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Volume Nr. 49, 13. Oktober 1983

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1982/83, 9. Wahlperiode, Band III, 33.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
49. Sitzung vom 13. Oktober 1983 
Schneider 
— die zunächst günstigen Preise keine Einstiegspreise 
sind, denen in der Folge das monopolistische Preisdiktat 
folgt, 
— sich die ganze Angelegenheit über einen längeren Zeit 
raum volkswirtschaftlich rechnen läßt, 
dann wären wir die letzten, die sich einer Übertragung 
von Aufgaben widersetzen würden. Ihr Pech ist nur, daß 
Sie bisher in keinem einzigen Fall diesen Nachweis antre- 
ten konnten. 
[Beifall bei der SPD — 
Buwitt (CDU): Doch - bei der KPMI] 
Lassen Sie mich einige Worte zu der Einnahmenseite 
dieses Haushalts sagen. Die geplante Höhe der Netto- 
Kreditaufnahme ist in Ordnung. Allerdings kann ich es 
mir an dieser Stelle nicht versagen, auf die Doppelzüngig 
keit der CDU-Argumentation sowohl in Bonn als auch 
hier in Berlin bei dieser Frage hinzuweisen. Solange so 
zial-liberale Regierungen in Bonn und Berlin vorhanden 
waren, haben Sie als Opposition schon sehr viel niedrigere 
Kreditaufnahmen als unseriös, schlimm und unverantwort 
lich bezeichnet.Trotzdem;Wir nehmen mit Befriedigung zur 
Kenntnis, daß die Netto-Neuverschuldung nunmehr um 
über 100 Millionen Mark zurückgefahren werden soll — 
mit Befriedigung deshalb, weil dies einen Spielraum für 
zusätzliche strukturverbessernde Maßnahmen in Berlin 
im kommenden Jahr eröffnet. 
Die von mir eingangs geforderten zusätzlichen Ausga 
ben im Bereich der baulichen Unterhaltung, der Umwelt 
schutzmaßnahmen und der Altanlagensanierung sowie die 
notwendigen zusätzlichen Ausgaben in der Wirtschafts 
und Strukturförderung machen einen zusätzlichen Finanz 
bedarf unabweisbar. Wir sind bereit dazu, dem Senat bei 
einer Finanzierung zusätzlicher beschäftigungswirksamer 
Maßnahmen durch eine maßvolle Zunahme der Netto-Neu 
verschuldung am Kreditmarkt zu folgen oder aber für die 
Finanzierung zusätzlicher Wirtschaftsförderungsmaßnah 
men die Gewerbesteuerhebesätze in vertretbarem Maß 
anzuheben, sofern zuvor durch bundesgesetzliche Rege 
lung die Freigrenzen so weit angehoben sind, daß nicht 
nur die kleinen, sondern auch die mittleren Betriebe nicht 
zusätzlich belastet werden. 
[Beifall bei der SPD] 
Die Tatsache, daß in den vergangenen Monaten fast alle 
bundesdeutschen Großstädte und Ballungszentren ihre 
Gewerbesteuerhebesätze erneut angehoben haben und 
der Abstand zu dem derzeit geltenden Berliner Hebesatz 
meistenteils schon über 200 Punkte beträgt, eröffnet nach 
wie vor die Möglichkeit, den finanziellen Spielraum des 
Landes Berlin durch eine maßvolle — etwa bei 40 Punkten 
liegende — Anhebung der Hebesätze für die Gewerbe 
steuer zu erweitern. 
Dieser vorgelegte Haushaltsentwurf verzeichnet ferner 
eine — in absoluten Zahlen — um 360 Millionen DM höhere 
Bundeshilfe für 1984 als für das laufende Haushaltsjahr. 
Dies ist weniger, als in ursprünglichen Finanzplanungen 
früherer Bundesregierungen veranschlagt war, und es 
bleibt auch festzuhalten, daß die tatsächliche Steigerung 
der Bundeshilfe weniger beträgt als diese 360 Millionen 
DM; denn in ihnen sind die 37 Millionen DM für die In 
standsetzung der S-Bahn und die Deckung von Betriebs 
kostenverlusten bei einer eventuellen Integration der S- 
Bahn enthalten. Wir halten diese Hinzurechnung für kein 
ganz sauberes Verfahren. Wir Sozialdemokraten sind der 
Auffassung, daß an einer Integration der S-Bahn in das 
Nahverkehrssystem von Berlin (West) ein übergeordnetes 
deutschlandpolitisches Interesse besteht und daß sich des 
halb der Bund dazu bereit erklären sollte, hier eindeutig (C) 
neben der Bundeshilfe einen Großteil der entstehenden 
Kosten zu übernehmen. 
