Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
75. Sitzung vom 11. Oktober 1984
Sen Kunz
(A) daß eine sich nachhaltig verbessernde Einnahme-, Ar-
beits- und Wirtschaftskraft einen Trend von 22% auf
25 % eigener Einnahmefinanzierung durch Steuern er
möglicht.
(Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Über die Bundeshilfe haben sich Bundesregierung und
Senat frühzeitig auf einen Betrag von 11,295 Mrd DM ver
ständigt. Diese Bundeshilfe könnte aus Berliner Sicht
natürlich noch höher sein; sie wächst aber mit 3,4 % er
heblich stärker als der Bundeshaushalt insgesamt mit nur
1,2%. Man muß sich das einmal vorstellen, um auch zu
sehen, welches Verständnis der Bundeskanzler, die Bun
desregierung insgesamt und der Bundesfinanzminister
für Berlin haben. Ich darf von dem letzten Gespräch mit
Herrn Dr. Stoltenberg sagen, daß es sicherlich auch wie
derum ein ringendes Gespräch war und es eine erheb
liche Zeit gedauert hat, daß ich aber wiederum angenehm
berührt war, welche Kenntnis der Bundesfinanzminister
über Entwicklungen in Berlin hat — naturgemäß auch über
solche, die noch nicht zu jenem Grad mittlerer Vollkom
menheit gediehen sind, wie das bei einer Reihe von Be
reichen inzwischen der Fall ist. Aber ich bin froh, in Herrn
Dr. Stoltenberg einen Bundesfinanzminister als Partner
zu haben, der zwar kritisch, aber im Rahmen gediegener
Argumentation außerordentlich stark zu unserer Stadt
steht und sich insbesondere immer neu erkundigt, wie be
stimmte Projekte vorangehen. Ich möchte an dieser Stelle
das Haus bitten, ihm einen persönlichen Dank auszuspre
chen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
jgj Alle diese Verhandlungen waren doch deshalb so schwer,
weil wir eine Fülle von Sachverhalten zum gleichen Zeit
punkt hatten. Wir hatten die Schwierigkeit, die Bundes
hilfe auf das richtige Niveau zu stabilisieren; wir hatten
die Schwierigkeit, die Finanzierung für das Deutsche Zen
trum für Herzchirurgie herbeizuführen; wir hatten die
Schwierigkeit, die Finanzierung der 750-Jahr-Feier vorzu
nehmen; wir hatten die Schwierigkeit mit dem S-Bahn-
Netz — und das alles mit Bundesbeteiligung zu finanzie
ren. Die Zahlen sind bekannt. Ich hätte mir auch manch
mal noch etwas mehr gewünscht; und es wird auch wie
der die eine oder andere Station kommen, wo das eine
oder andere wieder neu erwünscht wird oder dringend
erbeten werden muß, aber wenn das Heutige alles nichts
sein soll, bitte ich, doch einmal zu sehen, wie denn die
Ausgangslage war. Von Selbstverständlichkeiten wie der
rückgängig gemachten Streichung der Fluggastsubventio
nen will ich schon gar nicht mehr reden. Das ist überhaupt
kein erfreuliches Kapitel gewesen.
