Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
49.Sitzung vom 13.Oktober 1983
(A) Präsident Rebsch: Gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Dr. Köppl?
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Verkehr: Ich möchte
im Text fortfahren.
Ich komme zu Frage 2: Wie bei der Reform der Berlin
förderung sind auch beim Strukturprogramm erst auf Dauer
zahlenmäßige Arbeitsplatzerfolge zu erwarten, die sich
in den Arbeitsmarktstatistiken niederschlagen. Denn Ideen
und Erfindungen müssen erst zu Prototypen und zu Ver
kauftests werden, bevor die volle Produktion auf neuen
oder modernisierten Arbeitsplätzen beginnen kann. Gleich
wohl — und danach fragen Sie ja — gibt es bereits jetzt
ermutigende Zwischenergebnisse, die zeigen, daß wir auf
dem richtigen Weg sind. Zwischenergebnisse sind 276 An
träge auf Existenzgründungsprämien, 30 Prozent mehr
Bürgschaften als im entsprechenden Vorjahreszeitraum,
technologisch hochwertige Projekte in 13 Berliner Unter
nehmen, die erst durch unsere Förderung durch den Inno
vationsfonds entstehen konnten. Bereits jetzt weitere 40
Unternehmensgründer, die sich um einen der vorerst
16 Plätze im ersten deutschen Gründerzentrum an der TU
in der Ackerstraße beworben haben.
Rein quantitativ, arbeitsplatzmäßig sind das in kürzester
Zeit Zahlen in bereits vierstelliger Größenordnung. Quali
tativ bedeutet das — und das ist der vorerst noch wichti
gere Aspekt —, wenn zum Beispiel durch den Innovations
fonds überwiegend Beteiligungen an 13 Unternehmen mit
innovativen Produkten wie Tests von bestückten Leiter
platten, Wärmebehandlung elektronischer Systeme, Ent
wicklung von digitalen und analogen Schaltungen usw.
vergeben wurden, dann machen solche Produktionen deut
lich, daß wir an alte Berliner Traditionen anknüpfen, tech-
(B) nologisch vorn zu sein. Das ist das Entscheidende; denn
nur durch moderne Produkte werden Berliner Unternehmen
auf wachsende Märkte vorstoßen und damit auf Dauer neue
wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in großer Zahl schaffen.
Zur Zeit der blühenden Expansion dieser Stadt vor 100
Jahren war ja Berlin durch die Technologie, durch die In
novation so weit vorn.
[Dr. Köppl (AL): Ohne öffentliche Subventionen!]
Vielen anderen Unternehmen helfen wir, am technischen
Fortschritt teilzunehmen. Wir konnten so zum Beispiel be
reits 48 kleinen Unternehmen einen Hochschulabsolventen,
einen Ingenieur vermitteln, der ihnen als Innovationsas
sistent das neueste Wissen von der Hochschule bringt.
Damit wurde diesen 48 Unternehmen die Chance gege
ben, technologische Entwicklungen viel besser als bisher
für sich nutzen zu können, weshalb die allermeisten aus
vorläufigen Verträgen feste Dauerverträge gemacht haben,
die über das geförderte erste Jahr hinausgehen.
So fördern und so fordern wir den Innovationsehrgeiz.
Das ist auf Dauer auch die erfolgreichste Bestandspflege.
Nicht Oberholtes durch ständig wachsende Subventionen
künstlich erhalten, sondern Unternehmen, die in der Ge
fahr sind, zu Oberholten zu werden, den technischen An
schluß zu verlieren, durch rechtzeitige Modernisierung zu
neuen werden lassen.
[Beifall bei der CDU]
nissen konnten wir das, was wir gewissermaßen als Pilot
projekte begonnen hatten — Innovationsfonds, Anschub
finanzierung, Innovationsassistenten usw. — und was gut
angenommen wurde, jetzt verbreitern und systematisieren.
