Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
48. Sitzung vom 22. September 1983
Lorenz, Hans-Georg
Sie nimmt in Kauf, eine nunmehr erwiesene Lüge zur weiteren
Verleumdung eines Kollegen zu benutzen,
[Unruhe bei der CDU - Hoffmann (SPD): Seien Sie doch
nicht so nervös, wenn Sie beschämt werden!]
denn es stimmt ja jetzt nicht mehr, daß Sie nicht in der Lage ge
wesen wären, zu ermessen, ob ich Vorteile gehabt habe oder
nicht.
Dieser Vorgang hat mich tief berührt, und ich werde daraus
meine Konsequenzen ziehen. Bislang habe ich micht gescheut,
Informationen über das Fehlverhalten von Kollegen öffentlich zu
machen, selbst dann, wenn ich wußte, daß ich damit nichts wei
ter offenbart hätte als die Wahrheit; es sei denn, ich hätte auch
gerichtskundig machen können, was ich behaupte. Ich wollte
mich nicht auf meine Indemnität berufen müssen. Von dieser
meiner Grundhaltung, die auch die Grundhaltung meiner Frak
tion ist, werde ich abrücken. Sie ist nicht mehr die Maxime
meines Handelns.
Und damit Sie merken, was ich meine, gebe ich ihnen auch
gern ein Beispiel; Als über das hier untersuchte Verhalten des
Kollegen Schmitz unter meinen Kollegen diskutiert wurde, da
haben mir drei ehemalige Senatoren, zwei ehemalige Senats
direktoren und ein hoher Beamter gesagt: Der Schmitz, der war
doch ein Waisenknabe gegen einen anderen damaligen Abge
ordneten, der ganz offen und prinzipiell verlangte, daß Fälle
seiner Mandanten bevorzugt und nach ihrem Begehren ent
schieden wurden. Der ist ja nicht einmal davor zurückge
schreckt - so sagten sie wörtlich -, politische Konsequenzen
anzudrohen. Ich weiß nun nicht, ob meine Informanten bereit
sind, mir zu gestatten, daß ich ihre Namen nenne, aber ich bin
überzeugt von dem Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen, und
ich werde in Zukunft bei passender Gelegenheit mit Namens
nennung die gleiche Behauptung wieder aufstellen, wenn
dieser Kollege, der sich zur Zeit auf Dienstreise befindet, wieder
in Berlin ist und dann dazu auch Stellung nehmen kann.
Ich finde es schlimm, meine Damen und Herren, —
[Lebhafter Widerspruch bei der CDU]
- Ich finde es schlimm, daß es so kommen mußte, aber ich sage
Ihnen: Sie müssen merken, daß wir Ihrer Lüge und Verleum
dung auch mit der Wahrheit effektiv begegnen können; wir wer
den dabei allerdings unsere feine Zurückhaltung solange auf
geben müssen, bis Sie gemerkt haben, daß zwischen einer poli
tischen Auseinandersetzung und einer Schlammschlacht ein
Unterschied besteht
[Anhaltender Beifall bei der SPD und der AL]
Präsident Rebsch: Herr Kollege Lorenz, ich rüge ausdrück
lich die Worte „Lüge“ und „Verleumdung“.
[Beifall bei der CDU]
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zur
lfd. Nr. 16:
Wahl von Beisitzern gemäß §§11 und 12 der Ge
schäftsordnung des Abgeordnetenhauses von
Berlin
Ich darf annehmen, daß die Fraktionen sich vor der Benennung
des Einverständnisses der Vorgeschlagenen versichert haben.
Vorgeschlagen sind von der Fraktion der CDU und der Fraktion
der AL die Herren Manfred Paris bzw. Dieter Kunzeimann. Wir
kommen zur Abstimmung.
[Zurufe von der CDU: Einzelabstimmung!]
Es wird Einzelabstimmung gewünscht; ich lasse zuerst abstim
men über den Vorschlag der Fraktion der CDU, den Abgeord
neten Manfred Paris zu wählen. Wer diesen Kollegen in das
Präsidium zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzei
chen. - Danke sehr! Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? -
Bei wenigen Stimmenthaltungen ist der Kollege Paris gewählt.
