Path:
Volume Nr. 74, 24. September 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
74. Sitzung vom 27. September 1984 
Dr. Sauberzweig (SPD): Herr Kollege Hassemer, sind Sie 
nicht mit mir der Meinung, daß die Diskrepanz zwischen 
Anspruch und Wirklichkeit nicht zuletzt dadurch entstanden 
ist, daß man bei der Designierung des neuen Intendanten ein 
Konzept mit der Überschrift „Nationaltheater“ kreiert hat und 
seitdem kein Wort mehr über inhaltliche Fragen gesprochen 
worden ist? 
[Beifall des Abg, Ulrich (SPD)] 
Es gibt verschiedene Einstiege für Intendanten. Man darf 
nur nicht mit einem solchen Anspruch starten und dann die 
Öffentlichkeit über Monate im unklaren lassen. 
(Beifall bei der SPD) 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Senator! 
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten: Herr 
Kollege Sauberzweig, es ist richtig, daß unter dieser Über 
schrift Überlegungen des Intendanten für die neue Spielzeit 
bekanntwurden. Aber genau an diesem Punkt beginnt ja das, 
was ich versuchte, mit Kampagne zu bezeichnen. Es werden 
in mehreren Schubladen von mehreren neuen Intendanten 
Überlegungen, die ich zum Beispiel auch kenne, in anderen 
Städten zur Zeit für die neue Spielzeit vorbereitet. Man hat 
sich von einer bestimmten Seite her entschieden, bei diesem 
Intendanten diese Teile von Überlegungen in die Öffentlichkeit 
zu zerren und sie polemisch und sehr aggressiv zu behandeln. 
Das ist eine Entscheidung, die nicht wir zu verantworten 
haben, sondern die, die dies getan haben. Das hat natürlich 
die schiefe Lage in der öffentlichen Diskussion gebracht. Ich 
glaube allerdings, das hat nicht Heribert Sasse zu verantwor 
ten. Es wäre nun - auch aus meiner Sicht - falsch, in den 
Versuch einzutreten, diese öffentliche Diskussion wirklich 
über Teile von Überlegungen zu Beginn der Intendanz zu 
führen. Sie würde, weil es nicht der Kern dessen, was 
vorbereitet wird, ist, in die Irre führen. Dies wollen aber die, 
die kritisieren. Ich glaube, daß es Herrn Sasse nicht zu 
verdenken ist, daß er sich bei diesen Irreführungsmaßnahmen 
nicht beteiligt. 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Nächste Zusatzfrage - der 
Abgeordnete Professor Kunze. 
Dr. Kunze (AL): Herr Senator, trifft es zu, daß das Papier von 
Herrn Sasse über ein eventuelles Nationaltheaterkonzept in 
Berlin nicht von irgendwelchen Leuten in die Öffentlichkeit 
gezerrt, sondern von Ihnen im Ausschuß für Kulturelle Angele 
genheiten anläßlich der Beratung dieses Punktes verteilt 
worden ist? Trifft es weiter zu, daß Sie Ihre Entscheidung für 
Herrn Sasse mit dessen Konzeption über das Theatermachen 
an dieser größten deutschen Bühne begründet haben? Und 
trifft es dann zu, daß die Basis für diese auf Konzeptionen 
bezogene Entscheidung dieses Papier über Nationaltheater in 
Berlin war? Letzte Frage — 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek; Herr Kunze, wir sind nun 
wirklich schon großzügig, aber sie gliedern eine Zusatzfrage 
in vier Unterfragen. Das ist wirklich nicht zulässig. 
Dr. Kunze (AL): Sie haben völlig recht. Ich entschuldige 
mich. Gilt das Papier noch oder nicht mehr? 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Sehr gut! - Herr Senator! 
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten: Die 
Antwort ist deswegen eigentlich relativ einfach, weil so gut wie 
nichts, was Sie sagten, zutrifft. Aber die Frage gibt mir die (C) 
Möglichkeit, gerade zu diesem Papier noch einiges zu sagen. 