Zuerst nur einige Stützpfeiler als Verankerung, jetzt das
Fundament in seiner Breite und in seiner Tiefe. Dieses
Fundament ist mit unserem neuen Arbeitsmarkt- und Struk
turprogramm für mehr Beschäftigung, Innovation und Qua
lität in Berlin vom 4. Oktober — vom Dienstag letzter Wo
che — nun gelegt. Die wichtigsten neuen Elemente sind
drei: 1. Hilfen zum systematischen Erschließen von Wachs
tumsmärkten für Berliner Unternehmen durch Experten
gruppen und den Ausbau der bereits bewährten An-
schubfinanzierung zur systematischen Einschleusung
hoher Technologie.
Zweitens helfen wir durch eine Gesellschaft für neue
Berufe und weitere Maßnahmen, die Sie von der AL ja ab
lehnen, vielen jungen Menschen, sich für Berufe der Zu
kunft rechtzeitig ausbilden zu lassen, also neue Akzente
bei der Qualifizierung.
Drittens geben wir Anstöße für kleine und mittlere Un
ternehmen, die Absatzbemühungen hin nach Westdeutsch
land zu forcieren, das heißt besser zu verkaufen, damit
hier mehr Arbeit entsteht.
[Beifall bei der CDU —
Dr. Köppl (AL): Herr Senator, warum liegt das
Programm hier nicht vor?]
Zwei Sätze möchte ich noch zu einem anderen für Ber
lin wichtigen Thema sagen, weil Sie in Ihrer letzten Frage
danach gefragt haben — zum venture-capital. Unterneh
men, die neuartige Erfindungen verwerten, produzieren
und verkaufen wollen, können sich das hierzu benötigte,
oft ganz enorme Kapital nicht erst langsam verdienen, sie
brauchen es rasch. Im Ausland geht das; in den Vereinigten
Staaten geht das noch leichter. Deshalb ist der Senat mit
dem Innovationsfonds bei der Bereitstellung von Chancen
kapital für technologieorientierte Unternehmen vorange
gangen, weil das bisher hier in Deutschland noch nicht
möglich war und hat — wie ich Ihnen berichten konnte —
positive Erfahrungen gemacht. Venture-capital bereitstel
len kann jedoch nicht auf Dauer Aufgabe des Staates sein,
das muß Aufgabe der Privatwirtschaft werden. Nach einer
Vielzahl von Einzelgesprächen mit verschiedenen Geld
instituten und zwei abschließenden Gesprächsrunden mei
ner Mitarbeiter mit den Beteiligten zeichnet sich jetzt die
von uns erwünschte rein private Lösung ab. Die Gründung
einer ersten privaten venture-capital-Gesellschaft in Ber
lin ist bereits angekündigt; zwei weitere dürften in den
nächsten Wochen hinzukommen. So wird Berlin neben
einem Platz zur arbeitsplatzschaffenden Umsetzung neuer
Technologien auch zu einem Finanzplatz für diese neuen
Technologien.
[Beifall bei der CDU]
Auch weiterhin wird durch den Innovationsfonds dieses
private Engagement unterstützt werden, aber der größere
Teil muß von den Privaten kommen. Denn viele Jahre lang
ist viel Geld nach Berlin geflossen für so manche Zwecke
und für wenig Arbeitsplätze. Hier wird nun endlich Geld
gegeben für sinnvolle Zwecke, für wettbewerbsfähige Ar
beitsplätze. Dahin gehört das Geld und nicht in ruinöse
Abschreibungsprojekte.
(C)
(D)
bedrohte Unternehmen nicht einfach zugrunde gehen las
sen, sondern ihnen rechtzeitig Hilfen zur Modernisierung
geben, damit sie und ihre Arbeitnehmer erst gar nicht
bedroht werden — das ist die Leitlinie unserer Struktur
politik. Auf dieser Linie haben wir unsere Strukturpolitik
jetzt ausgebaut. Nach diesen erfreulichen Zwischenergeb-
[Beifall bei der CDU]
In diesem Sinne gehen wir auch die europäischen Fonds
an, nach denen unter Punkt 4 gefragt wurde. Hier nur der
Halbsatz: Wir nutzen sie voll, zum Teil sogar überpropor
tional.
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