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Volume Nr. 55, 8. Dezember 1983

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1983/84, 9. Wahlperiode, Band IV, 54.-70. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
55. Sitzung vom 8. Dezember 1983 
Präsident Rebsch 
(A) Ich eröffne die 
allgemeine Beratung 
und die Beratung des 
Einzelplans 03 - Regierender 
Bürgermeister 
und des 
Einzelplans 33 - Bezirksbürgermeister 
hierzu; 
1. Betragliche Änderungen des Hauptausschus 
ses nach Drucksache 9/1451 
2. Änderungen des Hauptausschusses zum Stel 
lenplan nach Drucksache 9/1451 
3. Sachbeschluß des Hauptausschusses nach 
Drucksache 9/1450, Nr.4 
4. Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Nr. 1 
Kapitel 
Bezeichnung 
bisher 
hinzu treten 
neu 
Titel 
DM 
DM 
DM 
03 00 
Senatskanzlei 
422 01 
Bezüge der plan 
mäßigen Beamten 
4146 000 
283 020 
4 429 020 
42501 
Vergütungen der 
planmäßigen 
Angestellten 
6 061 000 
159080 
6 220 080 
Ich eröffne die Beratung. Für die Fraktion der SPD hat das 
Wort der Abgeordnete Ulrich. 
Ulrich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Damit von vornherein Mißverständnisse ausgeschlossen wer 
den, beginne ich meine Rede mit einem Glückwunsch an den 
Herrn Regierenden Bürgermeister für sein zukünftiges Amt als 
Präsident der Bundesrepublik Deutschland, als unser aller Re 
präsentant im Inland und im Ausland. 
[Beifall] 
Ich gratuliere ihm namens meiner Fraktion zur Nominierung. 
[Dr. Köppl (AL): Aber ... - Heiterkeit 
bei der AL, bei der SPD, bei der CDU 
und beim Regierenden Bürgermeister] 
Allerdings muß ich - und damit wende ich mich nicht nur an 
den Regierenden Bürgermeister, sondern auch an den Bundes 
vorsitzenden der CDU, dem Herrn Bundeskanzler - bedauern, 
daß die Art und Weise, daß die Umstände, die zu der Nominie 
rung Richard von Weizsäckers zum Kandidaten für das Amt des 
Bundespräsidenten führten, unserer Stadt Schaden zugefügt 
haben. 
[Beifall bei der SPD] 
Seit dem Sommer dieses Jahres hat Berlin einen Regieren 
den Bürgermeister auf Abruf, der mehr nach Bonn geblickt, als 
daß er in Berlin regiert hat. Der Mann, der Berlin einmal als 
seine „Lebensaufgabe mit Fleisch und Blut“ bezeichnet hat, hat 
innerlich bereits seit langem von unserer Stadt und ihren drän 
genden Problemen Abschied genommen. Richard von Weiz 
säcker hat den Berlinern in den Wahlkämpfen von 1979 und 
1981 immer wieder das Versprechen gegeben, daß er unsere 
Stadt als seine Lebensaufgabe betrachten wird und daß er sich 
mit seiner ganzen Kraft für Berlin einsetzen wolle. Ich glaube 
ihm, daß er dieses Streben gehabt hat und daß er es in den Au 
genblicken, in denen er sich mit solchen Worten an unsere 
Stadt wandte, auch ernst gemeint hat. Ich sehe aber auch, daß 
er mindestens seit dem Sommer nicht nur einen Teil seiner 
Kraft, sondern seine besten Kräfte nicht mehr auf das Wohl 
unserer Stadt, sondern auf das Amt des Bundespräsidenten ge 
richtet hat. Das hat Berlin geschadet, und dafür tragen Sie, Herr 
Regierender Bürgermeister, die Verantwortung. 
Wenn man heute die Menschen in Berlin, gerade auch Mit 
glieder und Anhänger der CDU, mit den großen Worten Richard 
von Weizsäckers konfrontiert, dann trifft man bei vielen auf Ent 
täuschung. Wenn jemand enttäuscht ist, dann kann man nicht 
ihm die Vorwürfe machen, sondern man hat zunächst zu fragen, 
ob er getäuscht worden ist. 
