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Volume Nr. 75, 11. Oktober 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
75. Sitzung vom 11.Oktober 1984 
Dr. Kunze 
(A) [Dr. Neuling (CDU): Qualität spricht für sich! — 
Glocke des Präsidenten!] 
Jedenfalls, denke ich, ist dieser Kabelrat ein Gremium, 
das für die weitere Entwicklung des Rundfunksystems in 
dieser Stadt von enormer Bedeutung ist. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. — 
Zurufe von der CDU; Bravo! — 
Vetter (CDU): Starke Aussage!] 
— Sehen Sie, so kommen wir uns schon sehr viel näher. 
Deswegen will ich, damit Sie die wesentlichen Überle 
gungen aus meiner Sicht auch gleich zu Beginn richtig 
mitbekommen können, den Haupteinwand auf der Ebene 
der Praktizierung dieses Gesetzes hier gleich zu Beginn 
sehr deutlich nennen: Aus den Vorschlägen der nach dem 
Gesetz vorschlagsberechtigten Fraktionen der CDU und 
der SPD ergibt sich eine zur Abstimmung stehende Liste 
von Personen, die ein klares Merkmal aufweist: 
[Zurufe von der CDU: Die sind gut!] 
Dieses Gremium wird parteipolitisch geprägt sein. Diesem 
Gremium gehören ausschließlich aktive Mitglieder von po 
litischen Parteien an. Diese Feststellung dürfte kaum be 
stritten werden, wobei ich über die Aktivität der einzelnen 
Parteimitglieder durchaus mit mir reden lasse. Aber aus 
gewiesene Parteimitglieder mit Verdiensten in ihren je 
weiligen Parteien werden hier vorgeschlagen für die Wahl 
von Mitgliedern zum Kabelrat. Ich halte das für äußerst 
bedauerlich; ich halte es für schädlich, und ich halte es 
für ein wirkliches Versäumnis der vorschlagenden Frak- 
tionen, daß sie nicht die Konsequenz aus der rundfunk- 
' ' und medienpolitischen Gemeinsamkeit, die sich in der 
Bundesrepublik insgesamt bis heute erhalten und ent 
wickelt hat, gezogen haben, nämlich die Konsequenz, daß 
man, soweit es überhaupt geht, parteipolitisch motivierte 
Besetzungen in Rundfunkgremien — welcher Art auch im 
mer — vermeiden soll. 
[Röseler (CDU): Zum Beispiel beim SFB!] 
— Zum Beispiel beim SFB! Ich bin in Übereinstimmung 
mit meiner Fraktion dafür — und die AL-Fraktion hat das 
früher auch schon beantragt —, daß auch in den Rundfunk 
rat nur politisch unabhängige Personen gewählt werden 
sollten. Darauf können wir uns sofort einigen! 
Es ist auch nicht überraschend, daß soeben eine längst 
überfällige und von der CDU immer zu Recht geforderte 
Novellierung des Gesetzes über den Westdeutschen 
Rundfunk von der Landesregierung in Nordrhein-West 
falen eingeleitet worden ist, und zwar mit einem wesent 
lichen Inhalt: Das zentrale Aufsichtsgremium des West 
deutschen Rundfunks wird gründlich anders zusammenge 
setzt. Dieser WDR hatte nämlich das genau gleiche Strick 
muster an Zusammensetzung, das sich hier jetzt heraus 
bildet, fünf oder sieben Leute; die Mehrheitsverhältnisse 
im Landtag haben sich genau und präzise widergespiegelt 
im Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks. Die 
CDU hatte dagegen jahrelang zu Recht opponiert. Jeder, 
der den Rundfunk ernst nahm — und Gott sei Dank in 
zwischen auch die SPD in Nordrhein-Westfalen —, hat ein 
gesehen; Eine so parteipolitisch motivierte Zusammenset 
zung des Verwaltungsrats des Westdeutschen Rundfunks 
ist schädlich für den Rundfunk. 
