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Volume Nr. 62, 23. Februar 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1983/84, 9. Wahlperiode, Band IV, 54.-70. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
62. Sitzung vom 23. Februar 1984 
RBm Diepgen 
losigkeit ist ein tausendfaches, schweres Schicksal für Men 
schen, und deswegen ist und bleibt dieses Thema Sorge und 
Anliegen Nummer eins unserer gesamten Politik. 
[Anhaltender Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Dabei werden wir pragmatisch vergehen. Es geht uns um 
eine durchgreifende Gesundung der Wirtschaftsstruktur und 
um eine schnelle Linderung der Arbeitslosigkeit. 
Dies ist der Rahmen unserer Beschäftigungspolitik: 
1. Berlin leistet seinen ihm möglichen Beitrag zur Belebung 
der Konjunktur, vor allem durch einen investiven Staatshaushalt. 
[Zuruf von der CDU: Sehr gut!] 
2. Unsere aktive Industriepolitik ist auf die Schaffung zu 
kunftssicherer Arbeitsplätze ausgerichtet; gerade hierin ist eine 
einfallsreiche Landespolitik herausgefordert. 
[Zurufe von der AL] 
3. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Ausbildung und Flexi 
bilität in den Arbeitszeitregelungen schaffen flankierend kurz 
fristig Abhilfe. 
Nur einem Scheinrezept verweigert sich der Senat; der Sub 
ventionierung überholter Strukturen durch Ausweitung der 
Staatsverschuldung; die ist ohnehin schon hoch genug. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Jedermann weiß: die Verschleppung einer Krankheit ist die 
schlechteste Therapie. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Eine gute Ausbildung ist die beste Chance für einen Arbeits 
platz. Ich möchte deshalb von hier aus den vielen Unternehmen 
in Industrie, Handwerk und im Dienstleistungsbereich für ihre 
beispielhaften Ausbildungsanstrengungen der letzten zehn 
Jahre danken - mit einer bundesweit einmaligen Zuwachsrate 
von 135 Prozent auf zur Zeit mehr als 40 000 Ausbildungs 
plätze, das alles unterstützt durch das Ausbildungsprogramm 
des Senats. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Ich verbinde diesen Dank auch mit einem dringenden Appell 
an alle Beteiligten; Mobilisieren Sie auch 1984 noch einmal alle 
Kräfte in der Ausbildungsverbesserung! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Auch der öffentliche Dienst und die Eigenbetriebe haben 
ihren Beitrag dazu zu leisten. 
Der Stand der Ausbildung ist entscheidend für den Wirt 
schaftsstandort Berlins. Nachdem in den letzten Jahren über 
den Bedarf ausgebildet wurde, muß unsere Sorge jetzt verstärkt 
denen gelten, die vor dem Abschluß ihrer Lehre stehen und um 
einen Arbeitsplatz bangen. Ich wende mich an die Berliner Wirt 
schaft: Suchen auch Sie nach neuen Wegen, um die jungen 
Menschen nicht „im Regen stehenzulassen“, und zwar diejeni 
gen, die jetzt eine Ausbildung abgeschlossen haben. Die Aus 
gebildeten dürfen sich nicht am Anfang ihres Berufslebens 
bereits am Ende fühlen. Dies zu verhindern, ist für uns alle eine 
Herausforderung. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Sie beherzt anzugehen, sollte jedoch auch im Eigeninteresse 
der Berliner Wirtschaft liegen: Der Facharbeitermangel der 
neunziger Jahre ist bereits heute abzusehen. Die Ausgebildeten 
mit einer Anstellung dauerhaft an Berlin zu binden, ist deshalb 
ein wichtiges Stück Zukunftsvorsorge der Berliner Unter 
nehmen. 
[Momper (SPD): Kunzeimann schläft!] 
Teilzeitarbeit und Arbeitsförderungsmaßnahmen weisen einen 
gangbaren Weg. 
[Vereinzelter Beifall bei der CDU] 
Da wir Berlin als Zentrum für Zukunftsindustrien ausbauen (C) 
wollen, müssen wir eine weitere neue Aufgabe intensiv in An 
griff nehmen: die Qualifizierung für Berufe von morgen. Sie 
muß bereits heute beginnen. Wir wollen, daß in Berlin mehr 
Menschen in innovativen Zukunftsberufen wie dem EDV-Marke- 
ting, der Kommunikationstechnologie, der EDV-Nachrichten- 
technik oder der Fertigungsorganisation ausgebildet werden. 