Im nächsten Jahr müssen in der Berliner Verwaltung
erneut 500 Stellen eingespart oder mit Wegfallvermerken
versehen werden. Die im Jahr 1981 vom Senat beschlos
sene Vorgabe von 3500 Stelleneinsparungen bis 1985 ist
damit — gegen manchen Widerstand — erfüllt. Diese Poli
tik hat nicht unerheblich zur Entlastung des Haushalts
beigetragen und damit zur Schaffung des Handlungsspiel
raums zur Finanzierung der dargestellten politischen
Schwerpunkte der Senatspolitik; sie war zudem unter dem
Aspekt der Aufgabenkritik geboten. Besonders erfreulich
dabei ist, daß die Reduzierung der Stellenpläne nicht etwa
zu einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen beim Arbeit
geber Land Berlin geführt hat — im Gegenteil: Die Zahl
der Beschäftigten Berlins lag zur Jahresmitte 1984 um
1,2 % höher als ein Jahr zuvor. Damit hat der Senat einen
wichtigen, direkten Beitrag zur Entlastung des Arbeits
marktes erbracht, indem er neben seinen tatkräftigen Be
mühungen zur Schaffung von ABM-Plätzen eine Vorreiter
rolle bei der Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen einge- (C)
nommen hat.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Zum Ausgleich des Haushaltsplans schlägt der Senat
eine Netto-Kreditaufnahme von 700 Mio DM vor. Dieser
Betrag entspricht dem Zielwert der Finanzplanung und
unterschreitet den Ansatz für 1984. Ich verschweige aber
nicht, daß eine stärkere Rückführung erstrebenswert ge
wesen wäre. Insbesondere die fortbestehende Notwendig
keit, die investitions- und beschäftigungsorientierten Im
pulse des Haushalts weiterhin zu sichern, hat eine stärkere
Rücknahme jedoch nicht zugelassen. Eine stetige Rückfüh
rung der jährlichen Neuverschuldung bleibt eines der vor
rangigen Ziele der Finanzpolitik, denn nach wie vor stellen
die Ausgaben für den Schuldendienst und für die dem
Wohnungsbau zufließenden Schuldendiensthilfen eine
schwere Hypothek für die Zukunft dar. Diese Ausgaben
zusammengenommen steigen auch 1985 wiederum über
proportional an und erreichen mit 3,4 Mrd DM — das sind
fast 10 Mio DM täglich — eine bedrückende Höhe. Die
Zinslastquote des Haushalts steigt nach der Finanzpla
nung von 10,3 % in diesem Jahr auf 11,1 % im Jahre 1988
an. Durch die zusätzlichen Zinsausgaben wird ein erheb
licher Teil der ohnehin begrenzten Einnahmezuwächse
gebunden. Sie drohen damit den finanziellen Handlungs
spielraum zu verengen.
Gerade dieser Sachverhalt zeigt, daß trotz aller Erfolge
kein Anlaß besteht, von der Politik des Sparens, des
Konsolidierens und Umstrukturierens Abschied zu neh
men. Zu dieser Politik gibt es keine Alternative.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] jqj
Die gerade verabschiedete Finanzplanung orientiert sich
daher gleichfalls an diesen Grundsätzen. Sie muß es tun,
wenn die Finanzpolitik neuen Herausforderungen gewach
sen sein will.
Zu diesen Herausforderungen gehört insbesondere die
Reform der Einkommensteuer. Bereits im letzten Jahr
habe ich an dieser Stelle gesagt, daß die Entlastung der
Lohn- und Einkommensteuerzahler der notwendige näch
ste Schritt — ich erinnere mich noch an die Erwiderung
von Herrn Kollegen Dr. Neuling zu diesem Punkt — in der
Steuerpolitik sein muß. Jetzt wird dies Wirklichkeit. Wie
dringend die Reform ist, wird an folgenden Beispielen
deutlich: Ein lediger Facharbeiter mit einem jährlichen
Bruttolohn von 40 000 DM muß von jeder zusätzlich ver
dienten Mark 40 Pfennig an Steuern entrichten. Die
Sozialabgaben, die sich ebenfalls erhöhen, sind darin
nicht inbegriffen. Bei einem verheirateten Ingenieur mit
einem Kind und einem Jahresarbeitslohn von 60 000 DM
sind es 30 Pfennig, die von jeder verdienten DM an
Steuer bezahlt werden müssen. Hinzu kommen hohe
Sozialabgaben. Die in den vergangenen Jahren ständig
gestiegene Steuerlast der Lohn- und Gehaltsempfänger
muß wenigstens teilweise aufgefangen werden, wenn nicht
die Leistungsbereitschaft dauerhaft Schaden nehmen soll.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Die Bundesregierung hat daher, gestützt auf die bisheri
gen Konsolidierungserfolge, gut daran getan, die in ihrer
Regierungserklärung angekündigte Steuerreform einzulei
ten. Die Steuerreform ist für die öffentlichen Haushalte
allerdings eine ernst zu nehmende Herausforderung, wenn
die Haushaltsgesundung nicht Schaden nehmen soll. Die
Steuermindereinnahmen, die natürlich die Refinanzierung
dieser Steuerreform sind, treffen zu 57,7 % die Haushalte
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