Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
64. Sitzung vom 22. März 1984
Präsident Rebsch
(A) Ich rufe auf
lfd.Nr.7:
a) Große Anfrage der Fraktion der CDU über
Berliner Kulturwerbung
— Drucksache 9/1609 —
b) Große Anfrage der Fraktion der F.D.P. über
Berliner Kulturpolitik
— Drucksache 9/1610 —
c) Große Anfrage der Fraktion der SPD über
Kulturpolitik
— Drucksache 9/1672 —
d) Große Anfrage der Fraktion der AL über Aus
strahlungskraft und Zukunft von Berlin (West)
— Drucksache 9/1680 —
e) Antrag der Fraktion der AL über Ausschrei
bung eines öffentlichen Ideenweitbewerbs über
das Gelände zwischen Siauffenbergstraße im
Westen, Linkstraße im Osten, Tiergarienstraße
im Norden und Reichpietschufer im Süden
— Drucksache 9/1674 —
f) Antrag der Fraktion der AL über Beteiligung
des Parlaments an der Planung des „Kultur
forums“
— Drucksache 9/1675 —
g) Antrag der Fraktion der AL über die Erhaltung
der Parey-Villa
— Drucksache 9/1676 —
h) Antrag der Fraktion der SPD über Darstellung
von Geschichte in Berlin
— Drucksache 9/1678 —
(B)
Ich rufe nunmehr auf die Begründung der Großen An
frage der CDU. — Bitte, Herr Dr. Lehmann-Brauns!
Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Zum Jahresanfang meldet der
Senator für Wirtschaft eine erfreuliche Steigerung der
Touristenrate in der Stadt, und der Senator für Wirtschaft
— wohlgemerkt — führt das zurück auf den Reiz des
Berliner Kulturangebotes. Ich glaube, es gibt inzwischen
Untersuchungen, die sagen, daß etwa 25% der Touri
sten, die nach Berlin kommen, es wegen des Kultur
angebotes tun. In der Tat, man muß feststellen, daß
der Hauptfaktor der Stadt Berlin die Kultur geworden
ist und daß Berlin der kulturelle Hauptfaktor im
deutschsprachigen Raum geworden ist. Um so mehr
überrascht es, wenn man sich die Werbung für die
Kultur ansieht, zu der ich einige Worte sagen will.
Um so mehr überrascht es, daß die zuständige und
sehr erfolgreiche Senatsverwaltung für Kulturelle An
gelegenheiten eine eigene Broschüre für die Kultur
werbung nicht herausgibt. Das erstaunt insbesondere
deshalb, weil der Senat nicht ohne Phantasie ist, was
die Werbung für andere Dinge angeht. Ich erwähne da
die Senatsbroschüre über „Richtiges Fischen in Berlin“.
Man kann sich beim Senat auch durch eine Broschüre
„Wo gibt es eigentlich Angelkarten?“ informieren. Wer
zu vertrocknen droht, der wird zur Senatsbroschüre
„Schwimm mal wieder“ greifen. Aber das Berliner Kul
turangebot, was abends in Kreuzberg los ist, wo man
in Charlottenburg Jazz hören kann, welche Lesung wo
von Schriftstellern stattfindet, darüber gibt es zur Zeit
noch keine zusammenfassende Broschüre.
[Momper (SPD): Aber es gibt eine Telefonauskunft!]
— Die gibt es, verehrter, vorwitziger Herr Momper,
wenn man weiß, wen man anrufen will. Aber das ist eines
der Probleme der Kulturwerbung, über die wir hier spre
chen wollen. Es gibt eine Fülle privater und öffentlicher
Einzelankündigungen und Informationen. Ich nenne ein
mal die vom „Cafö Einstein“ oder vom „Literarischen
Colloquium“ oder die Broschüre der „Stiftung Preußi
scher Kulturbesitz“ mit der Überschrift „Berliner Museen“.
Aber schon in diesem Titel und bei dieser Broschüre
zeigt sich das Problem, denn sie ist nicht vollständig.
