Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
84. Sitzung vom 31. Januar 1985
Dr. Köppl
Das Berliner Abgeordnetenhaus bekräftigt das seit 1982
bestehende Einvernehmen, die Auswirkungen der Reform
des Berlinförderungsgesetzes zunächst in Ruhe abzu
warten.
- Eine große Oppositionsfraktion in diesem Haus bescheinigt
also diesem Senat, daß man erst einmal alles in Ruhe abwarten
kann, daß alles so weitergehen kann wie bisher, daß offensicht
lich alles wunderbar läuft, daß es offensichtlich, so, wie die Wirt
schaftspolitik mit einem zentralen Instrument der Wirtschafts
politik und der Wirtschaftsförderung hier gemacht wird, alles so
seine Ordnung hat Ich finde - und das muß ich Ihnen von der
SPD-Fraktion sagen -, schon dieser Antrag ist eine Verabschie
dung als Oppositionspartei, es ist der Übergang zu einem Mo
dell der großen Tolerierung, wie es Ihr Spitzenkandidat ja auch
im wesentlichen ausgedrückt hat. Die Wirtschaftspolitik ist da
bei ein Zentrum dieser vorbereiteten großen Tolerierung.
[Pälzold (SPD): Sie haben keine Ahnung
von den Dingen!]
Der Hintergrund dieses Antrages ist, daß das Land Bremen
eine Initiative im Bundesrat ergriffen und sehr vorsichtig ange
mahnt hat, und zwar mit klassischen Argumenten, die gewerk
schaftlich abgestützt worden sind, daß nach seiner Meinung
wegen des Berlinförderungsgesetzes aus anderen Ländern,
insbesondere aus Bremen und Hamburg, Betriebsverlagerun
gen nach Berlin erfolgen. Das Land Bremen fordert, daß das
Berlinförderungsgesetz überprüft und novelliert werden muß,
daß seine Anwendung nicht zu Lasten anderer Länder geht -
eine klassische gewerkschaftliche Position, eine klassische
Position der Solidarität der Arbeitnehmer in den verschiedenen
Ländern und der Abkehr von dem Prinzip des Regionalegois
mus und der Konkurrenz der Regionen untereinander und dem
Abwerben von Arbeitsplätzen. Dem wird aus einer betriebsblin
den Auffassung in Berlin nicht nachgekommen; die AL-Fraktion
ist die einzige Fraktion, die solche Argumente ernst nimmt, die
die Solidarität der Arbeitnehmer zwischen den Ländern und
untereinander höher achtet als die Kirchturmpolitik-Sichtweise,
alles nach Berlin zu ziehen, und wenn es auch Arbeitsplätze
sind, die in den Regionen in Westdeutschland in wesentlich
höherem Maße abgebaut werden und dann, gefördert durch die
Subventionsmechanismen des Berlinförderungsgesetzes, in
einer hochtechnologischen Produktion mit geringen Arbeits
plätzen in Berlin wieder aufgebaut werden, wie zum Beispiel in
der Zigarettenindustrie, aber auch in anderen Industrien. Das
kritisieren wir. Es ist und bleibt eine Schande, daß die soge
nannte Arbeitnehmerpartei hier in diesem Hause diesem
Grundsatz nicht folgt, sondern zusammen mit der Regierungs
fraktion beschließt, es muß alles ruhig bleiben, es kann alles so
weitergehen. Wie heißt der schöne Satz noch mal? Zu
nächst muß alles in Ruhe abgewartet werden! Das ist der Ab
schied der Oppositionspartei SPD in der Wirtschaftspolitik hier
in diesem Hause.
[Beifall bei der AL - Buwitt (CDU):
Ich frage mich wirklich, warum das alles
in den Fachausschüssen beraten wird, denn danach
müßten Sie wirklich mehr davon verstehen!]
Präsident Rebsch: Dann lasse ich zunächst über den An
trag Drucksache 9/2345 abstimmen. Wer dem Antrag der
Fraktionen der CDU, der SPD und der F.D.P. im Wortlaut der
Beschlußempfehlung, Drucksache 9/2352, seine Zustimmung
zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich
danke sehr! Die Gegenprobe! - Bei einigen Gegenstimmen so
beschlossen.
Dann stimmen wir über den Antrag Drucksache 9/1660 ab.
Wer diesem Antrag der Fraktion der SPD unter Berücksichti
gung der Beschlußempfehlung, Drucksache 9/2368, seine Zu
stimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzei
chen. - Danke sehrl Die Gegenprobe! - So beschlossen.
