Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
58. Sitzung vom 19. Januar 1984
(A) Präsident Rebsch: Herr Senator!
Wronski, Senator für Arbeit und Betriebe: Herr Abgeord
neter Momper, ich nehme nicht zu der Polemik, sondern zum
sachlichen Inhalt - soweit er erkennbar ist - Ihrer Frage Stel
lung. Ich wiederhole: Die BVG als ausführendes Organ einer
Planung, über die zu reden sein wird - und deshalb bitte ich
Sie, zu differenzieren und gerecht zu bleiben bei der Bewertung
der Leistung der BVG -, hat im Rahmen des ihr gestellten Auf
trags - und der ist von mir zitiert worden - ihre Aufgabe gelöst.
[Momper (SPD): Ist ja richtig!]
Die von Ihnen eingeführte Polemik ist von der Sache des ur
sprünglichen Fragestellers her abwegig. Sie ist aus Ihrer Be
wertung der Gesamtlage hinreichend verständlich; dennoch
gehört sie nicht zu dem Thema, das der Kollege Striek hier an
gesprochen hat.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - der Abgeord
nete Dr. Meisner.
Dr. Meisner (SPD): Herr Senator, sind Sie nicht auch der
Meinung, daß aufgrund der nun gerade von uns allen angespro
chenen hervorragenden Leistungen der BVG und der hervor
ragenden Leistungsbereitschaft dieses Eigenbetriebs die Aus
rede mit dem Personalmangel jedenfalls nicht sticht?
[Beifall des Abg. Momper (SPD)]
Präsident Rebsch: Herr Senator!
Wronski, Senator für Arbeit und Betriebe; Herr Abgeord
neter Dr. Meisner, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß es sich
hier nicht um eine Ausrede, die ich Ihnen vorgetragen habe,
^ handelt,
[Momper (SPD): Eine billige Ausrede!]
sondern um einen objektiv nachprüfbaren Sachverhalt. Die
BVG ist in der Lage und hat es bewiesen, die gestellte Aufgabe
- die Inbetriebnahme der Strecken S 2 und S 3 - zu sichern
und durchzuführen. Sie ist nicht sofort in der Lage - und das ist
die Situation zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Erwartungen,
die von Ihnen und von anderen gestellt werden, die übrigen
Strecken zu befahren, zu erfüllen. Dazu bedarf es einer gewis
sen Zeit, und darauf habe ich bereits in meiner ersten Antwort
hingewiesen.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage - der Abgeord
nete Vetter.
Vetter (CDU): Herr Senator, vielleicht paßt es nicht ganz,
aber ich frage Sie dennoch: Nachdem ja nun die S-Bahn nach
und nach in Betrieb genommen wird, frage ich Sie, ob die Mög
lichkeit besteht, die vorhandenen Fahrstuhlschächte zu nutzen,
um behindertengerecht, altengerecht, krankengerecht, aber
auch im Sinne einer Hilfe für Mütter mit Kindern die S-Bahnhöfe
so einzurichten, daß sie behindertengerecht genutzt werden
können?
Präsident Rebsch: Herr Senator, diese Frage kann ich nicht
zulassen, sie hat nichts mit dem Thema zu tun.
[Beifall bei der SPD]
Zusatzfragen sind nur solche, die sich aus den Antworten des
Senates ergeben. Herr Kollege Vetter, es tut mir leid.
Nächste Zusatzfrage - der Abgeordnete Ingo Schmitt.
Schmitt (CDU): Herr Senator, kann der Senat sicherstellen,
wenn es zu der möglichen Erweiterung bei den S-Bahnstrecken
noch in diesem Jahr kommt, daß das nötige Personal vorhanden
sein wird? Wird der Senat dann auch Personal aus dem Bun
desgebiet, insbesondere auch von der Bundesbahn, dafür ein- (
setzen?
Präsident Rebsch: Bitte sehr, Herr Senator!
