Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
69.Sitzung vom 14.Juni 1984
(A) Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Herr Regierender Bür
germeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Diepgen, Regierender Bürgermeister: Nein. -
[Zuruf von der CDU; Sehr gut!]
Alle Entscheidungen, die der Senat, die der zuständige Sena
tor für Kulturelle Angelegenheiten in dieser Diskussion getrof
fen haben oder noch treffen werden, sind nur möglich vor dem
Hintergrund eines solchen Gesprächs, das einfach mit dem
Ehrenbürger der Stadt geführt werden mußte, und zwar unter
Darstellung durchaus unterschiedlicher Positionen.
Wenn man vor dem Hintergrund dessen, was in dem Berliner
Philharmonischen Orchester in der letzten Zeit geschehen ist,
Gespräche führt, darüber redet, welche Rechte und Pflichten
ein Chefdirigent, ein künstlerischer Leiter haben muß, wenn
man darüber redet, welche Rechte und Pflichten das Orchester
hat, welche gewachsenen Selbstverwaltungsrechte ein
Orchester hat, wenn man darüber redet, in welchen Teilbe
reichen es möglicherweise oder tatsächlichen Mißbrauch ge
geben hat - nicht von Rechten des Orchesters, nicht von Rech
ten nach der Verwaltungsordnung im Rahmen der Selbstver
waltung, sondern in jenem Verhältnis zwischen kommerziellen
Interessen und künstlerischen Aufgaben - in jenem Verhältnis
zwischen privaten Verträgen - davon ist gestern einer gekün
digt worden - und den öffentlich rechtlichen Verpflichtungen,
die alle Mitglieder des Philharmonischen Orchesters haben,
ganz gleich, ob Musiker, Chefdirigent oder Intendant, wenn man
darüber redet, dann gab es dazu auch unterschiedliche Positio
nen. Und gerade aus dieser Bemerkung mögen Sie entnehmen,
daß bestimmte Charakterisierungen hier völlig fehl am Platze
sind.
Es ist hier die These aufgestellt worden, irgend jemand würde
einem Traumbild nachjagen. Ich möchte das für mich mit aller
Deutlichkeit verneinen. Ich jage keinem Traumbild nach. Die
(B) Entscheidungen, die der Senat getroffen hat und kommenden
Dienstag noch weiter treffen wird, sind notwendig, sind richtig,
gleichgültig, wer in den nächsten Monaten Chefdirigent ist, und
gleichgültig, wie die Diskussion um das Vertrauen und die Mög
lichkeit eines künstlerischen Miteinanders von Orchester und
Chefdirigent ausgehen wird. Diese Entscheidungen sind not
wendig, weil wir einen neuen Intendanten und eine Verände
rung in der Verwaltungsordnung brauchen, um Klarheiten zu
schaffen, insbesondere in jenem Sektor, der durch Briefwech
sel im Dezember des vergangenen Jahres angesprochen war,
der die Größenordnung und die Möglichkeiten des Auftretens
von Orchestermitgliedern im Rahmen von Kammerorchestern
betrifft. Das ist also auch unabhängig von der künftigen Ent
wicklung des Streites notwendig. Aber diese Entscheidungen
waren auch notwendig, um überhaupt eine Chance zum Mit
einander des Chefdirigenten und des Orchesters zu ermög
lichen. Das ist die Grundposition, die wir haben. Und wenn Sie
meine Beispiele hinsichtlich der Veränderung der Verwaltungs
ordnung sich genau vor Augen führen, dann werden Sie auch
feststellen, daß das in keinem Punkt etwas mit der Einschrän
kung von Selbstverwaltungsrechten zu tun hat
Damit komme ich zu der Frage, wie, in welchen Verfahrens
formen ein Chefdirigent in einem solchen sensiblen Bereich be
nannt werden kann. Nach meiner festen Überzeugung ist es völ
lig gleichgültig, ob in dem Vertrag - in diesem Fall zwischen
Herbert von Karajan und dem Land Berlin - oder in der Verwal
tungsordnung der Begriff „Benehmen“ oder „Einvernehmen“
steht. Ich zitiere hier einmal einen meiner Amtsvorgänger in die
ser Diskussion: Wenn man eine vertrauensvolle Zusam
menarbeit, künstlerische Zusammenarbeit will, ermöglichen
will, dann kann man weder dem einen noch dem anderen - und
dabei meine ich, wenn es um die Position des Intendanten geht,
Orchester und Chefdirigent - einen Intendanten aufzwingen,
denn sonst würde die Ursache dafür gelegt werden, daß wir alle
die Probleme, über die wir heute geredet haben, in den näch
sten Monaten wieder haben. Das kann doch niemand ernsthaft
wollen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Insofern ist also die Position des Senats sehr eindeutig.
