
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Zu 1: Der beratende Aus
schuß gemäß Nr. 12 Abs. 1 der Modernisierungs- und Instand
setzungsrichtlinien 1982 vom 11. Februar 1982 besteht aus
Vertretern des Bezirksamts - Stadtplanungsamt -, des Sena
tors für Bau- und Wohnungswesens und den WBK. Da die
Zustimmung des Bezirksamts zur Instandsetzung der Vorder
häuser, der Seitenflügel und des ersten Quergebäudes vorlag
und die Kosten mit 38200 DM je Wohneinheit die nach Nr. 12
(B) Abs. 1 der Modernisierungs- und Instandsetzungsrichtiinien
genannte Obergrenze von 40000 DM je Wohneinheit nicht
überschreiten, wurde auf eine Anhörung verzichtet.
Um die ausreichende Wahrung der Mieterinteressen si
cherzustellen, wurde die WBK mit Schreiben vom 23. Februar
1984 angewiesen, bei der Prüfung des Antrags auf den
bestehenden Ausstattungsstandard der Wohnungen und die
Zustimmung der Mieter zu den Maßnahmen zu achten. Die
WBK hat jedoch eine entsprechende Bedingung in den
Bewilligungsbescheid vom 18. Mai 1984 nicht aufgenommen.
Am 17. Juni 1984 wurde eine Mieterberalungsgesellschaft mit
der Beratung und Betreuung der Mieter beauftragt. Der Senat
hat die Zustimmung zum Abschluß eines Ordnungsmaßnah
mevertrags in Aussicht gestellt, soweit das Bezirksamt dies
zur Wahrung der Mieterinteressen für erforderlich hält.
Der Senat geht davon aus, daß die WBK in Zukunft stärker
als bisher im Rahmen des Bewilligungsverfahrens die Mieter
interessen berücksichtigt. Er verurteilt die in diesem Fall von
der Vermieterseite gezeigte Vorgehensweise aufs schärfste.
Zu 2: Die WBK hat mit Bewilligungsbescheid vom 18. Mai
1984 folgende Förderungsmittel bewilligt: Für die Modernisie
rungskosten in Höhe von 1,023 Mio DM laufende Zuschüsse in
Höhe von 650135 DM; für die Energieeinsparungsmaßnahmen
von 264740 DM laufende Zuschüsse in Höhe von 81000 DM; für
Instandsetzungskosten in Höhe von 1604250 DM einmalige
Zuschüsse - nämlich 65% - in Höhe von 1042770 DM. Die
WBK zahlt die genannten Zuschüsse nach Vorlage von
Rechnungen über die durchgeführten Maßnahmen auf Antrag
in Teilbeträgen aus. Die Verwendung wird durch Baukontrol
len von der WBK geprüft.
Am 18. September 1984 wurde vom Eigentümer die Auszah
lung eines Teilbetrags der Instandsetzungszuschüsse bean
tragt, dem die WBK am 5. Oktober 1984 zugestimmt hat, und
sie hat den Betrag von 406950 DM am 11. Oktober 1984 zur
Auszahlung gebracht.
Zu diesem Zeitpunkt waren der WBK Klagen über die (C)
Vorgehensweise des Eigentümers den Mietern gegenüber
noch nicht bekannt. Wegen der kritisierten Vorgänge hat die
WBK die weitere Auszahlung von Fördermitteln gestoppt und
macht diese von der Erfüllung der vom Bezirksamt - Amt für
Bau- und Wohnungsaufsicht - geforderten Mängelbeseitigun
gen sowie von einer Stellungnahme des Vermieters zu den
von den Mietern erhobenen Vorwürfen über Wohnungseinbrü
che abhängig.
Präsident Rebsch: Die erste Zusatzfrage - der Fragesteller.
Bitte, Herr Wachsmuth!
Wachsmuth (AL): Herr Franke, können Sie sagen, wie es zu
einer Förderungsbewilligung nach den Modernisierungs- und
Instandsetzungsrichtlinien 1982 gekommen ist, obwohl eigent
lich vom Eigentümer ein LaMod-Regelstandard geplant war
und parallel auch ein LaMod-Antrag gestellt wofden war? -
Bekanntlich sind ja beim LaMod andere Kriterien vorgeschrie
ben als beim Modlnst.
Präsident Rebsch: Bitte sehr, Herr Senator Franke!
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Präsi
dent! Herr Abgeordneter Wachsmuth, das kann ich Ihnen im
Moment nicht beantworten, da die Bearbeitung bei der WBK
gelegen hat; ich bin gerne bereit, Ihnen eine Antwort nachzu
reichen.
Präsident Rebsch: Herr Wachsmuth - eine weitere Zusatz
frage!
Wachsmuth (AL): Ich würde sehr großen Wert auf diese
Antwort legen, möchte trotzdem aber noch einmal nachfra-
gen, ob Ihnen bekannt ist-das ist eine Information, die ich von
Mietern habe -, daß in Abwesenheit der Mieter und ohne
deren Einwilligung in elf Wohnungen dieses Objekts Bauar
beiter eingedrungen sind und in Abwesenheit der Mieter
Baumaßnahmen durchgeführt wurden, daß 16Wohnungen zur
Zeit vom Bezirksamt für unbewohnbar erklärt worden sind und
daß es auch mehrere Unfälle gegeben hat, bei denen Mieter
verletzt wurden; z. B. wurde ein Kind durch einen herabfalien-
den Stein verletzt. Dshalb frage ich Sie, was vorgesehen ist,
um in Zukunft derartige Ereignisse zu verhindern.
Präsident Rebsch: Herr Senator Franke!
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen; Herr Präsi
dent! Herr Abgeordneter Wachsmuth! Zunächst einmal sind
wir heute mittag schriftlich davon informiert worden, daß die
Forderungen, die die Bau- und Wohnungsaufsicht des Be
zirksamts gestellt hat, alle erfüllt sind. Darüber hinaus haben
wir von dem Vermieter eine Stellungnahme eingeholt. In
dieser Stellungnahme bestreitet dieser die Vorwürfe; aber wir
lassen es damit nicht genug sein, weil uns das, was er erklärt
hat, nicht überzeugend erscheint. Wir werden in der Sache
gemeinsam mit dem Bezirksamt noch weiter tätig sein.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - der Abgeordnete
Freudenthal.
Freudenthal (AL): Herr Senator! Welche Kontrollen sind
eigentlich vorgesehen, wenn Privatleute öffentliche Mittel für
solche Baumaßnahmen zur Verfügung gestellt bekommen,
daß sie auch die milder Bereitstellung verbundenen Auflagen
wirklich erfüllen?
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