Wronski, Senator für Arbeit und Betriebe: Herr Abgeord
neter Schmitt, das kommt auf den Zeitpunkt an, an den Sie Ihre
Erwartungen knüpfen. Der Begriff „in Kürze“ müßte definiert
werden. Ich habe darauf hingewiesen, daß erfahrenes Bundes
bahnpersonal immerhin zwei bis drei Monate Umschulzeit
benötigt; unerfahrenes Personal wird erfahrungsgemäß eine
längere Zeit benötigen. Wenn sich der Erwartungshorizont,
wessen auch immer, in diesem Rahmen bewegt, dann ist es
denkbar, daß die BVG über das notwendige Personal verfügt.
Im übrigen werde ich darüber nachher in der Aktuellen Stunde
noch ausführlich sprechen.
Was die Hilfe - manpower sozusagen - der Deutschen Bun
desbahn betrifft, so habe ich bereits darauf verwiesen, daß mir
eindeutige Aussagen eines Vorstandsmitglieds der Deutschen
Bundesbahn vorliegen. Die Chancen, von dort erfahrene Trieb
wagenfahrer ad hoc zu bekommen, sind minimal. Im übrigen
werde ich in der nächsten Woche ein Gespräch bei der Ham
burger S-Bahn genau zu diesem Punkt führen.
[Momper (SPD): Wird auch langsam Zeit!
Ein bißchen spät!]
Präsident Rebsch: Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete
Zieger zu einer Mündlichen Anfrage über
Ausreise eines Zeugen der Brand katastrophe
im Polizeigewahrsam Augustaplatz
Frau Zieger (AL): Ich frage den Senat:
1. Welche Nationalität, Staatsangehörigkeit und Volkszuge- 1
hörigkeit besaß der am 12.1.1984 nach Frankreich ausgereiste
Zeuge der Brandkatastrophe im Polizeigewahrsam Augusta
platz, war er im Besitz gültiger Reisepapiere, und warum bezie
hungsweise wie lange befand er sich zuvor in Abschiebehaft?
2. Von welcher Seite wurde ihm das Flugticket, das Visum zur
Einreise nach Frankreich und ein gültiger Paß innerhalb
welches Zeitraumes besorgt?
Präsident Rebsch: Zur Beantwortung - Herr Innensenator
Lummer!
Lummer, Bürgermeister und Senator für Inneres: Herr Prä
sident! Meine Damen und Herren! Frau Zieger, ich darf Sie zu
nächst daran erinnern, daß der Kollege Oxfort im Ausschuß für
Inneres sehr deutlich gesagt hat, daß die Staatsanwaltschaft
ihre Zustimmung für die Abschiebung nur in Fällen gegeben
hat, wo es um Beschuldigte, nicht aber um Zeugen geht, so daß
ich also die Übernahme dieses Begriffes an dieser Stelle pro
blematisiere.
Zu den Fragen selbst: Der nach eigenen Angaben in Horns,
Syrien, geborene Ausländer war ausweislich seines gültigen
libanesischen Reisepasses libanesischer Nationalität. Wir müs
sen allerdings davon ausgehen, daß er einer von denjenigen ist,
die bei ihrem Aufenthalt in Europa zumindest mit unterschied
lichen Legenden und Identitäten herumgefahren sind. Er war
wegen Heroin-Handels zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren
und neun Monate verurteilt worden. Er befand sich nach Verbü
ßung seiner Strafe aufgrund der deshalb verfügten Ausweisung
seit dem 15. Dezember 1983 in Abschiebehaft.
Bei seiner Anhörung vor dem Haftrichter des Amtsgerichts
Schöneberg am 20. Dezember 1983 erklärte er, daß er nicht
freiwillig ausreisen wolle und weder nach Syrien noch nach
dem Libanon abgeschoben werden möchte.
Daraufhin ordnete der Haftrichter die Abschiebehaft bis zum
30. Januar 1984 an. Diese wurde nach erfolgter richterlicher
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