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Volume Nr. 49, 13. Oktober 1983

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1982/83, 9. Wahlperiode, Band III, 33.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
49. Sitzung vom 13. Oktober 1983 
Sen Scholz 
(A) 50000 DM umfaßt wer sich mit anderen Personen - ich 
zitiere aus dem Gesetz - 
verabredet oder diese berät, den Betrieb und die Benut 
zung des Eisenbahn-, Wasser-, Luft- und Straßentrans 
ports zur Beförderung von Personen oder Gütern zwi 
schen Berlin und den übrigen Teilen Deutschlands zu 
behindern, zu verzögern oder zu gefährden. 
- Dies ist die alliierte Rechtslage. 
Sie haben darüber hinaus nach dem deutschen Recht 
gefragt Hierzu ist zu sagen, daß Streikmaßnahmen, auch Warn 
streikmaßnahmen, grundsätzlich zum legitimen Potential des 
Arbeitskampfrechts, wie es in der Bundesrepublik gilt, gehören. 
Auf der anderen Seite gilt für das Arbeitskampfrecht ganz allge 
mein - dies ist eine feststehende Rechtsprechung des Bundes 
arbeitsgerichts -, daß alle Arbeitskampfmaßnahmen dem 
Gebot der Verhältnismäßigkeit unterliegen und daß auch 
Arbeitskampfmaßnahmen in der Auseinandersetzung zwischen 
den Sozialpartnern einer grundsätzlichen Bindung an über 
geordnete Gemeinwohlgründe unterliegen. Dies bedeutet nach 
meiner Einschätzung, daß hier auch unter arbeitskampfrecht 
lichen Aspekten die besondere Situation Berlins, die besonde 
ren Gemeinwohlgründe, die sich in der existentiellen Abhängig 
keit von einem ungestörten Transitverkehr niederschlagen, zu 
beachten gewesen wären, daß diese auch hier unter Arbeits 
kampfgesichtspunkten die ÖTV verpflichtet hätten, von Maß 
nahmen, die den Berlin-Verkehr tangieren, abzusehen. 
Präsident Rebsch: Herr Kollege Kraetzer, hatten Sich sich 
noch einmal gemeldet? - Nein! Dann der Kollege Wachsmuth. 
Wachsmuth (AL): Ich würde gern die Frage stellen, wie der 
Senat die Streikforderungen der Fernfahrer bewertet die geeig 
net sind, die Arbeitsbedingungen der Fernfahrer zu verbessern 
(B) - bekanntlich haben die Fernfahrer eine Doppel-Wochen 
arbeitszeit von über 100 Stunden -, und wie der Senat weiter 
hin diese Maßnahmen bewertet, daß ein Streik auch - also nicht 
nur, sondern auch - an den Transitwegen letzten Endes nur 
deshalb durchgeführt wurde, weil die Transport- und Fuhrunter 
nehmer eine derart harte Haltung an den Tag gelegt haben, daß 
den Fernfahrern keine andere Möglichkeit mehr blieb, um ihren 
Forderungen Nachdruck zu verleihen. 
[Beifall bei der AL] 
Präsident Rebsch: Das Wort zur Beantwortung hat Herr 
Senator Wronski. 
Wronski, Senator für Arbeit und Betriebe: Herr Abgeordne 
ter Wachsmuth, was den inhaltlichen Wert dieser Auseinander 
setzung betrifft, so hat der Senat durchaus Verständnis für 
unterschiedliche Auffassungen zwischen den Tarifpartnern. Die 
hier in Frage stehende Situation berührt aber nicht den Inhalt, 
sondern ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Verkehrswege 
von und nach Berlin. 
Präsident Rebsch: Nächste Frage - Herr Kunzeimann! 
Kunzelmann (AL): Ich frage den amtierenden Senator für 
Justiz, weil er sich ja in verschiedenen Äußerungen sehr vehe 
ment gegen die berechtigten Forderungen der Streikenden 
gewendet hat: Herr Senator, halten Sie denn die drei westlichen 
Alliierten, die sich doch erst im Fall Bruder sehr hörbar gemacht 
haben, für so sprachlos, daß ausgerechnet Sie die streikenden • 
Fernfahrer auf Verordnungen der West-Berliner Stadtkomman 
danten aufmerksam machen mußten? Und halten Sie die 
Gefahr von Unfällen auf den Transitstrecken durch die unglaub 
lichen Arbeitsbedingungen der Fernfahrer für weniger schwer 
wiegend als eine befristete Blockade der Transitstrecken? 
