Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
65. Sitzung vom 5. April 1984
Dr. Dittberner
zirke. Da habe ich manchmal den Eindruck, daß solche Bezirks
grenzen, nicht nur regional gesehen, sondern auch im anderen
Sinne gemeint, etwas eng sein könnten. Hier erhebt sich die
Frage, ob die Förderung der Innovationen von unten her der
richtige Weg ist, indem die Kulturämter der Bezirke weiter aus
gebaut bzw. sie mit weiteren Stellen versehen werden. Das ist
ein Punkt, der noch innerhalb der Koalition zu diskutieren sein
wird.
Ein Punkt, der auch in das Thema „Wie kann ich neue künstle
rische Impulse geben?“ hineingehört, der in der Vergangenheit
nach meiner Auffassung nicht genügend diskutiert worden ist,
ist das Mäzenatentum. Wir müssen noch mehr Anstrengungen
als in der Vergangenheit unternehmen, um solche Bürger, die
unter bestimmten - ich sage auch steuerlichen - Umständen
bereit sind, für die Kunst und die Kultur etwas zu tun, dazu zu
animieren und ihnen diese Möglichkeit zu geben. Die F.D.P.-
Fraktion hat einen Antrag zur Errichtung einer „Stiftung Stadtge
stalt“ eingebracht Das könnte auch für andere Fälle ein Beispiel
sein, wie man zur Erhaltung der Stadt bzw. erhaltenswerter Ge
bäudestrukturen beitragen kann. Erste Angebote gibt es bereits,
auch durch Unterstützung von privater Seite. Es sollte auch
möglich sein, daß wir in Zukunft noch mehr und noch freiere
Ausstellungsmöglichkeiten für private Besitzer von bedeutsa
men Kunstwerken in unserer Stadt schaffen. Da gibt es nämlich
eine ganze Menge, und es ist in der Tat überhaupt nicht einzu
sehen, warum die ihre Werke an anderen Orten als Berlin zei
gen bzw. diese verstecken.
Wir haben in unserer Großen Anfrage nach der gesamtdeut
schen oder -berliner Aufgabe der Kulturpolitik gefragt. Ich muß
sagen, daß wir dazu doch gern noch einiges gehört hätten. Ich
glaube, hier können auch unter den gegenwärtigen Umständen
zusätzliche Maßnahmen ergriffen und weitere Konzeptionen
entwickelt werden. Ein Beispiel: Meine Fraktion hat den an
deren Teil der Stadt besucht und dort erfahren, daß es keine be
sonderen statusrechtlichen Probleme mit sich brächte, wenn
wir mit unserem kulturellen Angebot gleichzeitig das Angebot
des anderen Teils der Stadt präsentierten bzw. Möglichkeiten
schüfen, dieses Angebot wahrzunehmen. Da besteht wohl -
und nicht allein aus finanziellen Gründen - ein großes Interesse
daran.
In der Antwort auf die Große Anfrage hat Senator Dr. Hasse-
mer zu Recht auf eine von uns gestellte Frage darauf hingewie
sen - das sollte dankbar festgestellt werden -, daß Berlin groß
zügig von den Ländern, insbesondere aber auch vom Bund, bei
der Ausgestaltung als Kultur- und Kunstmetropole unterstützt
wird. Als Beispiel nenne ich die Stiftung Preußischer Kulturbe
sitz. Ich finde, von unserer Seite muß alles getan werden, damit
die einmal getroffenen Entscheidungen über den Ausbau der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz eben auch in der Form umge
setzt werden können, wie sie einmal getroffen worden sind,
damit nicht andere die Möglichkeit bekommen, das, was wir hier
haben, an sich zu bringen. Ich will konkret werden: Es gibt die
Diskussion über die Erhaltung der „Parey-Villa“. Auch
wir sind dafür, daß man dieses Gebäude in der Nähe des Kul
turforums erhält, sagen aber ganz klar, daß wir nicht der Mei
nung sind, daß man dabei so weit gehen sollte, den weiteren
Ausbau der Museumsgebäude der Stiftung in Frage zu stellen,
so daß möglicherweise Dinge, die nach Berlin kommen sollten,
deshalb nicht kommen werden. Wir suchen deshalb nach an
deren Lösungen und haben gestern im Bauausschuß den Bau
senator auch mit beauftragt, entsprechende Schritte einzulei
ten.
