Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
69.Sitzung vom 14.Juni 1984
Sen Vetter
(A) Gebiete, in denen Grundwasserentnahmen für Trinkwasser
zwecke und Lebensmittelprodukte stattfinden.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ohne Stolz, aber
als Tatsache: Unsere Grundwasserqualität rangiert im Ver
gleich zu anderen Ballungszentren weit oben; unsere Gewäs
serqualität wird von Jahr zu Jahr spürbar besser.
Es gäbe noch eine staatliche Reihe weiterer Themen - ich
habe aber eben schon ein Lichtzeichen bekommen, daß meine
Redezeit gleich zu Ende ist -,
[Wachsmuth (AL): Endlich geht Ihnen
mal ein Licht auf!]
die ich ihnen nennen möchte und die vielleicht in der weiteren
Beratung Erwähnung finden: Waldgesundheitsprogramm,
Lärmbekämpfung, Recycling, Verkehrsberuhigung - um nur
einige zu nennen. Die Zeit reicht dafür aber leider nicht. Zu den
Fragen des Naturschutzes, des Landschaftsprogramms und
des Röhrichtschutzes werde ich aber später im Rahmen der
Großen Anfrage noch ausführlich Stellung nehmen.
[Wachsmuth (AL): Nur wenn es sein muß! -
Mertsch (SPD): Dadurch wird es auch nicht
besser! - Kunzeimann (AL): Wer hat uns
nur diesen Senator beschert?]
Besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen zum Abschluß
jedoch noch den Antrag —
[Momper (SPD): Das muß ja nicht sein!]
- Herr Momper, Sie haben eine merkwürdige Auffassung: Vor
hin sprechen Sie davon, den Umweltschutz zu parlamentarisie-
ren und hier stärker zu behandeln, und dann sind Sie nicht ein
mal bereit zuzuhören. Sie stellen Anfragen und Anträge und
wollen darauf nicht einmal eine Antwort hören. Damit bekunden
Sie eigentlich, Herr Momper, daß es Ihnen nur um Show geht
und nicht um die Sache selbst!
(B) [Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Meine Damen und Herren! Besonders ans Herz legen
möchte ich Ihnen zum Abschluß jedoch den Antrag, die Um
welterziehung zu verstärken.
[Kunzeimann (AL): Sie haben noch nichts
gesagt zu dem fehlenden Umweltschutzpapier! -
Glocke des Präsidenten]
- Das müßte Sie doch eigentlich zufriedenstellen. - Ganz
wesentlich zu der Grundsatzvoraussetzung eines noch stärker
zu verbreitenden Umweltschutzes gehört nämlich die Überzeu
gung - -
[Momper (SPD): Sie sollten lieber über
PCB reden, Herr Senator!]
- Es ist schon wirklich merkwürdig, daß Sie nicht bereit sind,
sachlich zuzuhören, Herr Momper. -
Über Umweltschutz reden, ist leicht - vor allem im Wahl
kampf, das kann man jetzt wieder bemerken -, Taten sind ge
fragt - ich werde auch nachher noch darauf zurückkommen -,
aber Taten eines jeden. Meine Damen und Herren, der Senat
wird sich an seinen Taten messen lassen, und ich bin über
zeugt, daß die Bevölkerung das auch so sieht - Schönen Dank!
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU]
Präsident Rebsch: Ich eröffne nunmehr die Aussprache
über alle Verhandlungsgegenstände. Das Wort hat für die Frak
tion der SPD der Abgeordnete Dr. Rüter.
Dr. Rüter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
In der ersten Runde haben wir über eine Verfassungsänderung
debattiert Für mich ist die Verfassung die Grundlage unseres
gesamten staatlichen, gesellschaftlichen und politischen Zu
sammenlebens; Verfassungsänderung ist für mich persönlich
ein sehr schwieriges Problem, und ich bin ein Gegner derjeni
gen, die allzu schnell die Verfassung ändern wollen. Und wenn
ich mich in diesem Zusammenhang innerhalb meiner Fraktion
mit dafür ausgesprochen habe, zeigt das den Ernst, mit dem (C)
die Fraktion der SPD über die Verfassungsänderung debattiert
hat Wir lassen es uns daher auch nicht gefallen, weder von der
AL noch - möglicherweise - von Herrn Vetter, dafür ausge
schimpft zu werden: Wir verhöhnten das Volk dadurch, daß wir
den Umweltschutz in der Verfassung unterbringen wollen.
