Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
65. Sitzung vom 5. April 1984
Sen Franke
(A) düngen zu der am nächsten Tag stattfindenden Informations
veranstaltung zukommen. Die Bewohner haben Verständnis für
die Situation und die hieraus abzuleitenden Maßnahmen
gezeigt; ihnen gebührt unser besonderer Dank!
[Beifall bei der F.D.P.]
Die Mieterversammlung selbst war durch eine sachliche Atmo
sphäre gekennzeichnet und hob sich damit wohltuend von dem
ab, was ein Teil der Presse sensationslüstern berichtet hat.
Um so bedauerlicher ist es, daß heute die SEW ein Flugblatt
verteilt hat mit einem völlig falschen Verlauf des Panzergrabens
und damit versucht, weitere Beunruhigung in die Bevölkerung
hineinzubringen.
In der Versammlung wurden zwei meiner Mitarbeiter als Kon
taktpersonen benannt, die einen regen Zustrom von Anfragen
haben und selbst Bitten und Hinweisen vor Ort nachgehen. Ver
ständlich ist der Wunsch der Mieter, daß weitere Veranstaltun
gen, die von mir angekündigt werden, nur im Kreise der Haus
bewohner durchzuführen sind. Anfang dieser Woche habe ich
den Mietern mitteilen können, daß weder vor noch hinter dem
Haus in dem freigelegten Panzergraben Munition gefunden
wurde und mit den Arbeiten unter dem Haus nicht vor Ostern
begonnen wird.
Welche Auffassungen andererseits, wenn wir den Versuch
machen, Panzergräben zu durchsuchen, von Bewohnern aus
anderen Gegenden eingenommen werden, haben vorhin schon
einige Kollegen geschildert; am Baldersheimer Weg hat sich
eine Bürgerinitiative vehement dagegen gewehrt, daß wir den
Panzergraben freilegen, weil sie meinte, nach fast 40 Jahren
könne wohl nichts mehr passieren.
Erfreulich ist im Zusammenhang unserer Ermittlungen die
Feststellung, daß der Panzergraben in Tempelhof in seiner
gesamten Länge bis auf einige wenige Meter seinerzeit vollstän
dig untersucht und ausgeräumt worden ist. insoweit sind dort
weitere Recherchen nicht erforderlich. In Neukölln vermessen
(B) wir noch präzise den Verlauf des Panzergrabens, denn auch
hier weise ich darauf hin, daß es Gerüchte gegeben hatte, daß
der Panzergraben unter der Kindertagesstätte, die am 1. April
eröffnet werden sollte, verlaufe. Tatsächlich läuft er am Haus
vorbei, allerdings über das Gelände der Kindertagesstätte, aber
nicht direkt unter dem Haus entlang. Daraus ersieht man, daß
auch Luftbildaufnahmen zwar sehr deutliche Hinweise geben,
aber der direkte Verlauf doch noch einzeln vermessen werden
muß,
[Freudenthal (AL): Herr Franke, das stand sogar
schon in der Zeitung!]
- Ja, das macht ja nichts, Sie legen doch Wert darauf, daß ich
die breite Öffentlichkeit informiere; wenn Sie das nicht wollten,
hätten Sie ja den Antrag auf diese Aktuelle Stunde nicht zu
stellen brauchen! - In Neukölln wird jede Bauakte untersucht,
um Erkenntnisse zu sammeln und festzustellen, ob weitere
Suchen noch erforderlich sind oder nicht.
[Freudenthal (AL): Die AL und die SPD
sind immer noch zwei verschiedene Fraktionen,
Herr Frankel]
- Ja, bloß Sie haben es kritisiert, verehrter Herr Kollege; die
SPD hat dies bisher nicht getan; vielleicht kommt das noch, ich
freue mich darauf!
Soweit zu der Munitionssuche im Süden Berlins. Über den
Panzergraben in Rudow darf jedoch nicht vergessen werden,
daß gegenwärtig an vielen Stellen innerhalb Berlins nach Muni
tionsresten aus dem II. Weltkrieg gesucht wird. Exemplarisch
seien genannt der Kreuzberg, Tiergarten und eine Kleingarten
kolonie, die im Jagen 84/85 im Grunewald liegt. Hier wurden seit
Januar 1983 auf rd. 7 ha Fläche über 9 500 kg Munition bzw.
