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Volume Nr. 75, 11. Oktober 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
75. Sitzung vom 11.Oktober 1984 
Dr. Dittberner 
(A) Gesamtensemble Scharouns gleich realisiert werden 
konnte. Wir haben zum Beispiel für das Gästehaus — da 
stimme ich Herrn Mahlo zu — sozusagen eine Anfangs 
planung, aber wir haben eine Gesamtplanung für das 
Areal gehabt, das in der Tat aus der Zeit unmittelbar 
nach dem Weltkrieg die Antwort auf eine vorhergehende 
Epoche sein sollte, die Antwort, die danach gestrebt hat, 
eine humanere Gesellschaft auch im Baulichen und 
Städtebaulichen darzustellen. 
Dr. Dittberner (F.D.P); Herr Freudenthal, ich versuche 
gleich zu dem zweiten Teil meines Gedankengangs zu 
kommen. Mein erster Punkt ist nur der: Ich finde es falsch 
und wehre mich dagegen, wenn man sich heute hinstellt 
und die Scharounschen Planungen in irgendeiner Weise 
lächerlich machen will — ich habe Sie nicht damit ge 
meint —: Diese Planungen waren eine demokratische und 
notwendige und, wie ich meine, wirklich humane Antwort 
auf das, was vorher gerade hier bei uns in der Stadt ge 
schehen ist. Nur ist das, was Scharoun seinerzeit geplant 
(B) hat, natürlich auch Ausdruck des damaligen Zeitgeistes 
gewesen. Hier ist es ja schon gesagt worden, diese naive 
und freundliche Einstellung zum Automobil, die ja auf 
grund der Verkehrsplanungen, die damit verbunden 
waren, bei ihm festzustellen ist, diese Einstellung zum 
Automobil und zum Straßenverkehr, auch als ein Ausdruck 
von persönlicher Freiheit, können wir ja heute im Grunde 
nicht mehr teilen. Da hat sich, wenn man so will, der Zeit 
geist gewandelt. Ein anderer Punkt ist der, daß — durch 
wessen Schuld auch immer — durch weiteres Bauen um das 
Kulturforum herum die bauliche Landschaft, die architekto 
nische Landschaft doch verändert worden ist, im wesent 
lichen durch die Gutbrodschen Museen. Deswegen bin ich 
der Auffassung, daß es in der Tat notwendig ist, daß man 
aufgrund dieser Änderungen in unserer Einstellung und 
unserem Wertsystem sowie aufgrund der weiteren Ver 
änderungen der Situation dort am Kulturforum selber in 
baulicher Hinsicht heute natürlich nicht einfach die alten 
Pläne aus der Schublade herausholen und sie realisieren 
kann, sondern man muß aufgrund der heutigen Situation 
neu planen, wenn man dieses Projekt Kulturforum voll 
enden will. Ich bin der Auffassung, irgendwann muß es 
auch einmal vollendet werden. Der Wandel im Zeitgeist, 
wenn man so will, und das weitere Geschehen machen 
eine solche Neuorientierung offensichtlich notwendig. 
berufen, und zusammen mit den anderen genannten stellt 
sich jetzt in der Tat die Frage; Wie kann man das voll 
enden? — Ich finde, da ist das, was als Ergebnis aus der 
Diskussion über den Entwurf von Hollein heute heraus 
gekommen ist, etwas sehr Akzeptables und sehr Disku 
tables, etwas, was in der Tat auch irgendwann einmal rea 
lisiert werden muß. Nach meiner Einschätzung hat es eine 
Menge Diskussionen darüber gegeben in der Stadt, viel 
leicht überschätzen wir auch die Bedeutung unserer 
stadtinternen Diskussionen in ihrer Wirkung nach außen 
hin. Ich habe es nämlich immer wieder feststellen können, 
daß eigentlich schon jenseits des Brandenburger Tores 
Leute mit dieser Diskussion nicht sehr viel anfangen kön 
nen. 
