Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
69. Sitzung vom 14. Juni 1984
Dr. Kunze
(A) nigen, daß Sie rechtswidrig entschieden haben, an der Sie dar
aus Konsequenzen ziehen würden?
[Beifall bei der AL und der SPD]
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator!
Dr. Kewenig, Senator für Wissenschaft und Forschung:
Herr Präsident! Herr Kollege Kunze, ich kann Ihnen eines bestä
tigen. Ich kann Ihnen bestätigen, daß ich derjenige Hochschul
minister bin, der, als er sein Amt antrat, eine Hochschulland
schaft vorfand, die in einem schlechteren Zustand war als die in
anderen deutschen Ländern.
[Beifall bei der CDU]
Und ich kann Ihnen auch bestätigen, Herr Kunze, daß Sie als
einer derjenigen, die im wissenschaftlichen Bereich arbeiteten
und gleichzeitig politische Verantwortung getragen haben, für
diesen Zustand der Berliner Hochschullandschaft mitverant
wortlich waren.
[Beifall bei der CDU]
Im übrigen muß ich Ihnen sagen: Ich habe sowohl politisch
wie was die rechtlichen Auseinandersetzungen angeht -
schließlich bin ich ja Jurist -, eine dicke Haut. Die hatte ich auch
schon, als ich nach Berlin kam, und insofern kann ich Ihnen
leider keine Obergrenze für meine Reizschwelle angeben. Sie
ist jedenfalls noch lange nicht erreicht.
Stellv. Präsident Longolius: Ich rufe jetzt auf die nächste
Mündliche Anfrage des Abgeordneten Palm über
Verhandlungen über Berlin-Engagement
Palm (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
frage den Senat:
1, Welche neuen Erkenntnisse gibt es im Hinblick auf ein
Berlin-Engagement der bundeseigenen Unternehmen VEBA
und Salzgitter AG?
2. Falls es neue Erkenntnisse gibt: Wie gestalten sich diese?
Stellv. Präsident Longolius: Zur Beantwortung - Herr
Senator Pieroth!
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Verkehr: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Dieser Senat und alle Fraktionen
dieses Hauses haben mehrfach und übereinstimmend festge
stellt, daß sich die Bundesunternehmen - oder besser; die
Unternehmen mit Bundesbeteiligung - bisher viel zuwenig in
Berlin engagiert haben. Das gilt auch für die VEBA, das größte
deutsche Unternehmen. Die Unternehmensstruktur der VEBA
darf keine Erklärung für ein Nicht-Engagement der VEBA auf
Dauer bleiben. Neben der Elektrizitätserzeugung erstrecken
sich die Aktivitäten der VEBA im Bereich Mineralölverarbeitung
auf die Produktion von Fahrbenzin, von Heizöl, Bitumen sowie
auf die Verbesserung der Fördertechnologien im Erdölgewin
nungssektor, im Chemiebereich auf die Produktion petrochemi-
scher Rohstoffe und organischer Chemie auf die Hohlglasferti
gung. Das alles sind nicht gerade Bereiche, die bestens nach
Berlin passen. Darüber hinaus handelt die VEBA mit fast allem,
womit man Handel treiben kann: mit Kohle, Heizöl, Benzin, Bau
stoffen, Stahl und chemischen Produkten.
Bei all diesen Schwierigkeiten bleibt festzustellen, daß die
VEBA als größtes deutsches Unternehmen nicht nur in Berlin
Handel treiben darf, sondern auch in Berlin Entwicklung und
Produktion für die Berliner zu gewähren hat Auf der Wirt
schaftskonferenz 1982 kündigte die VEBA deshalb die Einrich
tung von Forschungsgruppen im Rahmen biotechnischer und
Schweröiaktivitäten an. Diese Zusagen sind erfüllt Eine erste
Forschungsgruppe mit 15 Mann arbeitet bereits in der TU, eine
andere ist im Aufbau. Jetzt hat die VEBA darüber hinaus gehan
delt. Die zum VEBA-Konzern gehörenden Chemischen Werke
Hüls haben vorige Woche die Hüls Forschung Berlin GmbH
gegründet Die Zahl an Mitarbeitern dieser neuen Firma wird
erheblich höher sein als die der ersten eingerichteten Arbeits
gruppe. Mit anderen Worten: Jetzt endlich engagiert sich die
VEBA mit Forschungs- und Versuchsproduktion in Berlin, einer
der wenigen Aktivitäten, die nach der Struktur des Konzerns in
Berlin durchgeführt werden können. Der Senat hält dieses für
eine wichtige und anerkennenswerte Entscheidung der
VEBA AG.