Die Entscheidung über die Generalintendanz der staatli 
chen Bühnen - dabei bleibe ich, egal wie der Name des 
Generalintendanten ist, für den man sich entscheidet-ist eine 
schwerwiegende, tiefgreifende Entscheidung, nicht nur für 
Berlin, sondern für das deutsche Theater insgesamt. Das habe 
ich damals gesagt und sage es auch jetzt. 
Es ist richtig - und deswegen kann ich Ihnen Ihre erste 
Frage nicht aus der Hand beantworten -, daß meine Politik 
eigentlich ist, daß ich möglichst viel an Information in der 
Hoffnung, damit ein sachliches Gespräch zu beginnen, weiter 
gebe. Und es ist durchaus auch möglich, daß ich mindestens 
den Fraktionen - so ist meine Erinnerung - damals angesichts 
ihres Interesses für den Generalintendanten das Papier 
gegeben habe. Vielleicht auch den Abgeordneten, ich finde, 
das würde mich nur schmücken. 
Was jedoch falsch wäre, ist, wenn Sie sagen würden, daß 
das die Grundlage meiner Entscheidung gewesen wäre. Dazu 
möchte ich Ihnen zwei kleine Informationen geben. Dieses 
Papier wurde - ich weiß nicht, ob Sie damals schon im 
Kulturausschuß waren - 
[Dr. Kunze (AL): Ich bin schon länger da als Sie!] 
- ja damals waren Sie auch in diesem Ausschuß, allerdings 
noch für die F.D.P. - von einem Mann verfaßt, den ich hoch 
anerkenne- er gehört im Augenblick allerdings nicht mehr zur 
Mannschaft von Herrn Sasse -, nämlich von seinem damali 
gen Chefdramaturgen Boeser. Der entscheidende Punkt, der 
mich dazu geführt hat, wenn ich von Herrn Sasse und von 
Konzeptionen in Verbindung mit dieser Entscheidung sprach, 
war, daß ich die Idee von Heribert Sasse, sich nicht nur selbst 
als Generalintendant der Staatlichen Bühnen vorzustellen, 
sondern mit sich Hausregisseure zu verbinden, die in das (D) 
Haus hinein sowohl für die Schauspieler als auch für die 
Kontinuität des Hauses und damit für die Zuschauer arbeiten, 
für wesentlich gehalten habe. Sie stimmte mit meinen eigenen 
Überlegungen überein. Das war zum Thema Konzeption und 
Struktur ein wesentlicher Grund für meine Entscheidung. Und 
die Vorbereitungen von Herrn Sasse laufen exakt in die 
Richtung, mit Personen diesem Modell gerecht zu werden. 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Die nächste Frage kommt 
vom Abgeordneten Dr. Lehmann-Brauns. 
Dr. Lehmann-Brauns (CDU); Herr Senator, wenn es der 
Berliner Öffentlichkeit an sich ziemlich gleichgültig ist, ob der 
Spitzenkandidat einer Berliner Partei sein Personalkonzept 
zwei, drei oder vier Monate vor der Wahl vorstellt oder auch 
nicht, muß das dann nicht erst recht für den Generalintendan 
ten der Staatlichen Bühnen gelten, der erst in einem Jahr 
gefordert ist, 
[Ulrich (SPD): Wir haben doch nicht gefragt, 
das war die F.D.P.!] 
auch angesichts der Tatsache, daß die Politiker sich tunlichst 
aus Kulturangelegenheiten heraushalten sollten, mindestens 
sofern es um Besetzungen und ähnliches geht? 
(Heiterkeit bei der SPD) 
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Senator! 
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten; Herr 
Kollege Lehmann-Brauns, es ehrt die SPD, daß verständnislos 
nur die Mitglieder gelacht haben, die nicht dem Kulturaus 
schuß angehören. Herrn Meisner möchte ich dabei freundli 
cherweise übersehen. 
4499
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.