Das ist ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen werden. 
Der Senat wird den Arbeitsmarkt auch entlasten durch seine 
investive Haushaltspolitik. Sie sichert mit Vorrang beschäfti 
gungswirksame Ausgaben. Wir sind stolz darauf, daß Berlin mit 
der Steigerung seiner Investitionsquote im Haushalt an der 
Spitze der Großstädte und Ballungsgebiete steht Das wird so 
bleiben. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Aber mit diesen Maßnahmen allein ist es nicht getan. Was die 
Berliner Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze bedroht, das 
sind ihre Strukturprobleme. Keiner darf sich Illusionen hin 
geben oder solche verbreiten: Arbeitsplätze mit veralteter Tech 
nik sind selbst zu Billigstlöhnen - und wer will die eigentlich? - 
auf Dauer nicht zu halten. Deshalb ist Erneuerung notwendig. 
Daß hierbei auch Arbeitskräfte freigesetzt werden können, 
diese schmerzliche Wahrheit verschweige ich nicht. Aber nur 
durch die rechtzeitige Einführung neuer Techniken werden die 
Arbeitsplätze im Ganzen sicherer. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Maßnahmen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit dürfen wir 
nicht nur Japan und den USA überlassen. Das sind wir gerade 
unseren Arbeitnehmern schuldig. 
[Zuruf von der CDU: Sehr richtig!] 
Hierauf zielt auch die Feststellung des DIW-Präsidenten Pro 
fessor Krupp vor kurzem in Bonn, der sagte, Produktivität sei 
gerade kein Job-Killer. Ganz im Gegenteil. Deshalb betreibt der 
Senat eine aktive Industriepolitik, die auf den Zuwachs von Pro- (D) 
duktivitäl gerichtet ist Mikroelektronik, Robotertechnik, die 
Kommunikationstechnologien, Bio- und Umwelttechnik, das 
sind Branchen mit Zukunft und Wachstumschancen. Wir kön 
nen und werden sie in Berlin verankern und uns so in der Spit 
zengruppe derer halten, die am wirtschaftlichen Wandel teil 
nehmen. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Gefordert sind jetzt die Berliner Unternehmen. Denn vor 
allem auf sie, die kleinen und mittleren in Handwerk und Indu 
strie, ist die Strukturpolitik zugeschnitten. Von ihnen gehen die 
stärksten Wachstumsimpulse aus. Bei ihnen bedeutet 
Wachstum von Produktivität sehr viel unmittelbarer die Schaf 
fung von Arbeitsplätzen als bei großen Unternehmen. Die Re 
form der Berlinförderung stärkt, wie übrigens auch das DIW vor 
wenigen Wochen feststellte, besonders die Berliner Zulieferer 
betriebe, auch im Handwerk. 
Die Berliner Unternehmen, die noch mit älterer Technik arbei 
ten, die noch nicht den Übergang von der Mechanik zur Mikro 
elektronik vollzogen haben, müssen nicht nur neue Technik an 
wenden, sondern sie vor allem hier entwickeln und produzieren, 
sie von hier aus auch exportieren. Sie müssen sich die wach 
senden Märkte erobern und zum Nachfragemagneten weit über 
diese Stadt hinaus werden. In Berlin haben sie die Chance, 
schneller zu sein als andere beim Umsetzen von Forschungser 
gebnissen bis hin zur Vermarktung eines neuen Produktes. In 
dem Maße, in dem das gelingt, wird der Einsatz neuerTechnolo- 
gien in der Industrie neue Arbeitsplätze mit höherer Qualifika 
tion schaffen, und zwar in Forschung und Entwicklung, im Pro 
duktdesign, Marketing, Ausbildung, Wartung und anderen Be 
reichen. 
Dieser Senat hilft dabei, die Umsetzung von Forschungs 
ergebnissen in neue Produkte, denTechnologietransferalso, zu 
erleichtern. Der Ausbau unserer Transferstellen, Expertengrup 
pen, die Anschubfinanzierung, das Berliner Innovations- und 
Gründerzentrum, aber auch der Innovationsfonds, die Vertriebs- 
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