Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
49. Sitzung vom 13. Oktober 1983
Dr. Köppl
Sinne sehe ich hoffnungsvoll Ihrer Ablehnung unseres
Gesetzesantrags entgegen. — Schönen Dank!
[Beifall bei der AL]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun der
Kollege Wingefeld.
Wingefeld (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr ver
ehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Köppl hat
ein Beispiel aus der Elektroindustrie Ihnen hier zur Be
gründung dargelegt, daß durch einen Bildungsurlaubsan
spruch die Arbeitswelt humanisiert werden könnte. Nur,
Herr Dr. Köppl, man wird wohl mit dem Urlaubsanspruch
allein noch keine Humanisierung in der Arbeitswelt er
reichen können. Dazu werden Sie wohl auch die Mitbe
stimmungsrechte der Arbeitnehmer verbessern müssen!
[Beifall bei der SPD]
Was allerdings ihre grundsätzliche Kritik an der parla
mentarischen Behandlung und Beratung des AL-Antrags
angeht, teile ich Ihre Kritik. Ich meine ebenfalls, daß es
diesem Hause nicht gerade zur Ehre gereicht, wie dieser
Antrag behandelt worden und wie — zum Teil scheinhei
lig — im Rahmen der Beratung darüber diskutiert worden
ist.
[Beifall bei der SPD]
Ich darf in dem Zusammenhang daran erinnern, daß,
als — wie gesagt, vor anderthalb Jahren — der Antrag ein
gebracht wurde, der Sprecher der CDU damals die Inten
tion des Antrags begrüßte, aber die Realisierung zum da
maligen Zeitpunkt abiehnte. Immerhin, wir haben jetzt
anderthalb Jahre später! Auf die damalige Frage: Wann
denn dann? — blieb er zwar die Antwort schuldig. Sinniger
weise steht in dem Protokoll der damaligen Plenarsit
zung an dieser Stelle, daß Herr Feilcke sich für die Ge
duld des Parlaments bedankt. — Er hat es sicherlich an
ders gemeint, aber diese Passage hat wohl doppelte Be
deutung.
Der Sprecher der F.D.P. spricht sich ausdrücklich für die
Aufhebung der Altersgrenze in dem Gesetz aus. Herr
Dr. Kunze, auch wenn der damalige Sprecher jetzt hinter
mir sitzt, er hoffte damals auf besseres Wetter und die
Hilfe des Bundesgesetzgebers. Darauf zu hoffen, heißt
allerdings „warten auf Godot“. Es scheint mir illusionär
zu sein, daß der Bundesgesetzgeber sich gerade in die
ser Frage eine Kompetenz anmaßt, die bei unserem föde
rativen Aufbau wohl kaum realisierbar ist.
Alle Parteien haben die Anhörungen zu diesem Antrag
begrüßt. Die Anhörungen sind durchgeführt worden. Kritik
wird man insbesondere an den Mehrheitsfraktionen die
ses Hauses dahin gehend üben können und müssen, daß
die Anhörung sie in keiner Weise beeindruckt hat und daß
der Sachverstand, der sich im Rahmen der Anhörung
artikulierte, in keiner Weise in die Beschiußempfehlung,
in die Abstimmung eingeflossen ist.
Wenn es richtig ist, daß wir Erwachsenenbildung bezie
hungsweise Weiterbildung als einen wichtigen Bereich un
serer Gesellschaft anzusehen haben, als einen Bereich zu
werten haben, in dem geistige und gesellschaftspolitische
Auseinandersetzung und das Zusammenleben erfahren,
geübt und gesichert werden kann sowie für das Berufs
leben Neuorientierung und Weiterkommen erschlossen
werden können, wenn diesen bildungspolitischen Quali
fizierungen zuzustimmen ist, dann muß sich gerade das
Abgeordnetenhaus in die Verantwortung gestellt sehen,
ja in die Pflicht genommen sehen, gesetzlich denjenigen (C)
einen Urlaubsanspruch zu sichern, die gesellschaftlich
bedingte Bildungsdefizite aufweisen. Biidungsurlaub er
möglicht zielgruppenspezifische Erwachsenenbildung be
ziehungsweise Weiterbildung. Wenn — und das ist wohl
nicht zu bestreiten — in einer Welt, die immer differen
zierter, komplexer und unübersichtlicher wird, die sich
immer rascher verändert, wenn in einer solchen Welt nur
derjenige Zugang zu Bildung und Information hat, der
sich dies finanziell leisten kann, dann bedeutet dies, daß
nur die ohnehin Privilegierten davon Gebrauch machen
können, dann bedeutet dies den unausweichlichen Weg
einer Zweiteilung unserer Gesellschaft, den Weg in eine
wirkliche Klassengesellschaft.
Die SPD-Fraktion tritt für Chancengleichheit ein. Ar
beitnehmern muß die Chance eingeräumt werden, sich
auf den gesellschaftlichen und technologischen Wandel
vorzubereiten und einstellen zu können. Aus diesem
Grunde sind wir für den Antrag der AL und gegen die
Beschlußempfehlung. Wir sind uns aber ebenso im kla
ren, daß es mit der Aufhebung der Altersbegrenzung in
dem in Rede stehenden Gesetz allein nicht getan ist. Die
SPD-Fraktion hat schon beim Einbringen des Antrags die
Notwendigkeit betont, daß die Änderung des Bildungs
urlaubsgesetzes um ein Erwachsenenbildungs-Finanzie
rungsgesetz ergänzt werden muß.
[Beifall bei der SPD und der CDU]
Die CDU hat im September 1982 öffentlich erklärt, daß
sie noch im Herbst 1982 ein solches Gesetz einbringen
werde. Meine Damen und Herren von der CDU, wir war
ten bis heute vergeblich darauf.
[Wagner (SPD): Es ist ja wieder Herbst!] ^
Es kann wohl nicht daran liegen, daß Ihr damaliger Spre
cher, der Kollege Feilcke, inzwischen im Bundestag ist
und dorthin das Gesetz mitgenommen hat oder es nicht
mehr auffindbar ist.
[Wagner (SPD): Vielleicht wird es ein Bundesgesetz!]
— Zu schön, um wahr zu sein! — Es ließe sich trefflich dar
über spekulieren, wem in der CDU-Fraktion es zu ver
danken ist, daß sie bildungspolitisch zwar die Lippen ge
spitzt hat, aber es dann nicht zum Pfeifen kam. Die SPD-
Fraktion wird, auch wenn heute der Antrag der Alterna
tiven Liste der Ablehnung verfällt, gleichwohl sich der
Forderung stellen und eine Initiative sowohl zur Verände
rung des Bildungsurlaubsgesetzes als auch in Kombina
tion mit einem Erwachsenenbildungs-Finanzierungsgesetz
ergreifen. Insofern kann ich noch einmal an Sie appellie
ren, meine Damen und Herren von der F.D.P.- und der
CDU-Fraktion, konsequenter dem Anspruch der Bildungs
politik und der Qualität der Bildungsarbeit gerecht zu
werden. — Schönen Dank!
[Beifall bei der SPD und der AL]
Stellv. Präsidentin Wiechatzek: Das Wort hat nun der
Kollege Fabig.
Fähig (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich wiederhole die Position, die die Fraktion der
F.D.P. im Schulausschuß bei der Diskussion dieses An
trags vertreten hat: Wir bekennen uns grundsätzlich posi
tiv zu dieser Forderung.
[Beifall des Abg. Ristock (SPD)]