Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
74. Sitzung vom 27. September 1984
RBm Diepgen
Es gehört zur Informationsarbeit und zur Informationspflicht
des Senats,
[Kunzeimann (AL): Sie informieren den Bürger
doch überhaupt nicht über seine Rechte, wie zum
Beispiel beim Schießplatz Gatow!]
die Bürger über ihre Rechte aufzuklären oder ihnen die Wege
aufzuzeigen, wie sie sich im Detail über ihre Rechte informie
ren können.
[Beifall bei der CDU - Kunzeimann (AL): Das machen
Sie doch überhaupt nicht! - Weitere Zurufe der AL -
Glocke des Präsidenten]
- Angesichts dieser Aufregung möchte ich noch darauf
hinweisen, daß ein positives Erscheinungsbild Berlins auch
bei den Berlinern selbst eine wesentliche Hilfe -
[Weitere Zurufe von der AL]
Präsident Rebsch; Meine Kollegen von der AL, ich bitte um
mehr Ruhe.
Diepgen, Regierender Bürgermeister: - eine wesentliche
Hilfe bei der Bewältigung der Aufgaben in der Stadt und für die
Stadt ist. Im übrigen, meine Damen und Herren, gehe ich
davon aus, daß auch frühere Senate dies so gehandhabt und
sich im Regelfall - wenn man einmal von den Fristen absieht,
die damals nicht eingehalten worden sind - ebenso verhalten
haben.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren! Wenn sich
auch die Frau Kollegin Saß-Viehweger bereits zu einer
Zusatzfrage gemeldet hat, so liegen inzwischen jedoch drei
Wortmeldungen zur Geschäftsordnung vor - in der Reihenfol
ge: Rasch, Schneider, Frau Schulz-, und Geschäftsordnungs
meldungen gehen auch einer bevorzugten Fragemöglichkeit
vor. - Als erster, bitte, Herr Rasch, bis zu fünf Minuten!
Rasch (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Erregung bzw. die Zustimmung des Plenums zu der
Antwort des Regierenden Bürgermeisters hat gezeigt, daß es
sinnvoll ist - und das ich auch die Überzeugung meiner
Fraktion -, sich mit diesem Fragenkomplex, der auch noch in
einer zweiten Mündlichen Anfrage auf der Tagesordnung
steht, intensiver zu beschäftigen, zumal wir selbst ursprüng
lich vorhatten, dieses Thema in einer Aktuellen Stunde zu
behandeln.
Ich glaube schon, daß es für die Öffentlichkeit von großem
Interesse ist, daß die ganze Bandbreite dieser Frage in einer
Aktuellen Stunde debattiert wird, und zwar sowohl die jetzige
Praxis des Senats, wie er den Bürger über Anzeigen und
Broschüren informiert, als auch wie das in der Vergangenheit
praktiziert worden ist, damit nicht der Eindruck entsteht - so
meint das meine Fraktion -, als würde hier unrechtmäßig,
verfassungswidrig, unmoralisch oder sonstwie von seiten des
Senats mit Steuermitteln eine ganz bestimmte Werbekampag
ne und keine Informationsarbeit betrieben. Ich meine, es ist
eine wichtige Aufgabe des Parlaments, darüber zu diskutie
ren. Wir haben ja beschlossen, den Versuch zu unternehmen,
aus einer Fragestunde heraus derartige Themen, wenn sie
aktuell sind - und das kann ja keiner leugnen nach dem
Vorspann, wie die beantragten Aktuellen Stunden begründet
worden sind -, hier auch aktuell zu diskutieren.
[Wachsmuth (AL): Sehr gut! Endlich mal! - und
Beifall bei der AI]
- Ich freue mich über den Beifall der AL. - Ich möchte deshalb (C)
Vorschlägen und beantragen, daß wir aus der Fragestunde
heraus eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Informationspra
xis und -pflicht des Senats“ durchführen. Ich möchte gleichzei
tig anregen und beantragen, daß die Empfehlung, die der
Hauptausschuß am 26. September - also gestern - zu diesem
Thema beschlossen hat und die heute als dringlicher Punkt
ebenfalls auf der Tagesordnung steht, in diese Aktuelle
Stunde gleich mit einbezogen wird. Dann können wir uns
einmal ganz offen, klar und deutlich über die ganze Palette der
Informationspflicht des Senats und seine Praxis unterhalten.
Schließlich sind über 9 Mio DM im Haushaltsplan von uns
mehrheitlich bewilligt worden; das Presse- und Informations
amt und die einzelnen Fachverwaltungen haben in ihren
Haushalten ebenfalls Titel für die Informations- und Dokumen
tationsarbeit. Das hat das Parlament beschlossen, damit
können Broschüren und auch Anzeigen finanziert werden;
und wir sollten das hier im Parlament in aller Offenheit einmal
erörtern. Ich glaube, das sind wir nicht nur uns selbst, sondern
auch der Öffentlichkeit schuldig. Ich wäre dankbar, wenn Sie
meinem Antrag zustimmten.
[Beifall bei der F.D.P., der SPD und der AL -
Longolius (SPD): Das habt ihr ja schön ausgeheckt!]
Präsident Rebsch: Als nächster hat der Kollege Schneider
das Wort.
Schneider (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Hinsichtlich seines Antrags stimmen wir
dem Kollegen Rasch zu.
[Beifall bei der F.D.P. und teilweise bei der CDU]
Wir schätzen, daß es der F.D.P. wirklich schon verdammt (qj
dreckig gehen muß, wenn ihr jetzt offenbar das von der CDU
zugestanden wird, was allen anderen Fraktionen bisher
sechsmal abgelehnt worden ist.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Im übrigen hat nach Auffassung meiner Fraktion die erste
Runde dieser Fragestunde bereits gezeigt, daß ein abgesprö-
chenes Frage- und Antwortspiel zwischen Regierungsfraktion
und Senat diesem Thema nicht gerecht wird.
[Beifall bei der SPD]
Deshalb wollen auch wir eine Aktuelle Stunde, und zwar eine
Aktuelle Stunde, in der es jetzt angesichts einer ausstehenden
Gerichtsentscheidung nicht um einen akademischen Streit
geht, was nach einer - übrigens sehr eindeutigen und stetigen
- Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtens
ist, sondern eine Aktuelle Stunde, in der wir zum Kernpunkt
der Sache kommen, nämlich der Verschleuderung von Steuer
geldern durch diesen CDU-Senat,
[Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU]
und zwar einer Verschleuderung zu einer Zeit, in der den
Schülern BAföG weggenommen wird, in der Behinderte zur
Kasse gebeten werden, in der Arbeitslosen die Hilfe gekürzt
wird
[Beifall bei der SPD - Widerspruch von der CDU]
und in der im übrigen permanente Stellenstreichungen im
Betreuungsbereich vorgenommen werden.
Präsident Rebsch: Herr Kollege Schneider, es geht jetzt nur
um die Begründung des Antrags; andere Begründungen
können Sie nachher bringen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P. - Unruhe bei
der SPD und der AL)]
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