Path:
Volume Nr. 74, 24. September 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1984/85, 9. Wahlperiode, Band V, 71.-86. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
74. Sitzung vom 27. September 1984 
Momper 
Wäre es nicht besser gewesen - und dieses hat der Senat 
verabsäumt wenn ein paar Beamte aus ihren Stuben 
losgegangen wären und einzelne Arbeitgeber besucht hätten, 
um ihnen die Notwendigkeit und die moralische und menschli 
che Verpflichtung klarzumachen, Schwerbeschädigte einzu 
stellen? 
[Beifall bei der SPD] 
Und dann ist herausgekommen - das hat auch gestern der 
Herr Senatsdirektor in seiner manchmal bemerkenswerten 
Offenheit dargestellt-, daß diese Anzeige 42000 DM gekostet 
hat und auch noch - und das ist so peinlich, daß einem fast die 
Worte fehlen - aus der Schwerbehindertenabgabe bezahlt 
worden ist. Dazu kann ich allerdings nur sagen: Dieser Senat 
möge sich schämen, so etwas noch nicht einmal aus Steuer 
mitteln zu finanzieren, was schon schlimm genug wäre, 
sondern auch noch aus der Schwerbehindertenabgabe. 
[Beifall bei der SPD und des Abg. Petersen 
(fraktionslos)] 
Wenn hier jemand „trockene“ und „sachliche“ Information 
sagt, dann lese ich, was dem Herrn Senator Franke zum 
Lebensinhalt geworden ist. Das ist bemerkenswert. Ich lese 
also, daß es in dieser Stadt keine Wohnungsnot mehr gebe - 
nein, wir haben inzwischen einen Leerstand, weil die Wohnun 
gen inzwischen so teuer sind, daß sich dieses niemand mehr 
leisten kann -, 
[Beifall bei der SPD] 
ich lese also - und das hält der Herr Franke - ich muß sagen, 
auch schlecht beraten - für Wahlwerbung für sich und seine 
Partei, deshalb unterschreibt er das wohl auch -, daß eine 
Wohnung 728,- DM kostet. Das ist ganz schön teuer, deshalb 
haben wir ja auch den Leerstand. 
Ich lese ferner von einem prominenten und - wie ich von 
einem anderen Staatsrechtler in diesem Hause gehört habe - 
bedeutenden Staatsrechtler eine Anzeige, die anscheinend 
eine Illustration zum Anhang des Bundesverfassungsge 
richtsurteils von 1977 ist - natürlich eine beispiellose Schön 
färberei eines Elitesenators-, ich lese also, wie das illustriert 
wird, was eigentlich nach dem Bundesverfassungsgerichtsur 
teil nicht mehr sein soll. Ich muß sagen, daß das auch noch 
schlechte Werbung und Schönfärberei ist. 
Es ist völlig richtig, Herr Kollege Neuling, daß dies auch eine 
Anstands- und nicht nur eine Rechtsfrage ist. Zu der Anstands 
frage möchte ich Ihnen sagen: Schönfärberei, Verschleude 
rung von Steuergeldern, schamlose Ausnutzung des Fehlens 
eines Verfassungsgerichts. Eines prophezeie ich Ihnen, das 
hat die Kampagne, die Sie gegen Willy Brandt 1972 gemacht 
haben, gezeigt: Die Berliner Bürger sind nicht so dumm, als 
daß sie darauf hereinfallen. So wie 1972 die Wahl für Sie unter 
anderem verloren gegangen ist, weil die Anzeigenkampagne 
der CDU und ihrer Hilfskräfte überzogen war, so bin ich 
überzeugt, werden Sie auch die Wahl 1985 verlieren, weil 
solches Klotzen vom Bürger richtig bewertet wird, nämlich als 
Verschleuderung von Steuergeldern. 
[Beifall bei der SPD - Unruhe bei der CDU] 
Stellv. Präsident Longolius: Das Wort zur Geschäftsordnung 
hat der Kollege Dr. Köppl. 
Dr. Köppl (AL); Ja, meine Damen und Herren, heute in der 
Fernsehzeit wird hier hart gekämpft. 