Ich fühle mich nur noch veranlaßt, zu einer weiteren Bemer
kung und zum Diskussionsbeitrag aus Kreisen der SPD-Frak-
tion etwas zu sagen: Hier wird nämlich gesagt, Politiker seien
zum Erfolg verurteilt Aus der politischen Diskussion weiß man
darum, daß der Erfolg weitgehend zählt, doch mir ist es wirklich
neu, daß ein Politiker auch noch dafür verantwortlich gemacht
wird, ob sich zwei andere lieben oder nicht Das geht doch wohl
ein bißchen zu weit wenn Sie diese Verantwortung auch noch
Politikern zuweisen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Weil das alles nicht ausreicht, um im Zusammenhang mit
dem Berliner Philharmonischen Orchester heftige Kritik am
Senator für Kulturelle Angelegenheiten zu üben, wurde hier der
verzweifelte Versuch unternommen, andere Themen in die Dis
kussion mit einzubeziehen. Das ist aber gründlichsl schiefge
gangen. Ich werte es als einen Erfolg für die Stadt daß das Bild
von Watteau für diese Stadt erhalten worden ist Das ist ein Er
folg und kein Mißerfolg, wie Sie das hier darstellen.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Um noch einen weiteren Punkt zu nennen: das Akademie
gesetz. Der Senator und übrigens auch in vorangegangenen
Gesprächen andere Mitglieder des Senats haben mit Herrn
Grass darüber gesprochen, daß Klarheit hinsichtlich der Aus
dehnung der Akademie der Künste in Berlin bis zum Mai - da
war die Mitgliederversammlung - gefunden werden muß. Der
Senat hat sein Wort gehalten, daß nämlich bis zu dieser Mitglie
derversammlung die Entscheidung über die Bildung einer
neuen Abteilung getroffen worden ist Also auch da sind Sie mit
der Kritik völlig ins Leere gestoßen!
Ich will nun nicht auf alle Einzelheiten dieser Punkte einge-
hen, doch lassen Sie mich darauf hinweisen, daß dieser Sena
tor für Kulturelle Angelegenheiten wie kein anderer dafür steht,
daß in dieser Stadt jeder in der Kulturszene sein Weltbild
wiedererkennen kann, daß dieser Senator wie kein anderer
dafür steht, daß die Vielfalt des Berliner Kulturlebens weiter
wachsen konnte,
[Kunzeimann (AL): Na, na! - Beifall bei der CDU]
daß dieser Senator wie kein anderer - und das ist doch gerade
ein Thema, bei dem Sie in der Vergangenheit immer so tätig ge
wesen sind - Gesprächspartner war innerhalb der Kulturszene
- von den Freien Gruppen bis hin zu den Etablierten, um hier
Ihre Terminologie zu benutzen.
[Zurufe von der AL]
Um auch diese Beispiele zu nennen: Wieviel Theater hat denn
dieser Senator in seiner kurzen Amtszeit vor der Pleite be
wahrt? Dies ist wirklich ein Erfolg, und dies war nicht leicht zu
sichern.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Besonders amüsiert habe ich mich überein weiteres Beispiel
- aber damit will ich angesichts der so bemerkenswerten, aber
völlig verfehlten Argumentationsversuche es schon bewenden
lassen -: Da wird gesagt, der Vertrag mit Götz Friedrich wurde
nicht gleich abgeschlossen. - Meine Damen und Herren! Ich
bin der festen Überzeugung, dieselben Redner derselben
Opposition, die das hier heute kritisiert haben - ich greife dabei
gern in die Geschichte der Protokolle des Hauptausschusses
zu diesen Themen -, hätten dann gesagt Ihr habt aber nicht
sorgfältig genug verhandelt, dann wären die Kosten für das
Land Berlin nicht zu groß geworden. - Ich würde allen empfeh
len, bevor sie hier solche pauschale Kritik üben, die völlig neben
der Sache liegt, daß sie mal etwas weiter denken, ihre eigenen
Argumente zu Ende zu denken, und dann kommen Sie, bitte
schön, mit Ihrer Kritik. Dann setzen wir uns gern damit aus
einander.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
4174