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Volume Nr. 47, 1. September 1983

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1982/83, 9. Wahlperiode, Band III, 33.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
47. Sitzung vom 1. September 1983 
Momper 
(A) Zu dem, Herr Kollege Diepgen, was Sie in der Sache vorgetragen 
haben, läßt sich eigentlich nur eines sagen; Je grauer die Gegen 
wart für den Herrn von Weizsäcker und die CDU wird, um so mehr 
flüchtet Diepgen sich in die Vergangenheit. Sie werden noch einmal 
ein guter Amateurhistoriker, wenn die Zeit so fortschreitet! 
[Beifall bei der SPD] 
Präsident Rebsch: Nächster Redner ist der Abgeordnete 
Kunzeimann. 
Kunzeimann (AL): loh finde es irgendwie beschämend, wie 
dieses Haus mit den Problemen, die durch den Fall Rastemborski 
aufgetreten sind, und mit den Problemen, mit denen diese Stadt 
konfrontiert ist, in dieser Stunde umgeht! Kleinkariert und niveaulos, 
das ist mein Eindruck von der bisherigen Debatte. 
[Rasch (F.D.P.); Jetzt wollen wir doch erst einmal sehen, 
was Sie bieten!] 
Vielleicht liegt es daran, daß in diesem Hause eh nicht mehr auch 
nur eine einzige Entscheidung gefällt wird, sondern irgendwo 
außerhalb des Hauses. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß Sie, 
Herr Regierender Bürgermeister, hier überhaupt nicht mehr auf der 
Regierungsbank sitzen, sondern schon irgendwo in der Villa Ham 
merschmidt, und was uns hier als Regierender Bürgermeister vor 
gestellt wird, ein Double von Herrn von Weizsäcker ist. 
[Gelächter bei der AL und der SPD] 
Es hätte Ihnen, falls Sie der wirkliche Regierende Bürgermeister 
sind und nicht das Double von Herrn von Weizsäcker, sehr gut an 
gestanden, Herr Noch-Regierender Bürgermeister, an diesem heu 
tigen Tage zum 1. September 1939 etwas zu sagen, dem Tag des 
Überfalls auf Polen durch das faschistische Deutschland! Meine 
Fraktion hat eine Große Anfrage zur Friedenspolitik eingebracht, um 
gerade an diesem Tag darüber zu diskutieren, wie wir Europa atom 
waffenfrei machen können. Aber dieser Senat sah sich nicht in der 
(B) Lage, diese Frage heute zu beantworten. Und wir sind heute mit 
unseren Gedanken in Mutlangen bei der Blockade eines US- 
Depots von Atomraketen auf der Schwäbischen Alb. Und wir sind 
mit unseren Gedanken bei den Freunden in Ost-Berlin, die heute 
morgen vor der sowjetischen und amerikanischen Botschaft 
demonstiert haben. 
[Beifall bei der AL] 
Und, Herr Regierender Bürgermeister, es hätte Ihnen auch gut an 
gestanden, 
[Zuruf von der CDU: Thema!] 
in der Regierungserklärung etwas zu Kemal Altun zu sagen, denn 
immerhin ist es ein berüchtigter Berliner Strafsenat des Kammerge 
richts und ein Parteifreund von Ihnen, die für den Tod von Kemal 
Altun verantwortlich sind. 
[Krüger (CDU): Unerhört!] 
Was nun die tatsächliche Debatte über den Fall Rastemborski be 
trifft und das Geschiebe um seine Nachfolge, so meine ich, daß die 
Chance vertan worden ist, das zu diskutieren, was hier mit dem 
Stichwort „menschliche Dimensionen“ gekennzeichnet worden ist. 
Man freut sich ja als AL-Abgeordneter, der in der Vergangenheit 
hier nur aus dem Publikum heraus reden konnte, daß hier überhaupt 
mal so ein Begriff wie „menschliche Dimension“ in den Raum 
gestellt wird. Aber was ist denn von irgendeiner Fraktion zu dem 
Begriff „menschliche Dimension“ gesagt worden? Wann ist denn 
hier von „menschlicher Dimension“ gesprochen worden, wenn 
Hausbesetzer aus ihren Häusern geräumt wurden? Und es ist doch 
kein Zufall, daß nicht Herr Diepgen ausgestiegen ist oder Herr Lum 
mer ausgestiegen ist, sondern ein Mensch, der auch noch versucht 
hat, mit anderen Menschen zu debattieren, der nicht so festgefah 
ren war in seinen politischen Auffassungen, daß er immer davon 
ausgegangen ist, der politische Gegner sagt automatisch das 
Falsche, sondern der noch in einer bestimmten Form die Debatte 
gesucht hat. Und ich finde, wenn jemand wie Bausenator Rastem 
borski diese Konsequenz zieht, die er gezogen hat, dann müssen 
Sie doch, Herr Regierender Bürgermeister, doch auch einmal die 
Frage stellen, mit welchen Methoden ist denn Herr Rastemborski 
dazu gebracht worden, daß er diesen Schritt vollzogen hat? In 
welcher Form sind denn die Kollegen von Herrn Rastemborski - 
hier sitzt ja nun einer - mit ihm umgegangen? Wie war denn der 
Diskussionsstil, wie war denn das menschliche Klima? Sie hätten 
doch einmal wirklich als ehemaliger Vorsitzender des Evange 
lischen Kirchentages dieses Wort „christlich“, das Ihre Partei im 
Namen führt, an dem Punkt „menschliche Dimension“ im Fall 
Rastemborski mit Inhalt füllen können. Das haben Sie aber nicht ge 
macht. Damit haben Sie meiner Ansicht nach eine sehr große 
Chance vertan. 