[Heiterkeit bei der AL und der SPD] 
Ich stehe nämlich deswegen hier, weil sich als nächster 
Redner der Regierende Bürgermeister angemeldet hat. Aber 
dies hier ist eine Parlamentsdebatte und keine Senatsrunde! 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Es geht hier nicht an, daß in einem abgekarteten Spiel die 
F.D.P. hier eine Aktuelle Stunde mit dem ganzen Palaver 
vorneweg durchsetzt und dann, bevor alle Fraktionen hier 
sprechen konnten, der Regierende Bürgermeister kraft seines 
Amtes und der Möglichkeiten, die ihm die Geschäftsordnung 
bietet, sich schon wieder meldet und hier sprechen möchte. 
Ich protestiere dagegen und möchte ihn von dieser Stelle 
auffordern, die Parlamentsrunde abzuwarten und sich erst 
dann zu Wort zu melden. 
[Beifall bei der AL und der SPD] 
Stellv. Präsident Longolius: ln der Frage der Rednerreihen 
folge ist die Geschäftsordnung eindeutig. Der §63 Abs. 5 gibt 
hierzu ganz klare Hinweise. Wenn der Regierende Bürgermei 
ster dem Appell des Kollegen Dr. Köppl zu folgen bereit ist, 
werde ich ihn nicht aufrufen. Wenn er dazu nicht bereit ist, hat 
er jetzt das Wort. - Er ist offensichtlich nicht zu folgen bereit. 
[Beifall bei der CDU - Ah-Rufe von der SPD und 
der AL -Kunzeimann (AL): Als ob ein Buwitt- 
Beitrag nicht genug ist! - Glocke des Präsidenten] 
Ich muß darauf hinweisen, daß die Sitzung geordnet fortge 
setzt werden muß. Dies ist keine Gelegenheit, die Geschäfts 
ordnung zu verändern. Es war durchaus möglich, zu ihr zu 
sprechen. Das andere werden wir an anderer Stelle tun, wenn 
entsprechende Anträge eingebracht werden. Vollkommen 
legal und legitim hat nunmehr der Regierende Bürgermeister 
das Wort. 
[Wachsmuth (AL): Legal schon, aber nicht legitim! - 
Zuruf des Abg. Kunzeimann (AL)] 
- Herr Kunzeimann, ich habe es sehr bewußt gesagt, wir 
wollen hier keine Unterschiede konstruieren. Sie haben zur 
Geschäftsordnung gesprochen, das ist völlig richtig. Eine 
Änderung der Geschäftsordnung ist jedoch so nicht möglich. - 
Herr Regierender Bürgermeister! 
Diepgen, Regierender Bürgermeister; Ich glaube, ange 
sichts dieser Debatte und der Art der vorgetragenen Argu 
mente ist es richtig, zunächst einmal eine Grundlage für eine 
sachgemäße Auseinandersetzung zu schaffen. Diese Grund 
lage ist, daß wir gemeinsam Übereinstimmung zumindest 
über das erzielen müßten, worüber geredet wird. Denn ich 
habe den Eindruck, daß jedenfalls so, wie die Auswahl von 
Daten vorgenommen wird, hier keine Übereinstimmung be 
steht. 
Ich habe auch nicht die Absicht, zu den einzelnen Punkten 
der Rede des Herrn Momper Stellung zu nehmen, vor allem zu 
den Fragen, wie vorangegangene Senate das eine oder 
andere gehandhabt haben. Mir fällt allerdings auf, daß hier 
zum Teil aus Mißverständnissen - ich will das, Herr Momper, 
einmal so formulieren -, aus einem Mißverständnis der 
Information, die der Sprecher des Senats gestern im Haupt 
ausschuß gegeben hat, Sie hier in die Debatte Fehlinformatio 
nen eingeführt haben. Wenn beispielsweise die Rede davon 
ist, was im Jahre 1979 gemacht worden ist, dann ist einfach 
festzuhalten, daß kurzfristig vor den Wahlen im März 1979 
15 Anzeigen des damaligen Senats aufgegeben worden sind. 
[Landowsky (CDU): Unerhört!] 
Ich möchte mich aber gar nicht damit auseinandersetzen, 
diese 15 Anzeigen sozusagen als eine Berechtigung für das 
(C) 
(D) 
4481
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.