Nun zu Salzgitter: Der Vorstandsvorsitzende der Salzgitter
AG, Herr Pieper, hat auf der Kanzler-Konferenz 1982 die An
siedlung des Vorstandsressorts Forschung und Entwicklung in
Berlin zugesagt - unter Gremienvorbehalt: Der Aufsichtsrat
war dafür noch zu gewinnen. Im Aufsichtsrat sitzen auch Vertre
ter der Länder Niedersachsen und Hamburg. Die waren zu ge
winnen in einer schwierigen Phase. Bei Salzgitter kommt Stahl
krise, Werftkrise, Zonenrandprobiematik zusammen. Um so
mehr freue ich mich, Ihnen heute folgendes mitteilen zu dürfen:
Der Aufsichtsrat der Salzgitter AG hat gebilligt, daß der For
schungs- und Entwicklungsvorstand nach Berlin kommt und in
Berlin die Forschungs- und Entwicklungsabteilung aufgebaut
wird bzw. die Abteilung, soweit sie besteht, aus Salzgitter nach
Berlin verlagert wird. Es ist das Interesse, die erklärte Absicht
des Vorstandsvorsitzenden, daß dieser Schritt spätestens zum
1. Oktober dieses Jahres abgeschlossen sein wird, wenn ir
gend möglich, früher. Das betrachten wir als eine Signalwirk-
kung für engagiertes Handeln von Bundesunternehmen in Ber
lin, auch für einen Teil unserer Politik als Signalwirkung, wenn
wir nämlich Führungs- und insbesondere Forschungs- und Ent
wicklungskapazitäten nach Berlin bringen wollen.
Ich kann deshalb nicht verstehen, daß Frau Dr. Hickel und die
Fraktion der Grünen im Deutschen Bundestag den Antrag ein
gebracht haben, die Bundesregierung möge beschließen,
daß die Planungen der Salzgitter AG zurückgenommen werden,
die darauf hinzielen, die Forschungs- und Entwicklungsabtei
lung der Salzgitter AG nach Berlin zu verlegen. Sie äußern sich
doch so häufig im Interesse der Menschen dieser Stadt. Dieser
Fraktionsantrag der Grünen im Deutschen Bundestag ist nicht
im Interesse der Berliner und der Menschen in Berlin.
Mit diesen Maßnahmen der beiden Bundesunternehmen ist
jedenfalls ein kleiner Teil langjähriger Unterlassungen der Bun
desunternehmen aufgeholt, die jahrelang typisch für die Unter
nehmenspolitik gegegenüber Berlin waren. Wenn ich sage: nur
ein Teil der Unterlassungen, - so verbinde ich damit natürlich
die Erwartung, daß die Bundesunternehmen generell in ihren
Entscheidungen die Vorteile des Wirtschaftsstandortes Berlin
mindestens sowie private Unternehmen sorgfältig abwägen
und nutzen und mehr als private Unternehmen in Zukunft der
nationalen Aufgabe Berlin nachkommen.
Stellv. Präsident Longolius: Zusatzfrage - Herr Kollege
Palm!
Palm (CDU): Ausgehend davon, daß dies erste Schritte sind
- wir sind alle ungeduldig, das wissen Sie, Herr Senator -: Was
können wir möglicherweise von beiden Unternehmen als Aktivi
täten für Berlin erwarten?
Stellv. Präsident Longolius: Herr Senator!
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Verkehr: Ich kann die
Ungeduld aufgrund jahrzehntelangen Fehlverhaltens von Bun
desunternehmen gut verstehen. Wir müssen diese ersten Ent
wicklungen zur Reife gedeihen lassen. Bei der VEBA ist es
möglich, daß Produktionen aufgrund dieser Forschungs- und
Versuchsaktivitäten in Berlin durchgeführt werden. Hoffentlich
konvenieren die Umweltschutzbestimmungen in einer großen
Stadt mit solchen Produktionen im Chemiebereich, auch im
Biochemiebereich. Bei der Salzgitter AG wird das einfacher
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