Waffen gefunden. In der Vergangenheit wurde, sobald man in
nerhalb der Kolonie fündig wurde, die Polizei eingeschaltet Die
Suchmaßnahmen schließen selbstverständlich auch die Kolo
nie ein. Es wird weiterhin sukzessive nach Munitionsresten
gesucht Über das weitere Verfahren in bezug auf die Klein
gartenkolonie habe ich morgen ein Gespräch mit dem Kolonie
vorstand und dem Landesforstamt
Meine Damen und Herren, aus dem von mir Vorgetragenen
können Sie eindeutig ermesssen, daß die Sicherheit der Bevöl
kerung oberste Handlungsmaxime des Senats darstellt. Wir
sind und werden besonders auf die jeweiligen Problemlagen
eingehen, wobei der Panzergraben in Rudow vorrangig abge
sucht werden soll. Der Senat dankt in diesem Zusammenhang
der Bevölkerung für das besonnene Verhalten, das im Gegen
satz zu manch einem steht, der hier Unruhe stiften will,
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
und verbindet dies mit der Hoffnung, daß die Opposition den
Senat in dieser Frage unterstützt.
Den Bewohnern des Hauses Selgenauer Weg 14 habe ich
jede Hilfe angeboten; wenn sie andere Wohnungen haben wol
len, können sie sie bekommen. Während der Arbeiten unter
dem Haus werden wir sie - soweit erforderlich - in anderen
Quartieren unterbringen, in der Hoffnung - falls sie ihre Woh
nungen nicht endgültig verlassen wollen -, daß sie abends
nach Arbeitsschluß wieder in ihre Wohnungen zurückkehren
können.
ich weise nochmals darauf hin, daß in der Abgeordnefen-
haussitzung vom 13. November 1980 - ohne daß ich das hier
kritisieren will, denn im Grunde genommen vertrete ich weit
gehend dieselbe Auffassung - der damalige Senator für Ge
sundheit und Umweltschutz, Herr Pätzold, die Frage nach der
Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen in bezug auf die
Suche nach Munitionsresten gestellt hat. Die gegenwärtigen Er
eignisse zeigen, daß man es sich nicht ganz so einfach machen
darf. Wir werden deshalb systematisch das Problem abbauen
und hoffen dabei auf Ihrer aller Unterstützung.
Der heute zur Beschlußfassung anstehende Antrag der CDU
bietet dazu erste Möglichkeiten. Ich habe veranlaßt, daß umge
hend ein Munitionslager und zwei Luftbildauswerter zusätzlich
eingesetzt werden in meiner Verwaltung; für die gezielte Suche
nach Munition wird mittels Werkvertrag weiteres Personal
beschäftigt werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist der
Abgeordnete Nagel.
Nagel (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Herr Senator Franke, ich möchte Ihnen im Namen
der SPD-Fraktion ausgesprochen danken für diese sachliche,
aufklärende Darstellung der Vorgänge und das Engagement,
das Sie in dieser Sache bisher gezeigt haben.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ich möchte Ihnen insbesondere auch dafür danken, daß Sie
heute der Baufirma bzw. dem Bauträger den Weiterbau end
gültig untersagt haben, und ich möchte Ihnen auch dafür dan
ken, daß Sie sich vor Ort nicht nur mit den Verhältnissen ver
traut gemacht, sondern sich auch persönlich dafür eingesetzt
haben, daß die Unruhe dort beseitigt wird, selbst wenn Sie viel
leicht im Eifer des Gefechts das eine oder andere zuviel ver
sprochen haben; aber das sei Ihnen nachzusehen. Ich glaube
nicht, daß ein Senator dafür sorgen muß, daß auch vor Ort Blu
men gegossen werden - aber das Engagement erkennen wir
an.
Meine Damen und Herren, dieses Engagement steht im
krassen Gegensatz zu den Plattheiten, die der Vorsitzende der
CDU-Fraktion hier heute zu diesem Thema geboten hat.
[Beifall bei der SPD]
Und dieses Engagement steht auch, meine ich, im Gegensatz
zu den unangemessenen Äußerungen von Herrn Freudenthal.
[Führer (CDU): Sehr richtig!]
Herr Freudenthal, wenn Sie meinen, dieses Problem zu einem
Grundsatzproblem unserer Demokratie erklären zu müssen,
dann ist das einfach eine falsche Ebene, auf der wir hier disku
tieren. Und, Herr Buwitt, daß wir nun unsere Geschichte hier in
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