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Volume Nr. 60, 9. Februar 1984

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1983/84, 9. Wahlperiode, Band IV, 54.-70. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
60. Sitzung vom 9. Februar 1984 
Frau Zieger 
lieh, als politisch unverantwortlich ansehe, diesen Menschen 
noch weiter in diesem Amt zu lassen. Und wenn ich ein poli 
tisches Ziel in den nächsten 14 Monate habe, dann ist es 
dieses, daß es nicht 14 Monate dauern wird, bis dieser Innen 
senator endlich, endlich von seinen Rücktrittsbeschwerden 
geheilt und endlich diesen Stuhl verlassen wird. 
[Beifall bei der AL] 
Stellv. Präsident Longolius: Nächster Redner ist der 
Abgeordnete Petersen. 
Petersen (fraktionslos): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Nach Ihrer Wahl 
schlagen Sie uns nun die Liste der Senatoren für Ihre Über 
gangsregierung vor, die gemeinsam mit Ihnen wohl auch die 
Aufgabe hat, bis zu den Wahlen in einem Jahr sowohl christ- 
demokratisches als auch liberales Profil zu zeigen. Welche 
Kandidaten fallen Ihnen für diese schwierige Aufgabe ein? 
Zeigt nicht die Liste der zu wählenden Senatoren, daß auch der 
künftige Senat seiner bisherigen wenig liberalen und häufig 
profillosen Linie treu bleiben wird? 
Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß ich aufgrund 
der Geschäftsordnung nur fünf Minuten Redezeit habe; 
[Buwitt (CDU): Schon zuviel!] 
deshalb beschränke ich mich nur auf einige Senatoren, zu 
denen ich reden werde. Insbesondere die Kandidatur Heinrich 
Lummers ist für jeden Liberalen eine Zumutung, Die bisherige 
Praxis der Intoleranz und Illiberalität gegenüber Minderheiten 
wird durch ihn fraglos fortgesetzt. Es ist bezeichnend für das 
politische Elend dieser Stadt, daß man auf seiten der CDU 
offenbar nur noch solche Politiker aufbieten kann, die sich 
durch derartige Tugenden auszeichnen, anstatt Toleranz und 
gegenseitiges Verstehen zu fördern. Betreibt doch gerade Herr 
Lummer eine konsequente Politik der Konfrontation gegenüber 
Ausländern und Andersdenkenden! Der tragische Vorfall vom 
Augustaplatz war nur der erschreckende Höhepunkt dieser Ent 
wicklung, der leider auch der neue Regierende Bürgermeister 
keinen Einhalt gebieten wird. 
Herr Lummer wird nicht ausgetauscht, ganz im Gegenteil zu 
Ulrich Rastemborski, einem Mann, der sich zumindest bemüht 
hat, neue Wege in der Wohnungsbauförderung zu finden. Der 
Verdacht liegt nahe, daß er diesen neuen Weg auch gefunden 
hat. Oder warum sonst wurde Franke Bausenator und soll es 
heute wieder werden? - Sie wissen doch ebenso gut wie ich, 
Herr Regierender Bürgermeister, daß niemand so recht an das 
Schauspiel mit dem dünnhäutigen Poliker glaubt. In der Tat 
weist Nachfolger Franke ja auch nach, weshalb die Ablösung 
Rastemborskis notwendig wurde. Mehr Abriß, mehr Neubau, - 
sagt Franke und meint damit höhere Mieten. Änderung der För 
derung im Altbaubreich, - sagt Franke - ziemlich heimlich übri 
gens -, und meint damit einseitig an den Interessen von Groß- 
bauträgern ausgerichtete Politik. Dies alles wäre - davon bin 
ich überzeugt - mit Ulrich Rastemborski nicht möglich ge 
wesen. Ja, meine Damen und Herren, hier zeigen Sie Profil. Es 
fragt sich nur, was für eines. 
Zu dem für mich unverständlicherweise immer noch als libe 
ral bezeichneten Senator Hermann Oxfort ist nur zu sagen: Wer 
derart kalt und zynisch über den Tod von sechs Menschen hin 
weggeht, wie Oxfort 
[Rasch (F.D.P.): Das ist doch Quatsch, 
das ist nicht wahr!] 
dies in seiner Stellungnahme zu den furchtbaren Ereignissen 
vom 31. Dezember vor wenigen Wochen in diesem Hause 
getan hat, und dabei keinerlei Verständnis für die Verzweiflung 
und die Hoffnungslosigkeit angesichts der unmenschlichen 
Bedingungen im Abschiebegefängnis am Augustaplatz auf 
bringt, die die Katastrophe auslösten, der ist generell untragbar 
für höhere Politik. Seine heutige Nominierung als Justizsenator 
ist eine Unverschämtheit. Wir können nur hoffen, daß die 
Wähler im nächsten Frühjahr diesen Politikern die verdiente (C) 
Abfuhr erteilen. - Ich danke Ihnen. 