Es handelt sich nämlich nur um die Berliner Museen
der Stiftung, nicht aber um die ähnlich bedeutenden,
aber nicht an die Stiftung gebundenen Museen.
Im Bereich der Werbung für unsere Galerien sieht es
scheinbar besser aus. Da gibt es die DIN A 5-Broschüre
mit einer — soweit ich das beurteilen kann — vollständi
gen Aufführung des Angebotes. Nur haben wir da das
Problem des Verteilerkreises. Ich vermute, daß diese
Schrift nur den Insidern und den Behörden zugänglich
ist, aber nicht der gesamten Berliner Bevölkerung, ge
schweige denn dem Interessenten im übrigen Bundes
gebiet. Also auch hier die Feststellung; Eine zusam
menfassende periodische Schrift, eine Art Berliner Kul
turführer, gibt es nicht.
Nun gibt es eine weitere Anzahl von Veröffentlichungen
offizieller oder offiziöser Art, die die Berliner Kultur
insgesamt erfaßt. Diese Broschüren haben auch eine
verhältnismäßig hohe Auflage. Ich nenne einmal als erste
die Broschüre „Berlin tut gut“. Sie ist inzwischen durch
die Broschüre „Gast in Berlin“ ergänzt worden, die
schon in Buchform vorliegt, wie mir der Kollege Kollat
gesagt hat. Diese Werbebroschüren von Berlin sind
gut, meiner Ansicht nach aber verbesserungsfähig. Dieses
grelle Papier und eine neckische Gagsprache sind in einer
reizüberfluteten Gesellschaft, insbesondere dann, wenn
es darum geht, die Kulturkonkurrenz aus dem Ausland
zu überflügeln, nicht besonders attraktiv. Ich weiß nicht,
ob Ihnen das alles geläufig ist, was da so verbreitet
wird. Es ist einfach so, daß man manchmal den Ein
druck hat, jedes Möbelhaus wirbt raffinierter und auf
den Punkt gerichteter als diese Broschüre. Sie soll so
ähnlich wie das Berlin-Programm gezielt auf die Touri
sten gerichtet sein, auf die Normaltouristen, wie der
Senat diese sich so vorstellt. Das ist jemand, der nach
Berlin kommt, zu einer Tagung, dann nach Zerstreuung
sucht, ein bißchen Kultur, ein bißchen Sport sucht, viel
leicht auch angeln will. Im Grunde kommt die Kultur
dabei zu kurz. Wir finden zwar den Spielplan der Oper,
der Philharmonie und auch einen Teil unserer Staats
theater, aber das Schwergewicht liegt auf dem „Chez
nous“, dem „Eden-Saloon“, dem „Ku-Dorf“, der „Sper
lingsgasse“. Ich will das nicht weiter verbreitern. Es
gibt diesen französischen Satz „Honi soit qui mal y
pense“, aber wir reden hier und heute über Kultur
und die Werbung dafür. Da paßt es aber nicht hin.
Ein Blick in die andere Stadthälfte, nach Berlin (Ost)
zeigt ziemlich schnell, daß — mutatis mutandis — dort mit
ähnlichem Wasser wie bei uns gekocht wird. Es ist
einfach so, daß die Broschüre da nur etwas anders heißt:
„Wohin in Berlin?“ Sie ist auch schlanker als unser Ber
lin-Programm. Aber im Grunde genommen ist sie genauso
ungezielt und pauschal. So informiert eine mir vorlie
gende Broschüre über die Club-Gaststätte „Zum Stor
chennest“ ebenso wie über die Öffnungszeiten der volks
polizeilichen Meldestellen und über Fechten, Fußball,
Theater und Oper. Es fehlt allerdings, anders als bei uns,
wo es keine geringe Rolle spielt, jeder Quadratzenti
meter Hinweis auf die andere Stadthälfte und was da
kulturell los ist, nämlich auf unsere. Weiter gibt es Spe
zialbroschüren, etwa die „Theaternachrichten“ und klei
nere Einzelveröffentlichungen des Kulturbundes. Aber
wer die chronische Papierknappheit der DDR kennt, der
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