Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
63. Sitzung vom 8. März 1984
Sen Fink
Zweitens: Es ist ebenfalls ein Erfolg, daß die Zahl der
Ausbildungsplätze insbesondere der weiblichen Auszubil
denden drastisch gesteigert werden konnte, und zwar in
den vergangenen zehn Jahren um fast 150 %. Es sind
mittlerweile in den Ausbildungsberufen Jungen und Mäd
chen fast gleichwertig beteiligt. Ich finde, das ist ein
Erfolg.
Drittens: Ich halte es ebenfalls für einen Erfolg, daß
mehr und mehr Mädchen in sogenannten traditionellen
Männerberufen, wie im gewerblich-technischen Bereich,
ausgebildet werden und daß sie dort wirklich gute und an
erkennenswerte Leistungen erbringen.
Und viertens: Ich finde es gut, daß es gelungen ist, hier
in Berlin sogenannte Frauenförderungsrichtlinien zu be
schließen. Der Senat hat eine Vorbildfunktion. Er ist ihr
durch diese Frauenförderungsrfchtlinien gerecht geworden,
und diese Frauenförderungsrichtlinien sind eben nicht nur
allgemeiner Appell, sondern die sind ganz konkreter
Handlungszwang. Einmal besteht er darin, daß alle Senats
verwaltungen nach zwei Jahren über die Erfolge zu be
richten haben. Das, finde ich, ist erst einmal ein wichtiger
Punkt. Zweitens, wenn Sie sich etwa die Bestimmungen
anschauen, wissen Sie, daß wir Frauen bei Einstellungen
in den öffentlichen Dienst, wenn sie älter als 45 Jahre
sind, überhaupt nicht mehr und Frauen unter diesem
Lebensalter nur noch dann nach der Existenz einer
Schwangerschaft befragen, wenn das aus Schutzgründen
für Mutter und Kind geboten ist, und daß mittlerweile fast
alle Berliner Senatsverwaltungen und auch mittlerweile
die Mehrzahl aller Bezirke dieser Empfehlung gefolgt
sind. Ich finde, das ist wirklich ein beachtlicher Erfolg,
jedenfalls ein Erfolg, der innerhalb eines halben Jahres
bewerkstelligt werden konnte. Ich bin sehr froh, daß im
Frauenausschuß diese Leistung auch die entsprechende
Anerkennung gefunden hat.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Wir haben eine ganz besondere Verpflichtung, beson
ders gegenüber den türkischen Mädchen und Frauen.
Gerade diese müssen einen großen Teil der Integrations
last tragen. Deshalb haben wir in Berlin mittlerweile elf
Beratungs- und Frauenläden für türkische Frauen aufge
baut. Ich finde, das ist wirklich eine beachtliche Leistung.
Vor kurzem habe ich gelesen, der Kollege Farthmann aus
Nordrhein-Westfalen, bekanntlich Mitglied der SPD, habe
eine beachtliche Studie zu diesem Problem vorgelegt.
Dann sei dieser von den Journalisten gefragt worden,
was denn für eine Konsequenz daraus zu ziehen sei, und
er habe geantwortet: Geld könne er leider nicht geben.—
Wir haben keine solche Studie gemacht, sondern wir
haben konkret elf solcher Läden in Berlin ausgebaut. Das
ist der Unterschied zwischen einer CDU- und einer SPD-
Politik!
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Oder ein anderes Beispiel: Da wird immer gesagt,
Frauenhäuser würden in Berlin zuwenig Geld bekommen.
Tatsache ist, daß wir, etwa im Vergleich mit sonstigen
Bundesländern, das meiste Geld für Frauenhäuser aus
geben. Zweitens ist Tatsache, daß entgegen dem allge
meinen Weh- und Ach-Geschrei wir das Geld für die
Frauenhäuser nicht vermindert haben, sondern wir haben
es um 30 Prozent gesteigert.