[Beifall bei der SPD] 
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich hier 
für ebenso einsetzen, wie sie sich darum bemüht, daß die 
Bundesregierung — entgegen ihren bisher geäußerten Ab 
sichten — alle die Kosten bei dem Bau der Erdgasleitung 
nach Berlin übernimmt, die ausschließlich standortbedingt 
sind. Es ist aus unserer Sicht unerträglich, daß das Bundes 
finanzministerium derzeit verlangt, daß zum Beispiel die 
Kosten für die Erdgas-Transitleitung von der Tschecho 
slowakei nach Berlin auf dem Kreditmarkt finanziert wer 
den sollen. Hierdurch entstehen zusätzliche Kosten von 
etwa 40 Millionen DM, die entweder unter Verzicht auf 
‘andere wichtige Berliner Ausgabenpositionen erbracht 
oder aber auf die Verbraucher umgewälzt werden müssen. 
Alle Fraktionen dieses Hauses sind deshalb dazu aufge 
rufen, auf ihre Vertreter im Deutschen Bundestag dahin 
gehend einzuwirken, hier Besserung zu erreichen. Weder 
die Integration der S-Bahn noch der Anschluß unserer 
Stadt an das europäische Erdgasversorgungsnetz sind 
irgendwelche normalen Nullachtfünfzehn-Projekte! 
[Beifall bei der SPD] 
Wir fordern, daß diese in den Beschlüssen der Bundes 
regierung zum Ausdruck kommende latente Berlinfeind 
lichkeit endlich ein Ende hat. Wir brauchen uns sonst hier 
über Berlin als „nationale Aufgabe“ gar nicht zu unter 
halten! 
[Starker Beifall bei der SPD — 
Ristock (SPD): Die reden immer nur davon!] ^ 
Ich bin kein Anhänger jener Theorie, die besagt, daß die 
gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausschließ 
lich auf die schlechte Nachfrage zurückzuführen sind. Ich 
halte allerdings die gegenläufige Theorie, daß es einzig 
und allein auf eine Angebotsstrategie ankomme, für eben 
so fatal. Ich halte sie vor allem dann für fatal, wenn sie 
gepaart ist mit einer gezielten Politik der Nachfragemin 
derung durch entsprechende staatliche Maßnahmen, so wie 
wir sie in Bonn und Berlin seit einiger Zeit vorexerziert 
bekommen. Sozialhilfeleistungen und Mutterschaftsgeld 
fließen doch ebenso wie Arbeitslosenhilfe garantiert sofort 
wieder dem Wirtschaftskreislauf zu. Dies trifft auch auf 
Schüler-BAföG und andere Sozialleistungen zu. 
[Rasch (F.D.P.): Familiengeld!] 
Bei Steuergeschenken ohne arbeitsplatzsichernde Aufla 
gen an die Unternehmen werden jedoch zunehmend zins 
günstige Wertpapiere und dazu noch überwiegend im Aus 
land erworben. 
Vor diesem Hintergrund der durch entsprechende Bon 
ner CDU/F.D.P.-Maßnahmen verursachten Nachfragemin 
derung, gerade in einer Stadt wie Berlin mit ihrer spezifi 
schen Bevölkerungszusammensetzung, ist es doch doppelt 
schädlich, durch die heimlichen Steuererhöhungen in Form 
von inzwischen nun wirklich unzumutbaren Tarifanhebun 
gen den Leuten noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen 
und damit viele Arbeitsplätze, gerade auch im Einzel 
handel, akut zu gefährden. 
[Beifall bei der SPD] 
Für öffentliche Dienstleistungen müssen sicher angemes 
sene Preise gefordert werden. Das Problem ist nur, daß Sie 
mit Ihrer beabsichtigten Tarifanhebung diese Angemes-
	        
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