Stellv. Präsident Longolius: Das Wort hat jetzt der Kollege 
Kunzeimann. 
[Gelächter des Abg. Baetge (F.D.P.)] 
Kunzeimann (AL): Ihr Verständnis von einer unabhängigen 
Justiz dokumentiert die CDU dadurch, daß sie als Justizsenalor 
einen Mann präsentiert, dem ausgerechnet Heinrich Lummer 
eine „duodezfürstliche Einstellung zum Parlamentarismus“ atte 
stierte. Sein Comeback verdankt dieser Provinzfürst aus Span 
dau 
[Gelächter des Abg. Baetge (F.D.P.)] 
dem Kauf einer ganzen Partei durch Bauspekulanten und Wirt 
schaftsbosse. 
[Beifall des Abg. Dr. Köppl (AL)] 
Denn vor dem Wahlbetrug und dem Umfall der F.D.P. schaffte 
der bereits einmal gescheiterte Hermann Oxfort nicht einmal 
mehr die Nominierung für das Abgeordnetenhaus. 
[Beifall bei der AL] 
Erst durch den Einkauf einer neuen Parteibasis stieg sein Kurs 
im innerparteilichen Kampf um Posten und Einfluß. Instinkt für 
Macht ist denn auch das Qualitätsmerkmal für Hermann Oxfort. 
Aber gekaufte Macht disqualifiziert sich zugleich. Wie soll ein 
Justizsenator zum Beispiel die Wirtschaftskriminalität be 
kämpfen, der sein Comeback selbst dem großen Geld ver 
dankt? - Nicht Unabhängigkeit und Liberalität, nicht Resoziali 
sierung und Chancengleichheit sind seine Handschrift, son 
dern Sicherheitsdenken im Strafvollzug bis hin zur Inhumanität, 
überfüllte Zellen, Erschwernisse bei Ausgang und Hafturlaub. 
Rechtspolitisch ist dieser Justizsenator in wilhelminischer 
Denkart verhaftet, wenn er beispielsweise dem Bonner Entwurf ^ 
zum Landfriedensbruch zustimmt, einer Gegenreform, vor der 
selbst der Präsident des Bundesgerichtshofs warnt. Sein 
Instinkt für Macht wird gelegentlich nur noch von seiner stock- 
konservativen Gesinnung übertroffen. 
[Elsner (CDU): Das ist wohl Ihr Haftkoller, 
der da spricht!] 
So hielt er noch an Karlheinz Meyer als Kandidat für den Posten 
des Kammergerichtspräsidenten fest, als selbst SPD, CDU und 
Richterbund ihm schon die Gefolgschaft verweigerten. Karl 
heinz Meyer hatte ein energisches Vorgehen der Justiz verspro 
chen und dabei Demonstranten und Terroristen in einen Topf 
geworfen. Nur Oxfort störte sich nicht daran! Bei den Richtern 
mißt er mit zweierlei Maß. Gegen Richter, deren öffentlich ge 
äußerte Meinung ihm nicht paßt, ordnet er Disziplinarmaßnah 
men an, nimmt aber gleichzeitig die tendenziösen Kommentare 
eines anderen Richters in der „Berliner Morgenpost“ ohne Miß 
billigung hin. Er gründete mit Lummer die erzkonservative „Ber 
liner Bürgergemeinschaft“ und mußte sich von diesen trotzdem 
„mangelnde Weitsicht“ nachsagen lassen. Dabei hatte er doch 
schon 1972 der Bundesregierung die Verwendung von Klaus 
Schütz als Botschafter in Nigeria vorgeschlagen. Nach Art 
eines Landesfürsten ließ er sich mal den Dienstwagen nach 
Avignon nachkommen, um sich damit privat nach Mainz fahren 
zu lassen. Auch forderte er als Justizsenator die Aufhebung des 
Motorboot-Fahrverbotes - schließlich war er selbst Motorboot 
fahrer. Derartige Peinlichkeiten wurden nur noch übertroffen, 
wenn er sich - natürlich nur vor einer Wahl - liberal und sozial 
gab. So forderte er einmal - lang, lang ist es her - den Nulltarif 
für die U-Bahn und sogar die Abwahl des Polizeipräsidenten 
Hübner, als dieser nach einem aufgesetzten Genickschuß des 
Polizisten Salzwedel gegenüber der Öffentlichkeit die Unwahr 
heit gesagt hatte. Nach der Wahl hat er freilich jede Tariferhö 
hung der BVG ebenso mitgetragen wie den Polizeipräsidenten. 
Nein - die Liberalität Oxforts beschränkt sich darauf, für Beate 
Uhses Pornokinos die Schließung zu verhindern. Ansonsten ist 
er kohlbirnenschwarz. Im Dezember 1982 schrieb der Direktor 
des Amtsgerichts Spandau folgendes: 
3631
	        
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