Lfd. Nr. 21, Drucksache 9/2354:
Beschlußempfehlung gemäß § 21 Abs. 5 Satz 5
GO Abghs des Ausschusses für Stadtentwicktung,
Umweltschutz und Verkehr vom 17. Dezember (C)
1984 über Grün- und Verkehrsmaßnahmen im Zen
tralen Bereich
Bitte, Herr Freudenthal!
Freudenthal (AL): Thema dieses Antrags war ursprünglich
ein Antragspaket der Alternativen Liste zu Grün- und Verkehrs
maßnahmen im Zentralen Bereich. Dieses Antragspaket sah zu
nächst einmal im wesentlichen vor, daß die begonnene Arbeit
im Zentralen Bereich, die von Senator Hassemer einmal einge
leitet worden ist, in dem Verfahren, wie er es versprochen hatte,
nämlich in einem offenen Planungsverfahren, auch tatsächlich
fortgesetzt wird. Und es sah weiter vor —
[Zuruf]
- Herr Vetter, Sie regen sich schon wieder auf, aber Sie werden
das noch weiterhin hören von dem offenen Planungsverfahren,
denn wir werden das in die nächste Legislaturperiode hineintra
gen, und wir werden Sie immer wieder daran erinnern. - Ach,
Sie werden wir ja nicht mehr daran erinnern, aber den Herrn
Hassemer, den werden wir immer wieder daran erinnern, falls er
noch da sein sollte, und er wird noch oft hören, was er da ange
richtet hat.
[Rasch (F.D.P.): Sie sind doch gar nicht mehr dal]
- Das spielt doch keine Rolle, wir haben trotz Rotation Kontinui
tät Insofern werden wir Ihnen das noch öfter Vorhalten.
Dieses offene Planungsverfahren wurde mit einem Gut
achten begonnen, das den gesamten Bereich etwa vom Nord
hafen bis zu den Yorckbrücken im Süden und von etwa der Sie
gessäule bis zum Brandenburger Tor umfaßte. Dieses Gebiet
ist dann auch unter dem Begriff „grüne Mitte“ bekannt gewor
den, wobei offenbar die Regierungsfraktionen damit aus
schließlich den Tiergarten gemeint haben, während von uns
weit mehr unter diesem Begriff verstanden wurde. Der Begriff (D)
„grüne Mitte“ ist übrigens von der Bürgerinitiative gegen die
Westtangente geprägt worden. Diese hat im Zusammenhang
mit dem Grüntangenten-Konzept vorgeschlagen, dieses Gebiet
neu zu gestalten und die Grünflächen dort entsprechend zu
sichern. Dieses Konzept haben wir uns im wesentlichen zu
eigen gemacht und in Form von Anträgen hier eingebracht Es
sieht eine südliche Tiergarten-Erweiterung vor.
[Erhebliche Unruhe - Zurufe von der CDU]
- Das müssen Sie sich schon anhören, und ich muß auch nicht
schneller reden. Ich habe noch Zeit Wir haben ja eine Teilung
der Sitzung beantragt, um ausführlich beraten zu können, doch
unser Antrag ist abgelehnt worden.
[Pätzold (SPD): Sehr kollegial! - Weitere Zurufe]
Ihre Unruhe ist mir völlig unverständlich.
[Glocke des Präsidenten - Zurufe]
Im wesentlichen sieht das Konzept die Süderweilerung auf
das Gebiet des ehemaligen Diplomaten-Viertels und eine Nord
erweiterung im Zuge der ehemaligen Bahnanlagen vor. Weiter
hin sieht es eine Verbindung über den ehemaligen Potsdamer
Personenbahnhof bis hinein in das Südgelände in Schöneberg
vor. Diese ganze Grünverbindung würde es gestatten, daß die
Bevölkerung, die in den innerstädtischen Bezirken wohnt, dort
ein Erholungsgebiet vorfindet, das dringend benötigt wird und
außerdem die bisherige Übernutzung des Tiergartens deutlich
abbauen würde und dafür die Erholungsmöglichkeiten wesent
lich erweitert, so daß eine deutliche Verbesserung des Grünan
gebots erreicht würde. Das alles hat die Mehrheit im Ausschuß
praktisch zu einer Vorlage des Gutachtens in der Öffentlichkeit
zusammengefaßt, denn mehr steht im Grunde in dieser Be
schlußempfehlung nicht drin. Der Senat soll praktisch über das
Echo irgendwann berichten. Das ist für Sie alles, was Sie zu
diesem Thema zu sagen haben! Das wundert mich auch nicht.
In diesem sehr umfangreichen Programm, das die CDU verab
schiedet hat, kommt zum Beispiel die „grüne Mitte“ im Zentral
bereich überhaupt nicht vor. Darüber wird überhaupt nichts ge-
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