Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
64. Sitzung vom 22. März 1984
Präsident Rebsch eröffnet die Sitzung um 13 Uhr.
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren! Ich eröffne
die 64. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und be
kunde unseren unbeugsamen Willen, daß die Mauer
fallen und daß Deutschland mit seiner Hauptstadt Berlin
in Frieden und Freiheit wiedervereinigt werden muß.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die traurige Pflicht,
Ihnen mitzuteilen, daß unser früherer, langjähriger Kollege, der
Stadtälteste von Berlin Friedrich Krüger, am 15. März 1984 im
Alter von 88 Jahren verstorben ist.
[Die Anwesenden erheben sich.]
Friedrich Krüger gehörte dem Abgeordnetenhaus von Berlin
von Januar 1955 bis März 1967 an. Von 1963 bis 1967 war er
Vorsitzender des Schulausschusses.
Über Fraktionsgrenzen hinweg gewann er in dieser Zeit als
einer der profiliertesten Schul- und Bildungspolitiker des Parla
ments Respekt und Anerkennung. Für ihn waren die Berliner
Schule und ihr Bildungsauftrag Aufgaben, denen er sich beruf
lich bis 1961 als Hauptschulrat im Bezirk Wedding und parla
mentarisch mit großem Engagement widmete. In geradezu idea
ler Weise konnte er so Pflicht und Neigung miteinander ver
binden.
Der Sozialdemokrat Friedrich Krüger war 1933 von den
Nationalsozialisten wegen seiner politischen Überzeugung von
seiner Position als Schulleiter suspendiert, anschließend jahre
lang verfolgt und später inhaftiert worden.
1945 gehörte er dann zu denen, die sich sofort politisch betä
tigten und in den Dienst der Gemeinschaft stellten. Mit beispiel
hafter Einsatzbereitschaft war er im Berliner Schulwesen tätig,
und darüber hinaus stellte er sich immer wieder für Ehrenämter
zur Verfügung.
1971 ehrten ihn Abgeordnetenhaus und Senat mit der
Würde eines Stadtältesten von Berlin.
Wir trauern um einen vorbildlichen Demokraten. Mit unserer
Trauer verbinden wir den Dank für alles, was Friedrich Krüger
für unsere Stadt geleistet hat.
Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben; ich
danke Ihnen.
Es ist ein Antrag der Fraktion der SPD auf Durchführung
einer Aktuellen Stunde mit dem Thema „Fehlplanung des Kul
turforums“ eingegangen, der nach der Geschäftsordnung als
Tagesordnungspunkt 1 a behandelt werden müßte. - Wider
spruch hiergegen erfolgt nicht; es ist daher so beschlossen.
Es liegt Ihnen ferner eine Aufstellung über die eingegange
nen Dringlichkeiten vor. Die Anerkennung der Dringlichkeit er
folgt an der entsprechenden Stelle in der Tagesordnung.
Nunmehr möchte ich Ihnen mitteilen, daß unser Kollege Fritz
Hiersemann heute Geburtstag hat Wir gratulieren ihm herzlich.
[Allgemeiner Beifall]
Ich habe dann weiter die Ehre und Freude, einem Mitglied
dieses Hauses zu einem besonderen Jubiläum gratulieren zu
können. Der Kollege Klaus Franke kann auf eine 20jährige Tä
tigkeit im Abgeordnetenhaus von Berlin zurückblicken. Ihm gel
ten heute unsere herzlichsten Glückwünsche.
Ihr Jubiläum, lieber Herr Kollege Franke, fällt in eine politisch
sehr bewegte Zeit, die uns alle besonders beansprucht. Um so
mehr haben wir Anlaß, für einige Minuten innezuhalten und über
20 Jahre politische Arbeit ein klein wenig nachzudenken.
Diese langjährige Parlamentsarbeit erfordert ein hohes Maß
an Einsatzbereitschaft, Disziplin, Beharrlichkeit und nicht zuletzt
Geduld und Hoffnung. Was eigentlich bewegt jemand dazu,
sich in die Politik zu begeben
[Kunzelmann (AL): Genau!]
und gegebenenfalls das Politikerschicksal zu erleiden, das
Joseph Luns so beschreibt „Wenn ich sonntags einmal zu
Hause bin, fragen meine Kinder; Wer ist der blasse Mann dort,
der den Braten anschneidet?“
[Kunzelmann (AL): Soll er doch seinen Job
niederlegen!]