Der Kollege Kollat hat hier Siena erwähnt; er hat ge 
sagt: Schaut mal nach Italien. — Das ist natürlich immer 
richtig, wenn es ums Bauen geht. Da kann man sehen, 
wie man Plätze baut; das muß einen einheitlichen Stil 
haben. Ich habe bei der letzten Diskussion schon darauf 
hingewiesen, daß es einen anderen unbezweifelbar schö 
nen und vollendeten Platz südlich der Alpen gibt; das ist 
die Piazza Navona. Sie zieht ihren Reiz im Grunde gerade 
daraus, daß sie — aus unterschiedlichen Zeitepochen — von 
unterschiedlichen, miteinander konkurrierenden, sich be 
kriegenden Architekten gebaut worden ist. Ich finde, den 
Versuch, auch hier eine solche Verbindung unterschied 
licher Ansätze vorzunehmen, können wir auch machen, 
wenngleich ich ganz sicher bin, wir werden — von der 
Qualität her — so etwas wie die Piazza Navona natürlich 
nicht bekommen. 
Im übrigen ist über dieses ganze Thema hier sozusagen 
philosophisch abgehoben gesprochen worden. Das macht 
ja auch nichts. Es hat mich auch gefreut, daß mein Sena 
tor Vetter die Sprache der Architekten und der Stadtpla 
ner, die ja sehr blumenreich und sehr anmutig ist, die 
auch beim Zuhörer gleich die Bilder entstehen lassen soll, 
die man sich da ausdenkt, zum Teil angenommen hat. Ich 
habe aber auch seiner Rede entnommen, daß wir eine 
Beschlußvorlage bekommen werden. Anhand dieser Vor 
lage werden wir dann weiter über dieses Thema diskutie 
ren. Eines ist sicher richtig: Stadtplanung, gerade auch in 
diesem zentralen Bereich, muß von der Diskussion leben 
und muß, solange eine Änderung möglich ist, immer wie 
der der öffentlichen Diskussion zugänglich gemacht wer 
den. Insofern mag ich gar nicht über die Motive des Ein 
bringens der Großen Anfrage durch Herrn Nagel lange 
nachdenken; ich finde es immer wieder gut, wenn wir uns 
über dieses Thema austauschen. Das konnte man bei 
Herrn Kollat feststellen, bei Herrn Mahlo, es gibt da also 
Ansatzpunkte für eine Diskussion über die Parteien hin 
weg. — Ich danke Ihnen. 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] 
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren! Damit ist 
die Große Anfrage erledigt. 
Präsident Rebsch: Herr Dr. Dittberner, gestatten Sie 
eine Zwischenfrage des Abgeordneten Freudenthal? — 
Bitte sehr, Herr Kollege! 
Freudenthal (AL): Herr Dittberner, stimmen Sie mir 
vielleicht dann zu in der Bewertung, daß es nicht unbe 
dingt ein historisches Anknüpfen ist, wenn man an der 
Stelle, wo eine inhumane Planung stattgefunden hat, 
einen Platz zu schaffen, nun ebenfalls einen Platz hin 
setzen muß, der nun vielleicht menschlicher gestaltet ist, 
oder hätte man an der Stelle nicht auch etwas ganz ande 
res planen können? 
Wir haben am Kulturforum eine Reihe von sehr unter- Iq^, ru { e au f 
schiedlichen baulichen Manifestationen — Mies van der 
Rohes Nationalgalerie, die Stülersche Matthäikirche, 
dann die Scharounschen Bauten — die Philharmonie auf 
jeden Fall. Wir werden sehen, wie das mit dem Kammer- lfd. Nr. 8, Drucksache 9/2094: 
musiksaal aussieht. Die Diskussion darüber ist ja abge 
schlossen; wir waren zum Beispiel der Auffassung, man Große Anfrage der Fraktion der CDU und der Frak- 
sollte es nicht so umfangreich machen, wie es nun getan tion der F.D.P. über Tourismuspolitik in Berlin 
wird, wirtschaftliche Gründe haben im wesentlichen wohl 
dagegen gesprochen. — Wir haben das Musikinstrumen- Hierzu liegt Ihnen zusätzlich zu der Beantwortung Zah- 
tenmuseum und wir haben die Staatsbibliothek. Dies alles lenmaterial des Senators für Wirtschaft und Verkehr vor. 
sind Bauten, die sich mehr oder weniger auf Scharoun Wie ich gehört habe, haben sich die Fraktionen darauf 
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