Dies ist eigentlich ein Stück Gemeinsamkeit über Rund 
funkpolitik, ob privat- oder öffentlich-rechtlich, und ich be 
dauere außerordentlich, daß hier solche Rechte einfach 
locker weggegeben werden. Wieso war es denn den Frak 
tionen, die vorschlagsberechtigt waren, nicht möglich, au 
ßerhalb des Dunstkreises der Parteien unabhängige Per 
sönlichkeiten, womöglich sogar mit Rundfunkbezug, zu 
finden, die die gesetzlichen Aufgaben hätten wahrnehmen 
können? 
[Swinne (F.D.P.): Nennen Sie mal eine!] 
— Na, immerhin hätte die F.D.P. auf die Nachfrage der 
CDU, wenn sie schon einen F.D.P.-Mann vorschlagen woll 
te, Herrn Dahrendorf, den sie ja zuerst im Auge hatte, 
Vorschlägen können. Dann hätte ich zwar gesagt, „auch 
ein Parteipolitiker, aber Respekt!“. Der Vorschlag ist 
nicht gekommen 
[Swinne (F.D.P.): Der will ja gar nicht!] 
und ein anderer auch nicht. Sie hätten ja auch Herrn 
Jaene Vorschlägen können, der versteht wenigstens was 
davon. 
Also, unterm Strich muß festgehalten werden; Ich ver 
stehe nicht, ich verstehe wirklich nicht, ich verstehe auch 
die SPD-Fraktion nicht, auch die CDU-Fraktion nicht, 
wieso sie ihre Vorschlagsrechte 
[Buwitt (CDU): Das ist auch nicht so wichtig, 
daß Sie das verstehen!] 
— Ja, es ist vor allem wichtig, daß Sie mal still sind, Herr 
Buwitt; was halten Sie denn davon? — Ist die CDU- 
Fraktion nicht in der Lage, Persönlichkeiten des öffent 
lichen Lebens in Berlin oder anderswo außerhalb der 
CDU-Mitgliedschaft oder der F.D.P.-Mitgliedschaft zu fin 
den für diese Aufgabe? Der Senator für Kulturelle Ange 
legenheiten hat bei der Vertretung 
[Anhaltende Unruhe — Glocke des 
Präsidenten] 
— Danke schön! Die müssen ja endlich mal still sein, aber 
ich sehe schon, gleich wird die CDU wieder auf ihre 
„Drecksau“-Argumente zurückkommen; ich kenne das, 
aber wenn Sie so sind, dann muß man das mit Fassung 
tragen. — Der Senator für Kulturelle Angelegenheiten hat 
diese Konstruktion des Kabelrates, die abweicht von der 
Rundfunkratskonstruktion, mit dem englischen Beispiel 
begründet. Die Aufsichtsbehörde des englischen kommer 
ziellen Fernsehens — IBA — ist, sagt er, ähnlich konstruiert. 
Ich habe das damals schon bestritten. Es gibt erhebliche 
Unterschiede; es gibt vor allen Dingen einen ganz ge 
wichtigen Unterschied: Niemand in England käme auf 
die Idee, diejenigen, die die Kontrolle, die die Aufsicht 
ausüben über das kommerzielle Fernsehen in Großbritan 
nien, auszuwählen aus dem Kreis von Parteipolitikern. Die 
politische Kultur in England würde einen solchen Gedan 
ken überhaupt nicht sich entwickeln lassen. Dies sind 
selbstverständlich gestandene Leute außerhalb der poli 
tischen Szene. 
[Preuss (CDU): Unter welchen Kriterien haben Sie 
sich denn in den Rundfunkrat wählen lassen, 
Herr Dr, Kunze?] 
Damit sage ich nicht, 
[Anhaltende Unruhe — Glocke des Präsidenten — 
Zuruf: Die Redezeit ist abgelaufen!] 
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