Ich muß auch die Kongreßhalle kritisch erwähnen. Es ist be
kannt, daß wir mit Ach und Krach dem Aufbau der Kongreß
halle zugestimmt haben, aber nicht - und das sollte deutlich
werden -, weil wir von der kulturellen Konzeption für die Nut
zung der Kongreßhalle so begeistert waren, daß wir bei allen
finanziellen Anforderungen die Augen zugedrückt haben. Wir
waren vielmehr der Auffassung, die Kongreßhalle ist ein beson
deres Dokument der Berliner Nachkriegsgeschichte und insbe
sondere auch der deutsch-amerikanischen Freundschaft; das
in erster Linie, nicht ausschließlich. Es ist sicher schwierig,
etwas zu entwickeln, aber trotzdem muß es vom Parlament im
mer wieder gefordert werden. Ein überzeugendes Konzept für (C)
die Nutzung der Kongreßhalle hat seinerzeit nicht Vorgelegen,
als wir die Zustimmung für den Wiederaufbau gegeben haben,
und sie liegt ohne Zweifel auch jetzt nicht vor. Hier wird es wei
terer Anstrengungen bedürfen.
[Kollat (SPD); Sehr gut!]
Lassen Sie mich doch noch den Hamburger Bahnhof anspre
chen. Auch dazu ist von den Vorrednern schon einiges gesagt
worden. Wir haben einen Antrag eingebracht, daß der Hambur
ger Bahnhof in Zusammenhang mit dem Verkehrsmuseum ge
nutzt werden sollte. Dieser Antrag stößt - und das ist Ihnen bei
der Transparenz bekannt - in der Koalition auf Widerspruch.
Nun muß es aber doch darum gehen, daß wir in absehbarer Zeit
in überzeugendes Konzept für eine sinnvolle Nutzung dieses
Bahnhofs, der sich sonst als ein Danaergeschenk der DDR her
ausstellt, erarbeiten. Es gibt reichlich Vorschläge, und wir soll
ten das nicht kleinkariert und parteipolitisch betrachten, son
dern vielmehr erneut diskutieren. Schließlich liegen Angebote
vor, so daß weiter diskutiert werden kann.
[Kollat (SPD): Meinen Sie den alten Bahnhof oder das
Museumsgut?]
- Ich meine die Nutzung des Gebäudes des Hamburger Bahn
hofs. Es gibt die Möglichkeit, das Museumsgut dort zu belas
sen, teilweise dort zu belassen oder an andere Orte zu bringen
oder an das Verkehrsmuseum anzuschließen. Es könnte auch
das Gebäude anders genutzt werden, alles Dinge, die zu dis
kutieren sind.
[Freudenthal (AL): Was wollen Sie denn?]
- Lesen Sie doch unseren Antrag, da steht alles drin. Ich mache
Ihnen einen Vorschlag: Sie stimmen unserem Antrag zu, daß
der Hamburger Bahnhof für das Verkehrsmuseum genutzt wer
den kann - dann sind wir immerhin schon zwei im Hause -, und
dann könnte ich mit mir darüber reden lassen, ob wir nicht ihren
Antrag über die Zukunft des Hebbel-Theaters im Prinzip für
ganz interessant und in der Grundrichtung für okay halten. Aber
im Ernst Dieses Geschäft habe ich Ihnen natürlich nicht ange-
boten. Ich finde, daß eine Konzeption für das Hebbel-Theater
her muß. Wir haben auch dazu Anfragen eingereicht und Initiati
ven eingeleitet Natürlich muß dieses Traditionstheater in Berlin,
in der Mitte von ganz Berlin, in Kreuzberg, ein spezifisches Pro
fil bekommen, das seiner Geschichte und der jetzigen Lage ent
spricht. Da ist es natürlich nicht von der Hand zu weisen, daß in
irgendeiner Form kulturelle Aktivitäten für die türkische Bevölke
rung etabliert werden sollten. Ob das nun ein rein türkisches
Spieltheater werden sollte oder Folklore-Theater oder was auch
immer, ist noch nicht ausdiskutiert. Das ist ein Punkt, an dem
sich die AL an der weiteren Diskussion beteiligen sollte.
[Beifall bei der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Gestatten Sie eine Zwischen
frage, Herr Dr. Dittberner?
Dr. Dittberner (F.D.P.): Bitte sehr!
Stellv. Präsident Longolius: Bitte, Herr Freudenthal!
Freudenthal (AL): Herr Dittberner, können Sie sich vorstel
len, daß das türkische Theater für Deutsche manchmal vielleicht
interessanter wäre als heute das Schiller-Theater?
Dr. Dittberner (F.D.P.): Mit allem Verlaub - das kann ich mir
ganz leicht vorstellen. Wer gerade eine der neueren Inszenie
rungen des Schiller-Theaters erlebt hat, die dreieinhalb
Stunden oder noch länger gedauert hat - von 7 Uhr bis Vi 12
Uhr -, der hat keine Schwierigkeiten, eine solche Frage mit Ja
zu beantworten. - Aber das ist meine persönliche Empfindung;
nicht, daß jemand meint, ich würde meinen Geschmack zum
Maßstab machen.
[Dr. Kunze (fraktionslos): Aber es stimmt schon!]
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