Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
58. Sitzung vom 19. Januar 1984
Rasch
(A) der Bezirksebene geben wird und hier nicht lauthals von Ihnen
die S-Bahn gefordert wird, Sie aber auf der Bezirksebene die
Integration real verhindern. Denn eines können wir uns nicht
leisten: Wir können die S-Bahn nicht einfach oben draufstülpen
auf das jetzt bestehende Verkehrsnetz und das auch noch
finanzieren - das ist nicht möglich.
[Dr. Meisner (SPD): Aber genau das !]
Sondern es wird notwendig sein, eine Umschichtung vom Bus
auf die S-Bahn und auch kostenmäßig eine deutliche Entla
stung zu erreichen. Ich will zu Ihrer Mäßigung vor Augen führen,
daß wir mit einer erheblichen Kostenerweiterung zu rechnen
haben, auch bei der jetzigen Verkehrssituation der BVG; wir
haben über 500 Millionen Betriebsverlust bei der BVG, und
wenn Sie sich einmal die mittelfristige Finanzplanung ansehen,
dann läuft dieser Verlust sehr schnell auf 600 Millionen zu und
darüber hinaus.
[Sen Kunz: Jawohl!]
Und wir haben das teuerste und auch wichtigste Verkehrs
system in der gesamten Republik. Das heißt, wenn wir hier
wahrheitsgemäß miteinander umgehen wollen, dann müssen
wir auch dem Bürger sagen, daß hier auch für den einen oder
anderen Bequemlichkeiten in gewissem Umfang eingeschränkt
werden müssen und daß das auch finanziert werden muß - und
daß nicht nur Bonn - egal, wie sich die Bundesregierung zu
sammensetzt - aus dem Füllhorn seiner Mittel uns ständig so
wohl über die Bundeshilfe wie auch über unmittelbare finan
zielle Transaktionen die finanziellen Lasten abnehmen kann. So
einfach ist das nicht! Wir sollten hier sauber miteinander um
gehen; das Finanzproblem muß auch gelöst werden, und das
muß dem Bürger gesagt werden.
[(Wachsmuth (AL): Sagen Sie doch mal was
zu unserem Vorschlag!]
Selbstverständlich - und darauf legen wir großen Wert - müs-
(B) sen die BVG und der Senat auch darauf achten, daß hier nicht
voll zugeschlagen wird nach dem Motto: Es muß alles vom Fein
sten, vom Reinsten und Schönsten sein.
[(Staffelt (SPD): Das war ja mal anders, Herr Rasch!]
- Da war ich aber nicht dafür! - Auch hier sollten wir dafür wer
ben, daß zunächst einmal die Holzbänke in den Zügen verblei
ben - so soll es ja auch sein - und nicht durch aufwendige Ver
änderungen andere Bänke in die Züge hineingebracht werden.
[Beifall bei der CDU]
Im übrigen lassen sich die Holzbänke nicht so einfach demolie
ren wie andere Bänke. Es wird auch darauf zu achten sein, daß
bei der Herrichtung der Bahnhöfe nicht übertrieben wird, die
zwar wieder schön hergestellt werden sollen, auch in ihrem
historischen Wert, aber auch hier muß nicht alles vom Feinsten
und Schönsten sein. Ich glaube, der Senat könnte die Chance
nutzen, mit ABM-Mitteln eine Verbesserung des optischen Bil
des der Bahnhöfe zu erreichen. Also; Ich möchte an Sie appel
lieren, daß wir möglichst sparsam die Belriebsfähigkeit der
S-Bahn sicherstellen - und nicht mit zu viel aufwendigen
Maßnahmen.
In den Rahmen des Finanzkonzepts gehört natürlich auch
die Bemerkung, daß wir auf den geplanten Umsteigebahnhof
Gleisdreieck verzichten und im investiven Bereich, und nur
dort, eine Umschichtung der auch vom Bund zugesagten
Mittel erreichen. Auch hier ist ja für uns Luft entstanden. Es wird
also darauf ankommen, die Bundesregierung zu überzeugen,
daß das Konzept, daß sie seinerzeit als Alternative mit dem Se
nat beraten hat, akzeptiert wird und daß die Bundesregierung
grünes Licht dafür gibt. Das muß in den nächsten Tagen und
Wochen erfolgen. Wir müssen auch finanzpolitisch auf dem
Teppich bleiben, und wir müssen eine Integration der verschie
denen Verkehrsträger erreichen mit dem eindeutigen Vorrang
[Wachsmuth (AL): Sie als Dienstwagenbenutzer!]