Wenn ich diese Frage stelle, sage ich nicht daß Richard von 
Weizsäcker die Berliner bewußt täuschen wollte. Er hat sich je 
doch einer Sprache bedient, die bei den Empfängern seiner 
Botschaft Vorstellungen weckte, die keineswegs mit seinen 
eigenen Vorstellungen und Plänen übereinstimmten. Vielleicht 
war das ein Mißverständnis. Vorwerfbar wird dieses, wenn man 
das Mißverständnis offensichtlich gern in Kauf nimmt. 
An diesem Punkte erinnere ich an den gewichtigen Satz aus 
der Regierungserklärung, der vor etwas mehr als zwei Jahren 
an dieser Stelle, vor diesem Hause von Richard von Weizsäcker 
ausgesprochen worden ist: „Die tiefste Vertrauenskrise aber 
entsteht, weil Politiker aus Angst, daß es sie Stimmen kosten 
könnte, die ihnen bekannte Wahrheit verschweigen.“ - Richard 
von Weizsäcker hat eine solche Vertrauenskrise ausgelöst. 
[Zuruf von der CDU; Und Vogel?] 
Herr Regierender Bürgermeister, der mündige Bürger hat ein 
gutes Gedächtnis. Es wird teuer, wenn Politik darauf baut, daß 
schnell vergessen wird. Ich sage das ganz bewußt als Frak 
tionsvorsitzender einer Partei, die aus ihren Fehlern gelernt hat 
und immer noch lernt. 
Der Senat hat dieser Stadt Stabilität versprochen. Seit die 
CDU im Deutschen Bundestag von der Oppositionsbank auf 
die Regierungsbank gewechselt ist, hat sie Instabilität in unsere 
Stadt gebracht; 
[Gelächter bei der CDU] 
- Im Oktober 1982 verließ Bundessenator Blüm Berlin. Dabei 
übersehe ich nicht, daß er schon vorher in Berlin nur ein Ne 
benamt wahrgenommen hat, daß es ihm vor allem darum ging, 
sich den einflußreichen Vorsitz der CDU-Sozialausschüsse zu 
erhalten und damit die Karriere zum Bundesminister zu sichern. 
- Vom Oktober 1982 bis zum März 1983, also für sechs 
Monate, wurde das Amt des Bundessenators vom Justizsenator 
mitverwaltet, also in einer Zeit, wo es gerade hier um besonders 
wichtige Entscheidungen für Berlin ging. 
- Nach einem Postengerangel ohnegleichen, das die Schlag 
zeilen tagelang bestimmte, wurden im März 1983 die Herren 
Vetter und Oxfort in den Senat aufgenommen. Herr Hassemer 
mußte nach wenigen Monaten Amtszeit sein Ressort für Herrn 
Vetter räumen; für ihn wurde dann ein anderes Ressort geteilt. 
Das war schon die moderne Spielart der Rotation. 
[Gelächter und Heiterkeit bei der CDU 
und bei der AL] 
- Im August 1983 verließ unter spektakulären Umständen der 
Bausenator Rastemborski sein Amt. Berlin hat damals unrühm 
lich Geschichte gemacht und die Schlagzeilen bestimmt. Ich 
will hier nicht ausbreiten, welches Personalkarussell dann in 
Gang gesetzt wurde. 
- Genauso einmalig ist der Vorgang, mit dem wir uns in dieser 
Stunde zu befassen haben. Hier wird ein Haushalt für das näch 
ste Jahr zum Beschluß vorgelegt durch einen Regierenden Bür 
germeister, der bereits definitiv weiß, daß er für einen größeren 
Teil des nächsten Jahres in Berlin kein Amt und keine parlamen 
tarische Verantwortung haben wird. 
Ich halte dies für eine Mißachtung der parlamentarischen De 
mokratie. 
[Beifall bei der SPD] 
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