Dennoch, irgendwann haben letztlich alle, meine Damen und
Herren, die politische Verantwortung übernehmen, etwas ge
meinsam: das Engagement für die Gemeinschaft, und daher, so
meine ich, stünde es unserer Gesellschaft wohl an - und dies
gilt nicht nur für den engeren politischen Bereich, sondern
schlechthin dem Wirken des einzelnen für die Gemeinschaft,
dem Dienst am Mitbürger und Mitmenschen Anerkennung zu
teil werden zu lassen.
Sie, lieber Herr Kollege Franke, haben Ihr politisches Wirken
immer mit dem Willen zum Gestalten durch klare Entscheidung
verstanden, das heißt, politisches Handeln muß für Sie ein Er
gebnis erzielen, das dem Mitbürger dient. Schwerfälligkeit ist
Ihnen auf diesem Wege nicht nur bei den Behörden zuwider,
und fatalistische Denkweise ist Ihnen fremd. Wir haben Sie ken
nen und schätzen gelernt als einen Politiker, der etwas bewe
gen, Entwicklungen voranbringen und Beschlüsse umsetzen
will, und dem das auch gelingt. Der Drang zum Ergebnis, das
Streben nach handfester, praktischer Politik mag es Ihnen mit
unter schwergemacht haben, die erforderliche Geduld für den
oft langwierigen Willensbildungsprozeß im Parlament und im
politischen Leben überhaupt aufzubringen. Tatsächlich gewinnt
man zumindest in Parteien und Organisationen gelegentlich
den Eindruck, daß Diskussionen, die in einer Demokratie uner
läßlich sind, von manchen Teilnehmern als Selbstzweck ange
sehen oder gar als Mittel der Verzögerung von Entscheidungen
benutzt werden.
[Kunzelmann (AL): Hört, hört!]
Auch unser Parlament - diese Bemerkung sei hier selbstkri
tisch eingefügt - könnte oft durch Straffung von Debatten und
Vermeidung von Wiederholungen seinen Willensbildungspro
zeß beschleunigen und seine Arbeit generell rationeller gestal
ten.
[Beifall des Abg. Kunzelmann (AL)]
Doch diese Problematik, lieber Herr Kollege Franke, ist Ihnen
aus Ihrer Tätigkeit als langjähriger Vorsitzender des Ausschus
ses für Bau- und Wohnungswesen, als Vorsitzender zweier
Untersuchungsausschüsse und schließlich als stellvertreten
der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin bestens be
kannt.
Sie haben zwei Jahrzehnte hindurch die Berliner Landespoli
tik maßgebend mitgestaltet, und Sie haben dazu beigetragen,
daß nicht nur die Exekutive, sondern auch die Legislative Aus
gangspunkt praktischer Politik ist.
Seit September 1983 nun sind Sie als Senator für Bau- und
Wohnungswesen für einen der wichtigsten und schwierigsten
Bereiche der Berliner Politik unmittelbar verantwortlich. Diese
Position mit all ihren Gestaltungsmöglichkeiten entspricht
Ihrem Naturell sicherlich ganz besonders. Die Bürde des Am
tes und die außerordentliche Arbeitsbelastung bewältigen Sie
mit Energie, Beharrlichkeit und Konsequenz.
Das Abgeordnetenhaus von Berlin dankt seinem Mitglied
Klaus Franke für 20 Jahre parlamentarische Arbeit zum Wohle
Berlins. Unseren Dank verbinden wir mir den besten Wünschen
für die Zukunft. Als äußeres Zeichen unserer Anerkennung darf
ich Ihnen nunmehr die Ehrenmedaiile des Abgeordnetenhauses
überreichen und darf die Urkunde verlesen;
Das Abgeordnetenhaus von Berlin ehrt sein Mitglied Klaus
Franke, Senator für Bau- und Wohnungswesen, für seine
20jährige Arbeit als Volksvertreter zum Wohle Berlins.
[Kunzelmann (AL): Na, na!]
Klaus Franke war von 1967 bis 1979 Mitglied des Aus
schusses für Bau- und Wohnungswesen des Abgeord
netenhauses von Berlin. Von 1972 bis 1979 war er Vorsit
zender dieses Ausschusses.
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