[Beifall bei der AL] 
Präsident Rebsch: Herr Senator Oxfort! (C) 
Oxfort, Senator für Justiz: Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kunzelmann, 
zunächst muß ich Ihre Behauptung zurückweisen, ich hätte 
mich gegen die Forderungen der Fernfahrer gewandt. Weder 
der Senator für Justiz noch der Senat insgesamt haben sich in 
den Arbeitskampf als solchen eingemischt. 
[Momper (SPD): Haha!] 
Diese Forderungen sind bekanntlich nicht Sache des Senats, 
sondern allein Sache der Tarifpartner, und dies aus wohl 
erwogenen Gründen. 
Ich habe als Senator für Justiz, der für die Rechtspflege in 
diesem Lande verantwortlich ist, nichts anderes getan, als die 
zuständige Gewerkschaft und die Öffentlichkeit auf die vorhan 
denen Strafvorschriften hinzuweisen, die die Alliierten kraft des 
ihnen zustehenden Besatzungsrechts erlassen haben. Ich habe 
auch auf die deutschen Rechtsbestimmungen hingewiesen, 
damit hinterher niemand sagen kann, er sei über das, was im 
Rahmen solcher Auseinandersetzungen rechtlich zulässig sei, 
im Irrtum gewesen. 
[Kunzelmann (AL): Lassen Sie doch die 
Alliierten reden! - Die zweite Frage?] 
Präsident Rebsch: Zur nächsten Zusatzfrage - Herr 
Abgeordneter Thomas! 
Thomas (SPD); Herr Senator Professor Scholz, nachdem 
der Herr Justizsenator erklärt hat, daß er sich in diesen Streik 
nicht eingemischt hat dadurch, daß er sich eingemischt hat, darf 
ich Sie als einen ausgezeichneten deutschen Rechtslehrer fra 
gen, ob Sie nicht mit mir der Auffassung sind, daß der von den 
Alliierten in der Verordnung 511 beschriebene Tatbestand nicht 
einen zeitweiligen Streik deckt, sondern daß hier andere Tat- ' ' 
bestände gemeint sind? 
Präsident Rebsch: Herr Senator Scholz! 
Dr. Scholz, Senator für Bundesangelegenheiten: Herr 
Abgeordneter Thomas, ich bedanke mich zunächst für das 
Kompliment Es muß bei einer Frage von Ihnen erlaubt sein, 
auch das zu sagen. 
Ich weise aber auf folgendes hin: Ich habe vorhin ganz 
bewußt den Tatbestand der einschlägigen Bestimmung aus der 
alliierten Verordnung Nr. 511/534 vorgelesen. Und diese 
Bestimmung setzt ausschließlich bei Behinderungen als sol 
chen an, das heißt bei dem tatsächlichen Vorgang, der zur 
Beeinträchtigung des Transits führt. Es ist also nicht so, daß 
man definitorisch sagen kann, daß bestimmte Motive, zum Bei 
spiel ein grundsätzlich legitimer Streik, eine grundsätzlich legi 
time Arbeitskampfmaßnahme, von vornherein auszuklammern 
wären. Dies wäre eine Interpretation, die nach meiner Auffas 
sung nicht trägt. 
Präsident Rebsch: Zur nächsten Zusatzfrage - Herr 
Abgeordneter Führer! 
Führer (CDU): Herr Senator, sind Sie bereit, den Verantwort 
lichen der ÖTV geschichtliche Materialien über die Bedeutung 
der Transitwege für diese Stadt zu übersenden, um somit bei 
ihnen eine größere Sensibilität für existenzielle Fragen der Stadt 
zu erreichen? 
[Widerspruch bei der SPD - Ulrich (SPD): So 
eine Frechheit der Gewerkschaft zu unterstellen, 
daß sie die Geschichte nicht kennt! Ein jungscher 
Spund! Ein dummer Mensch! - Daraufhin Widerspruch 
bei der CDU und der F.D.P.] 
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