des öffentlichen Nahverkehrs. Dann hat die S-Bahn in Berlin
eindeutig eine Chance, und dann werden wir auch sehen - das
ist eine mittelfristige Vision, die ich hier formuliere -, daß es (C)
sinnvoll sein wird, wenn die Verkehrsströme sich so entwickeln,
die Ringbahn eines Tages wieder in Betrieb zu nehmen und
weitere Strecken im S-Bahnnetz zu nutzen - allerdings immer
mit dem klaren Ziel, umzuschichten und zu integrieren und nicht
mit der S-Bahn einen zusätzlichen Service zu bieten. Wir sind
sehr optimistisch, daß es uns gelingen wird, die S-Bahn nicht
nur als Schrumpfkonzept, sondern mit einem vernünftigen
Einstiegskonzept von Frohnau bis Lichtenrade und bis Wann
see zu reaktivieren. Der Bürger wird diese Bahn annehmen.
Und damit haben wir ein umweltfreundliches, technisch hervor
ragendes Nahverkehrssystem in unserer Stadt. Zum Miesma
chen, Maulen und Meckern ist kein Platz!
[Beifall bei der SPD und der CDU]
Stellv. Präsident Longolius: Bevor ich dem nächsten Red
ner das Wort gebe, möchte ich ihn und Sie alle auf die Ge
schäftsordnung hinweisen, die im § 64 Abs. 2 festhält: „Die Re
dezeit für fraktionslose Abgeordnete beträgt fünf Minuten.“ -
Das Wort hat der Kollege Petersen.
Petersen {fraktionslos); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich bin natürlich nicht ganz damit einverstanden, daß
man zu so vielen Tagesordnungspunkten nur fünf Minuten
reden kann, und ich werde das noch einmal prüfen.
[Staffelt (SPD): „LD“! - Zuruf von der AL:
Was heißt denn „LD“?]
Ich werde meiner Rede zunächst voranstellen, was ich
soeben der Presse mitgeteilt habe; Der Präsident des Abgeord
netenhauses hat mir eine Erklärung nach § 66 der Geschäfts
ordnung verwehrt —
Präsident Rebsch: Herr Kollege, ich rufe Sie zur Sache,
sonst entziehe ich Ihnen das Wort. (D)
Petersen {fraktionslos): Gut, okay! Dann kommen wir später
dazu.
Die „Liberalen Demokraten“ sehen in dem Antrag der SPD-
Fraktion Minimalforderungen.
[Momper (SPD): Sagen Sie mal: Wer?]
- Die SPD-Fraktion.
[Momper (SPD): Ach so! - Zuruf von der F.D.P.:
Ist der jetzt bei euch? - Simon (CDU): Später!]
- Nein, nein! - Die „Liberalen Demokraten“ sehen in dem An
trag der SPD-Fraktion -
[Momper (SPD): Aha!]
- Nun bringen Sie mich doch bitte nicht durcheinander -
[Simon (CDU): Wir machen doch nur Spaß!]
Minimalforderungen, wie sie überall diskutiert werden; denen
kann man nicht widersprechen. Dabei muß wohl berücksichtigt
werden, in welch vielfältiger Weise die SPD personell und orga
nisatorisch mit der BVG und keinesfalls nur auf der Ebene des
Verkehrsmeisters verflochten ist. Deshalb stellt der SPD-Antrag
eher eine Rücksichtnahme auf Anfangsprobleme der BVG dar,
als von diesem Eigenbetrieb eine große Kraftanstrengung abzu
verlangen.
[Staffelt (SPD): Das glauben Sie doch selbst
nicht, was Sie da erzählen!]
Aber immerhin soll - wie Punkt 4 ausweist - bis zum 1. Juni
1984 ein Gesamtkonzept von der Regierungsseite vorgelegt
werden, in dem - hoffentlich - die zügige Wiedereröffnung fol
gender bislang stillgelegter Strecken zusätzlich zu den bean
tragten zu finden ist: Abzweig nach Lichterfelde-Süd, Strecke
nach Staaken und die Ringbahn. Außerdem müssen Planungs
konzepte für eventuell notwendige zusätzliche Stationen auf
diesen Strecken entsprechend neuer Siedlungsschwerpunkte
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