[Dr. Köppl (AL): Das ist nicht wahr! —
Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
— Um 30 Prozent. Vorher war es eine Million, jetzt sind
es ungefähr 1,3 Millionen. Aber, Herr Abgeordneter Köppl,
Sie brauchen sich die Zahlen nur mal anzusehen. — Dar- (C)
über hinaus haben wir noch folgendes gemacht: Ein neues
Frauenhaus ist in Berlin eingerichtet worden, und ein
Nachbetreuungsladen ist eingerichtet worden. Das gab es
vorher gar nicht.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Das kann man alles nachlesen. Weiterhin: In der Förde
rung von Selbsthilfeinitiativen von Frauen sind aus dem
7,5-Mio-Topf über 30 Projekte mittlerweile gerade in die
sem Bereich gefördert worden. Schauen Sie sich bei
spielsweise mal das Waschhaus in der Gropiusstadt an:
Das ist eine tolle Sache. Das Waschhaus wäre nie zu
stande gekommen, wenn der Senat nicht das entspre
chende Geld dafür gegeben hätte. Endlich mal ein Ange
bot für die Frauen, die dort in der riesigen Gropiusstadt
— Gott, wer die bloß errichtet hat — sind,
[Vetter (CDU): Schweigen wir darüber!]
mit dem jedenfalls dort ein wirklicher Beitrag zur Inte
gration geleistet wird, damit die Vereinsamungsprobleme
abgebaut werden, die, wie Sie wissen, enorme psycho
soziale Probleme gerade bei Frauen um die 40, beson
ders in solchen Siedlungen, verursachen. Hier gibt es ein
wirkliches Gegenangebot, das mit Hilfe der Senatsförde
rung in die Wege geleitet worden ist. Auch das sollte
man, finde ich, einmal anerkennen. Das kann man doch
nicht einfach verschweigen, Frau Zieger.
Wer Haushalt und Beruf miteinander verbinden will, für
den sind Teilzeitarbeitsplätze besonders wichtig. Es sind
mittlerweile 18 000 Teilzeitarbeitsplätze im öffentlichen
Dienst des Landes Berlin vorhanden. Vor sechs Jahren
waren es gerade 9 000. Wir haben also die Zahl verdop- (D)
pelt. Ich finde, das ist ebenfalls eine Leistung, die man
einfach anerkennen muß. Oder nehmen Sie beispiels
weise folgendes — ich will diesen Punkt mal ganz beson
ders in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen —:
Der Regierende Bürgermeister hat in seiner Regierungs
erklärung angekündigt, daß er insbesondere dem Punkt
Wiedereingliederung von Frauen ins Erwerbsleben nach
Abschluß der Familienphase einen ganz besonderen Stel
lenwert einzuräumen gewillt ist. Das halte ich für einen
ganz gewichtigen und gravierenden Punkt. Denn wir sehen
es als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, den Frauen,
die sich für die Aufgabe der Kindererziehung im Haus
halt entschieden haben, nun nicht deshalb, weil sie sich
einmal dafür entschieden haben, auf Dauer jede Wahl
möglichkeit zu nehmen, vielmehr muß ihnen durch beson
dere Angebote die Möglichkeit gegeben werden, daß sie
in den weiteren Lebensphasen wirklich frei entscheiden
können, was sie mit dem Rest ihres Lebens machen.
Meistens ist es so, daß die Frauen die Hälfte ihres Le
bens noch vor sich haben, wenn das jüngste Kind aus
dem Haushalt gegangen ist. Da muß einfach konkret ein
gesetzt werden.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Der Senat wird noch in diesem Jahr ein Programm zur
Wiedereingliederung und Fortbildung der Frauen be
schließen. Unser Ziel ist, daß noch in diesem Jahr 500
Frauen ihre berufliche Orientierung und Qualifizierung
durch dieses Programm entscheidend verbessern. Daß
gut ausgebildete und qualifizierte Frauen auch in der heu
tigen Situation Chancen auf dem Berliner Arbeitsmarkt
haben, zeigen die Erfahrungen des Modellprojekts „Wie
dereingliederung von Krankenschwestern“, indem allen
Krankenschwestern — ich sage ausdrücklich: allen Kran
kenschwestern —, die am ersten Kursus teilgenommen
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