[Krüger (CDU): Das hat Herr Vetter
gar nicht gesagt!]
- Gut, dann nehme ich das bezüglich Herrn Vetter zurück, dann
habe ich mich geirrt Jedenfalls ist es von der Seite der AL ge
kommen. - Ich darf darauf hinweisen, daß der Kollege Ueber-
horst eindeutig festgestellt hat daß sich die Fraktion der SPD
nicht damit zufriedengeben wird, allein eine Verfassungsände
rung durchzuführen, sondern mit der Verfassungsänderung for
dert, im Rahmen gesetzlicher Vorschriften und durch tatsäch
liches politisches Handeln den neuen Verfassungsgrundsatz
zu untermauern.
Wenn ich von der Ernsthaftigkeit der Debatte über die Verfas
sungsänderung gesprochen habe, dann wundprt es mich be
sonders, daß die Reihen des Senats so sehr gelichtet sind. Und
wenn man Umweltschutz auch begreift im traditionellen Sinn
als die Schöpfung und den Umweltschutz als den Versuch,
diese Schöpfung zu erhalten, dann wundert es mich vor allen
Dingen, daß der Regierende Bürgermeister bei diesem wichti
gen Thema nicht anwesend ist.
[Beifall bei der SPD - Kunzeimann (AL):
Er hat sich entschuldigt - er telefoniert
mit Karajan!]
Ich würde erwarten, daß auch der Regierende Bürgermeister in
dieser Debatte Stellung nimmt. - Es verwundert um so mehr, als
seit vielen Jahren die Menschheit, die ganze Welt einer ökologi
schen Katastrophe ohnegleichen entgegengeht Das geht von
der rigiden Abholzung - ich muß einmal einen etwas weiteren
Bogen spannen - tropischer Regenwälder in Asien und Latein
amerika mit vorhersehbaren globalen Klimaänderungen bis zur (D)
Versteppung riesiger Ackerflächen in den USA und in Kanada
durch Monokulturen, der Ausbreitung der Wüste in der Sahei-
Zone, der Totalversauerung schwedischer Seen, die ganz klar
sind, was das Wasser angeht, aber in denen kein Leben mehr
existiert; das geht bis zur Verkarstung weiter Alpengebiete
durch touristische Übernutzung. Jeder Kontinent, jedes Land
und jede Region - Berlin eingeschlossen - tragen immer mehr
zur Ümweltzerstörung bei. Ich persönlich - vielleicht ein wenig
nuanciert von anderen Parteien - begrüße, daß der Umwelt
schutz in dieser konzentrierten Form an einem Parlamentstag
Beachtung gefunden hat, obwohl einige recht exotische Dinge
- und da komme ich zum Prozedere - mich doch verwundern:
Es scheint immer mehr Mode zu werden, zusammenhängende
Komplexe in Einzelsätze aufzubröseln und in numerativ hohen
Quantitäten auf den politischen Markt zu werfen.
[Liepelt (CDU): Bei Ihrer Fraktion,
Herr Kollege!]
Marx ist da wohl gründlich mißverstanden worden; denn nicht
jede Quantität schlägt in Qualität um. Gerade auch die F.D.P. -
das verwundert mich teils nicht - scheint sich für keine modisti-
sche Torheit zu schade zu sein und erweckt den Eindruck, als
wenn sie den Senat in seiner Einfallslosigkeit - und Einfalls
losigkeit ist, hier dieser Zerbröselung der AL zu folgen - im
Laufschritt überholen will.
Ich habe gesagt Berlin leistet seinen Beitrag zur Umweltzer
störung. - Viele Dinge sind schon genannt worden, vor allen
Dingen in diesem Riesenkatalog, den Herr Vetter eigentlich
hätte nennen sollen, den er aber nicht genannt hat; denn er hat
immer nur gezeigt welche Erfolge er in den eineinhalb Jahren
geleistet hat - Erfolge, die eigentlich aufbauen auf dem, was
vorherige Senate initiiert haben. Unabhängig davon: Man lernt
eben im Verlauf der Zeit viel dazu, Umweltschäden zu vermei
den und auch besser zu reparieren. Manchmal scheint aber die
Lernfähigkeit arg gehemmt zu sein - und da komme ich auf den
ersten konkreten Punkt zu sprechen, den auch Herr Senator
Vetter angesprochen hat den Tegeler See. Herr Vetter erwähnt,
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