Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
73. Sitzung vom 13. September 1984
(A) Kittner (CDU): Herr Senator, ist Ihnen bekannt, ob sich Herr
Apel zu den Ergebnissen der Pressekonferenz schon geäußert
hat?
[Gelächter bei der SPD]
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator Fink!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie: Das ist
mir nicht bekannt.
Stellv. Präsident Longolius: Zur nächsten Frage - Herr
Kollege Schicks!
Schicks (CDU): Herr Senator Fink, es ist ja so, daß in den
Gegenden Berlins, in denen sehr viele Türken wohnen, auch
sehr viele türkische Geschäfte vorhanden sind. Ist - und dahin
geht meine Frage - an Sie beziehungsweise an die Ausländer
beauftragte etwa, wie es mir gegenüber Gott sei Dank nur ver
einzelt geschehen ist, auch die Haltung herangetragen worden,
möglicherweise einen solchen ausgesprochenen Boykott auch
dann gegenseitig zu vollziehen? Und wird nicht dadurch ganz
eklatant klar, wie schädigend eine solche Boykottäußerung von
seiten der SPD ist?
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator Fink!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie: Herr
Abgeordneter Schicks, ich habe die Haltung des Senats bereits
dargestellt Sie besteht darin, daß solche Erwägungen in keiner
Weise sowohl der Situation angemessen als auch für das
gegenseitige Zusammenleben fruchtbar sind.
[Beifall bei der CDU]
^ Stellv. Präsident Longolius: Zur dritten Zusatzfrage - Herr
Kollege Kittner!
Kittner (CDU): Herr Senator, ist Ihnen bekannt, ob sich Herr
Apel überhaupt schon einmal zur Berliner Ausländerpolitik
grundsätzlich geäußert hat?
[Gelächter bei der SPD]
Stellv. Präsident Longolius; Herr Senator Fink!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie: Herr
Abgeordneter Kittner, auch dies ist mir nicht bekannt!
[Momper (SPD): Sie wissen aber auch gar nichts!]
Stellv. Präsident Longolius: Zur nächsten Zusatzfrage -
Herr Kollege Momper!
Momper (SPD): Herr Senator Fink, können Sie oder die Aus
länderbeauftragte bestätigen, daß in Kreisen der türkischen
Bürger in der Stadt eine gewisse Aufregung und auch Verun
sicherung über die rechtsradikalen Äußerungen des Herrn
Lummer herrschen?
[Gelächter bei der CDU]
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator Fink!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie: Herr
Abgeordneter Momper, Ihre Ausdrucksweise wird schon in
einem hohen Maß von Toleranz von seiten des Senats und der
Mitglieder des Abgeordnetenhauses angenommen. Ich weise
hier aber mit allem Nachdruck zurück, daß Sie ein Mitglied des
Senats rechtsradikaler Äußerungen bezichtigen!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Zur nächsten Zusatzfrage -
Herr Kollege Hoffmann!
Hoff mann (SPD): Wie beurteilt der Senat den Vorschlag des
Innensenators, die Zuheirat nach Deutschland zu unterbinden,
auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten?
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator Fink!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie: Herr
Abgeordneter, der Senat hatte bereits mehrfach Gelegenheit,
zu verdeutlichen, daß es dringend darauf ankommt, dem unge
bremsten Zustrom ausländischer Bürger nach Berlin ein Stopp
signal entgegenzusetzen. Sie wissen, daß seit 1973, dem Zeit
punkt des Anwerbestopps, über das Instrument des Familien
nachzugs und Asylbegehrens die Zahl der bei uns lebenden
Ausländer von etwa 180 000 auf 245 000 angewachsen ist und
daß es entschieden darauf ankommt, den humanitären Aspekt,
der einerseits beabsichtigt ist, mit dem Gesichtspunkt zu ver
knüpfen, daß es nur dann gelingen kann, die Ausländer zu inte
grieren, wenn ihre Zahl nicht mehr so ungebremst wie in der
Vergangenheit wächst Gott sei Dank konnten wir Erfolge auf
diesem Gebiet vorweisen. Die Zahl der bei uns lebenden Aus
länder ist in den letzten zwei Jahren sogar leicht gesunken.
Was nun das Instrument der Zuheirat angeht, so hat sich der
Senat von Berlin bei der Ausländerkommission der Bundesre
gierung eindeutig dazu geäußert. Der Senat von Berlin vertritt
die Auffassung, daß das heutige Instrument der Zuheirat über
dacht und verändert werden muß. Denn wenn Sie sich bei
spielsweise einmal die Zahl der unverheiratet bei uns lebenden
Ausländer, die über 18 Jahre alt sind, anschauen und unterstel
len, daß nach den heutigen rechtlichen Möglichkeiten doch ein
erheblicher Prozentsatz die Möglichkeit hätte, durch Heirat
einen entsprechenden Nachzug zu bewirken, so kommen Sie
auf einige Zehntausend, und das kann nicht im Interesse einer
Integration der bei uns lebenden Ausländer liegen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Die letzte Zusatzfrage kommt
vom Kollegen Landowsky.
[Kunzeimann (AL): Herr Schürmann, das passiert zum
zweiten Mal, genau wie in der 69. Sitzung;
Frau Zieger hat sich genauso rechtzeitig gemeldet
wie alle anderen!]
- Herr Kunzeimann, wir bemühen uns hier oben, wirklich so fair
wie möglich die Meldungen entgegenzunehmen. Bei gleichzei
tigen Wortmeldungen ist das manchmal etwas schwierig.
[Wachsmuth (AL): Dann nehmen Sie doch wenigstens
mal einen von einer anderen Fraktion!]
- Ja, das ist natürlich ein bißchen schwierig. Dann kann man
natürlich sagen, wir schaffen auch hier ein Mindestdeputat pro
Fraktion. Das ist aber nicht Sinn der Zusatzfragen bei der Frage
stunde.
Zur letzten Zusatzfrage - Herr Kollege Landowsky!
[Landowsky (CDU): Ich möchte auf meine Zusatzfrage
zugunsten der Frau Kollegin Zieger verzichten! -
Beifall bei der SPD]
- Also zur letzten Zusatzfrage - Frau Kollegin Zieger!]
Frau Zieger (AL): Das war sehr anständig von Ihnen.
Herr Senator Fink, da der Regierende Bürgermeister heute
nicht da ist und Sie ihn vertreten, möchte ich Sie auf seine
Äußerung in der Regierungserklärung ansprechen, in der er zu
den Ausländern und insbesondere zu den 120 000 Türken in
dieser Stadt sagte: Er sichert seinen Schutz zu, und sie sind
mitten unter uns. - Meinen Sie, daß dieserTenor mit den Äuße
rungen des Innensenators Lummer zu vereinbaren ist, der ge
nerell sagt Zuheirat verboten, Ausländerzahl begrenzen, Zu-
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