Meine persönliche Einschätzung von alldem, was zur Zeit in 
diesem Senat und mit der Partei, die ihn trägt, abläuft - die andere 
Partei, die ihn trägt, die gibt es ja sowieso schon nicht mehr -: Das 
signalisiert einfach eine Krise der CDU. 
[Schicks (CDU): Das ist aber bloß Ihre ganz persönliche 
Einschätzung!] 
Diese Krise der CDU spitzt sich auch dadurch zu, — das sind ja 
sehr unqualifizierte Zwischenrufe, die Sie hier machen. 
[Heiterkeit bei der AL und bei der SPD] 
Also bitte, machen Sie doch mal einen guten Zwischenruf. Ich bin 
gern bereit, mit Ihnen zu debattieren, aber dann dürfen Sie hier nicht 
solche Plattheiten bringen. 
[Heiterkeit bei der AL und bei der SPD] 
Die Krise der CDU wird auch deshalb produziert - ich rede ja 
jetzt gar nicht von den Schlägereien in Charlottenburg oder in 
irgendeinem Bezirksverband -, daß mehrere Leute mit nichts 
anderem beschäftigt sind, als sich in die Startlöcher des Regieren 
den Bürgermeisters so schnell wie möglich zu setzen. Darum geht 
es doch: die personellen Machtkämpfe auf der einen Seite und auf 
der anderen Seite das inhaltliche Problem - hören Sie doch einmal 
zu, Herr Diepgen, vielleicht können Sie dem folgen -, 
[Heiterkeit und Gelächter bei der AL und bei der SPD] 
daß Ihre Partei — Oh, jetzt leuchtet ein Schild auf: „Redezeit be 
endet“; das ist ja sehr spannend, das irritiert mich. Sie können mich 
auch abmahnen. - 
[Heiterkeit bei der AL und bei der SPD] 
Es geht also darum, daß Ihre Partei mit hohlen Sprüchen wie in der 
Vergangenheit und mit dem Kennwort „Voikspartei“ die Probleme 
dieser Stadt nicht lösen kann. Die divergierenden Interessen in Ihrer 
Partei führen dazu, daß sowohl die CDU chaotischer wird als auch 
die Zustände in dieser Stadt chaotischer werden. 
Ich kann nur zum Abschluß sagen - und das gilt weniger hier für 
diesen Raum, in dem wenig Konzentration ist und in dem viel 
gequatscht wird, sondern mehr für die Menschen draußen in der 
Stadt -: Wenn Sie die Situation in dieser Stadt verändern wollen, 
dann müssen Sie Ihre Interessen in die eigenen Hände nehmen. 
Denn wenn Sie sich auf die CDU verlassen, dann sind Sie ver- 
Iqocpn 
[Beifall bei der AL] 
Präsident Rebsch: Meine Damen und Herren! Damit schließe 
ich diesen Tagesordnungspunkt. 
Ich rufe auf 
lfd. Nr. 1 b: 
Wahl und Vereidigung des Senators 
für Bau- und Wohnungswesen 
Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, schlägt der Regierende 
Bürgermeister Herrn Klaus Franke zum Senator für Bau- und Woh 
nungswesen vor. 
Es ist beantragt worden, die Wahl mit verdeckten Stimmzetteln 
durchzuführen. Der Stimmzettel ist vorbereitet worden, auf dem der 
Name des Kandidaten bereits gedruckt ist. Diejenigen, die dem 
Wahlvorschlag zustimmen wollen, bitte ich, hinter dem Namen des 
Vorgeschlagenen ein Kreuz in den Kreis zu setzen, der mit „Ja“ 
bezeichnet ist. Diejenigen, die den Vorgeschlagenen nicht wählen 
2768
	        
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