[Beifall bei der CDU]
Wir kommen nunmehr zum Vorschlag der Fraktion der AL, (C)
den Abgeordneten Dieter Kunzeimann in das Präsidium zu wäh
len.
[Kunzeimann (AL) meldet sich zu Wort]
- Herr Kollege Kunzeimann, bei uns ist bei einer Wahl eine Aus
sprache nicht möglich.
[Kunzeimann (AL); Stimmt nicht! Sie haben
bei der Präsidiumswahl am 11.6.81 gefragt;
Wünscht jemand das Wort?]
- Bitte sehr, Herr Kunzeimann, sprechen Sie zu der Wahl.
Kunzeimann (AL): Meine Damen und Herren! Ich habe mich
nicht zu diesem Amt gedrängt.
[Heiterkeit]
Sie wissen, daß das Präsidiumsmitglied der AL-Fraktion von der
AL-Fraktion ausgelost wird.
Nun zur aktuellen Brisanz dieser Wahl. Es sind gegen mich
unhaltbare Vorwürfe erhoben worden,
[Heiterkeit bei der CDU]
und ich fordere doch mal alle Teilnehmer der nichtöffentlichen
Sitzung am Montag auf, sich klar dazu zu äußern, ob ich in der
nichtöffentlichen Sitzung und nach der nichtöffentlichen Sit
zung in irgendeiner Form einen Vertrauensbruch begangen
habe; insbesondere fordere ich auf den Ausschußvorsitzenden
Lippschütz, den Innensenator Lummer und den Verfassungs
schutzdirektor Natusch, sich dazu zu äußern, ob ich Vertrauens
bruch begangen habe. Diese Herren wissen, daß das nicht der
Fall ist. Dann muß die Frage gestellt werden, wieso dieses Thea
ter überhaupt gespielt wird. Und ich will Ihnen auch eine Ant
wort darauf geben; Sie wollen doch mit diesen dummdreisten
Verdächtigungen gegen meine Person nichts anderes errei
chen, als von dem unglaublichen Zustand abzulenken, daß ein ^
finanziell und besonders politisch äußerst brisanter Etat nicht
den geringsten parlamentarischen Kontrollrechten ausgesetzt
ist. Das ist doch das Ziel der Diffamierung, und nichts anderes!
[Beifall bei der AL]
Und der Hintergrund für diese Vorgehensweise aller drei Par
teien ist doch ganz einfach der, daß alle drei etablierten Parteien
fürchten müssen, daß Licht in das Dunkel des Verfassungs
schutzes gebracht wird. Ich meine, Herr Ulrich kennt das Pro
blem der Aussage von V-Männern durch den Schmücker-Pro-
zeß mindestens genauso gut, wie Herr Lummer es in der Zwi
schenzeit kennengelernt hat, und so weiter, und so fort.
Im übrigen, meine Damen und Herren, ich habe hier den —
[Allgemeine Unruhe]
- Es wäre vielleicht gut, wenn Sie sich etwas konzentrieren
würden I
[Heiterkeit]
Präsident Rebsch: Herr Kunzeimann, ich darf Sie bitten, zu
Ihrer Wahl zu sprechen! Wir sind hier in einer Aussprache zu
Ihrer Wahl.
Kunzeimann (AL): Ich würde Sie bitten, Herr Präsident,
mich aussprechen zu lassen ohne Unterbrechung.
Ich habe hier den ausgedruckten Etat des Landesamtes für
Verfassungsschutz
[Zuruf: Vorlesen!]
vom Jahre 1981/82. Sie brauchen nicht zu erschrecken, es ist
der Etat des Landesamtes für Verfassungsschutz des Landes
Baden-Württemberg, bekanntlich ein CDU-Land. Dieser Etat
wird bis heute veröffentlicht. Vielleicht ist einigen wenigen
Damen und Herren dieses Hauses auch bekannt, daß der —
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