Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
56. Sitzung vom 9. Dezember 1983
Sen Dr. Hassemer
weg — überstehen mußte. Und Sie wissen — das gestehe
ich Ihnen gern zu —, daß mindestens diese Ausstellung
für alle Welt — nicht nur für die Kritiker, die sich schon
vor langer Zeit gegen die SPD-Politik, wie Sie wissen,
wandten — klar gemacht hat, daß diese Linie der SPD-
Politik über Jahrzehnte hinweg verhängnisvoll und schlimm
wäre. Ich gebe Ihnen gern zu, daß das ein Ereignis war,
das in die Regierungszeit des vorvorigen Senats fiel. Das
macht meine Aussage aus über die Bedrohung, die von
der Senatspolitik der SPD über Jahrzehnte ausgegangen
ist hin zu diesem Bau, der der Anhalter Bahnhof zum
Opfer gefallen ist und andere wichtige Dinge, als Sie,
Herr Ristock, die Innenstadt entkernten und die Traban
tenstädte als SPD bauten — nicht persönlich —. Als das
damals passierte, da war, Gott sei Dank, der Gropiusbau
widerstandsfähig genug, gegen eine solche Linie zu wi
derstehen. Und nur deswegen besteht er heute.
[Ristock (SPD) meldet sich zu einer
Zwischenfrage.]
— Herr Ristock!
Stellv. Präsident Longolius: Einen Moment, Herr Sena
tor! Die Worterteilung geschieht von hier oben. Zunächst
besteht der Wunsch auf eine Zwischenfrage von Herrn
Dr. Lehmann-Brauns. Lassen Sie diese Zwischenfrage zu?
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten:
Ja, bitte sehr!
Stellv. Präsident Longolius: Bitte, Herr Dr. Lehmann-
Brauns!
Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Mit Rücksicht darauf, daß
ich ihre Höflichkeit gegenüber der Sozialdemokratischen
Partei besonders schätze, darf ich nur noch fragen, ob
Sie den Sozialdemokraten noch in Erinnerung bringen
wollen, was um den Gropiusbau herum alles abgerissen
worden ist. Das war nicht nur der Anhalter Bahnhof, das
war der Potsdamer Bahnhof. Es ist dieses ganze verhält
nismäßig verschont gebliebene Gebiet kahlgeschlagen
worden. Würden Sie vielleicht dem Haus bestätigen, daß
der Kollege Ristock sich in Privatgesprächen, jedenfalls
bei Ihnen persönlich und auch bei weniger bedeutenden
Politikern, dafür bedankt hat, daß mit Unterstützung der
CDU, auch noch zu Regierungszeiten der SPD, diese
Politik gestoppt worden ist?
[Beifall bei der CDU — Ulrich (SPD): Oh, oh!
Lehmann-Brauns, der große Held ...!]
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten:
Herr Kollege Lehmann-Brauns, es ist richtig — und ich
hatte das angedeutet —, daß diese schlimme Abrißpolitik
viel in der Stadt kaputtgemacht hat. Ich wollte mit dem
Hinweis eigentlich keine so großen Weiterungen begin
nen, sondern nur andeuten, daß ich mir diejenigen vor
stelle, die heute mit Tränen in den Augen vor mir stehen
und mir sagen, was ich denn Böses mit diesem Haus
mache, wie diese 1970 und davor und um diese Zeit
herum mit diesem Haus umgegangen sind. Das war die
Verantwortung eines SPD-Senats und nicht die eines
CDU-Senats. Darauf wollte ich hinweisen.
Stellv. Präsident Longolius: Bitte, Herr Ristock!
Ristock (SPD): Herr Kollege Hassemer, ich frage
Sie, auch unter Einbeziehung der Frage des Kollegen
Dr. Lehmann-Brauns; Ist es nicht richtig, daß wir in der
ersten Aufbauphase — wir saßen zusammen in einem
Koalitionsboot — Wohnungen so gebaut haben, um so
schnell wie möglich die Wohnungsnot zu beseitigen —
eine Politik, die wir aus heutiger Sicht in einzelnen Be
reichen kritisieren —, und geben Sie zu, daß die große
Mehrheit der CDU — Ausnahme Dr. Lehmann-Brauns, Sie
und wenige andere —, die große Wende der Stadtpolitik,
die durch mich eingeleitet wurde — 1975, 1976, 1977 —
verdammt hat?
[Zurufe von der SPD]
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten:
Herr Ristock, ich habe an mehreren Punkten der Diskus
sion zu diesem Thema in der Vergangenheit folgendes
gesagt; Erstens ist es nicht falsch, daß damals etwa über
viele Parteien hinweg, also auch über die beiden von
Ihnen genannten, solche Einigkeiten bestanden. Nur finde
ich schon sehr richtig, wenn wir als Senat heute Fehler
machen — egal, wer uns zustimmt —, daß Sie uns dann
in fünf Jahren — egal, wer uns damals zugestimmt hat —
deswegen zur Verantwortung ziehen, weil wir die Ver
antwortung für diese Taten hatten. Da Sie damals die
Verantwortung hatten, das zu tun, und die Macht, das zu
tun oder zu lassen, fällt auf Sie und Ihre Partei die Ver
antwortung, daß Sie damals nicht die Kraft und nicht die
Einsicht zu einer politischen Abkehr hatten, deren Falsch
heit man gerade in dieser Umgebung ersehen kann. Denn
die dort abgeräumten Ruinen haben nicht zu einem Woh
nungsbau geführt, bestenfalls zu einer ebenen Erde —
bis zum heutigen Tage.
[Ulrich (SPD): Wie war es denn 1955?]
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich den letz
ten Punkt in dieser Reihe erwähnen, auch Herr Kollat hat
das in seiner Rede getan; Das war das Wintergarten-
Ensemble in der Fasanenstraße, das wir heute zum Lite
raturhaus machen — von dem die AL sagt, wir sollen das
nicht tun —, das wir innerhalb des Senats finanziell abge
sichert haben, das Haus, das wir zum erstenmal nicht nur
formal, sondern inhaltlich, sachlich geschützt haben.
[Ulrich (SPD): Haben Sie das denn unter
Denkmalschutz gestellt?]
Wir erinnern uns sehr wohl, daß dieses Haus, Herr Ristock,
nicht zum Positiven gekippt wurde, etwa aus dem Senat
heraus, sondern, Herr Ulrich, aus dem Bauausschuß her
aus — aus der Arbeit, die die CDU-Fraktion im Bauaus
schuß geleistet hat. Herr Ulrich, wir haben das Literatur
haus bereits seinerzeit aus der Opposition heraus ge
rettet; das war der Beginn bis hin zu unserer heutigen
Arbeit im Senat.
[Beifall bei der CDU]
Was wir dort heute machen? Wir werden dort ein Haus
Stellv. Präsident Longolius: Gestatten Sie jetzt die der Literatur einrichten. Dort werden wir das machen,
Zwischenfrage von Herrn Ristock? was zum Beispiel auch zur liberalen Kulturpolitik gehört.
Wir werden nicht Senatsliteraturpolitik dort betreiben,
_ .. , ... sondern wir werden ein Haus zur Verfügung stellen,
Dr. Hassemer, Senator für Kulturelle Angelegenheiten:
Ja. [Zuruf des Abg. Ulrich (SPD)]